Kommunikation ist Glückssache

Jahresanfang, die Zeit der guten Vorsätze. Ich habe mir vorgenommen, mein Alltagsverhalten näher unter die Lupe zu nehmen – nicht unbedingt alles zu ändern, aber zumindest mal genauer hinzugucken.

Und da es keine Zufälle gibt, sondern nur das, was einem zufällt, ist mein erstes Thema die Kommunikation. Auslöser war die Suche nach einer bestimmten Mail über ein Stichwort, bei der ich auf eine völlig andere uralte Mail, in einem völlig anderen Zusammenhang, gestoßen bin. Eine private Mail zwischen Freundinnen, eine Kommunikation, wie sie schwieriger nicht hätte sein können: da haben sich zwei (eine davon war ich) gründlich missverstanden – und heute, aus der Distanz, kann ich auch genau sehen, woran es haperte. Damals wohl nicht (ich habe mir dann den gesamten Mailverlauf, soweit noch vorhanden, einmal herausgesucht). Ich steckte zu tief drin.

Kommunikation ist Glückssache – ein Spruch einer ehemaligen Kollegin, der einiges an Wahrheit enthält. Auch wenn wir alle Deutsch reden, als Muttersprachler, und vielleicht auch noch aus der gleichen Gegend kommen – wir sprechen nicht alle die selbe Sprache. „Dann eben nicht“ – das waren (meine) Worte, an denen sich das Missverständnis entzündete. Ich meine, rein sachlich genau das: wenn es nicht geht, dann geht es eben nicht. Mein Gegenüber allerdings hat es als (trotzige) Vorausinterpretation eines zu möglicherweise zu erwartenden „Nein“ empfunden. Zu Recht, wenn ich das heute lese – damals habe ich das nicht verstanden. Ich Juristin, die Empfängerin etwas völlig anderes von der Ausbildung her – und jede hat die andere in ihrem eigenen Kontext interpretiert.

Schon beim gesprochenen Wort muss man manchmal erklären, dass man alles eigentlich anders gemeint hat – kann es aber, je nach Verhältnis, oft schon im gleichen Gespräch. Aber in Briefen, Mails, SMS oder Whatsapps? In Kommentaren im Internet?  Ein gesprochenes Wort ist wie ein Sack Federn, habe ich mal irgendwo gelesen – man kann es nicht mehr vollständig zurücknehmen, einmal ausgegossen. Mit dem, was wir schreiben, ist es deutlich schlimmer – es ist nicht flüchtig, sondern manifestiert, beweisbar, wieder hervorholbar – und die entsprechende Reaktion erfolgt anders: ich sehe nicht die Mimik des Schreibers, die vielleicht hilfreich wäre zur Interpretation, ich kann der reinen Formulierung oft nicht entnehmen, ob es ironisch, sarkastisch, humorvoll, sachlich oder vielleicht beleidigt gemeint ist – und ich lese immer mit meinem eigenen Kontext.

Und das ist die Gefahr: aus meinem Verständnis heraus interpretiere ich die Worte der anderen, aus meiner augenblicklichen Empfindlichkeit, aus meinem Sprachgefühl, aus meiner Gewohnheit, mit Sprache umzugehen – und lasse den anderen, den ich ja nicht sehe oder höre, völlig dabei außer Acht – dabei sind die Worte ja seine Äußerung…

Vielleicht ist das ein Sinn von: „schlaf erst mal drüber“ – mir klar zu machen, aus welchem Hintergrund heraus die Worte des anderen kommen, dass meine Sprache nicht unbedingt die Sprache der anderen ist, dass es ein Unterschied in der Kommunikation macht, wie ich – und die anderen – mit Sprache umzugehen pflegen.

Aber auch anders herum ist eine Reflexion immer sinnvoll: müssen alle das jetzt so verstehen, wie ich das meine? Wo ist der Pferdefuß in meiner Formulierung? Innehalten, den Kommentar, die Mail, die Whatsapp noch einmal durchlesen mit Blick auf den Empfänger – vielleicht muss man sich die Zeit nehmen, um Missverständnisse zu minimieren?

Ich nehme mir jetzt vor, sorgfältiger zu formulieren – nicht nur in solchen Texten, wie diesem hier, sondern generell. Und ich hoffe, ich halte mich dran.

Zwischen den Jahren

Jetzt ist es schon wieder vorbei, das Weihnachtsfest – was hier bei uns doch von fast jedem gefeiert wird, mehr oder weniger feierlich, mehr oder weniger glamourös, mehr oder weniger inhaltlich, mehr oder weniger kommerziell, aber irgendwie doch. Vermehrt standen in Wohngebieten Autos mit fremden Kennzeichen – meine Tochter meinte: das ist doch schön, daran sieht man, das Familien zusammenkommen. Deshalb ergänze ich jetzt noch: mehr oder weniger freiwillig, mehr oder weniger friedlich.

„Wo ist er denn jetzt, Dein Gott?“ diese Frage höre ich immer häufiger. An Weihnachten stellt sie sich um so mehr, insbesondere, wenn man nicht die Weihnachtsscheuklappen aufzieht und doch noch mitbekommt, was sich in der Welt so tut. Da werden Kriege weitergeführt, da werden politisch Inhaftierte mehr oder weniger heimlich exekutiert, da sterben Kinder von Flüchtlingen in US-Haft, da fährt ein Schiff mit geretteten Flüchtlingen übers Mittelmeer und findet keine Herberge…

Darf man da überhaupt Weihnachten feiern? Darf ich der Weihnachtsbotschaft lauschen, während die Menschlichkeit auch in Europa immer mehr schwindet? Während Menschenrechte mit Füßen getreten werden?

„Wo ist er denn jetzt, Dein Gott?“ Hat Gott, falls es ihn überhaupt gibt, diese Welt nicht schon längst verlassen? Und überhaupt: „Engel erscheinen, verkünden den Frieden“ heißt es in einem meiner liebsten Weihnachtslieder – welchen Frieden denn? In den 2000 Jahren nach Christi Geburt, ist die Welt da wirklich friedlicher geworden?

Vielleicht sollten wir die Tage zwischen Weihnachten und dem neuen Jahr, die sogenannten stillen Tage, dazu nutzen, einmal in Ruhe, abseits jeder Hektik, darüber nachzudenken. In was für einer Welt leben wir – und in was für einer Welt wollen wir leben? Und können wir überhaupt irgendetwas ändern?

Und da sollten wir ansetzen: wenn wir in einer menschlicheren Welt leben möchten, so müssen wir selbst anfangen, die Welt menschlicher zu machen. Wir müssen bei uns selbst anfangen – und in unserer engsten Umgebung. Ein Lächeln breitet sich so schnell aus wie Licht – und ist doch so leicht herzugeben: in die Gesichter der Menschen, die uns begegnen, der Fremden und der Vertrauten. Ein Lächeln, leicht verschenkt, wärmt die Herzen und wird weitergegeben. Ein gutes Wort, ein Danke, ein paar Minuten des Zuhörens – auch das verbreitet Wärme. Und dann könnten wir aufhören, Menschen in Schubladen zu stecken: uns unserer Vorurteile bewusst zu werden und diese kritisch zu hinterfragen, immer im Hinterkopf haben, dass ein Mensch erst einmal ein Mensch ist, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Herkunft und Staatsangehörigkeit. Das heißt nicht naiv jedem zutiefst zu vertrauen und möglicherweise dann reinzufallen. Das heißt einfach nur: mich drauf einzulassen, zu erfahren, was für ein Mensch hinter dem steckt, was ich auf Anhieb sehe (und evtl an der Sprache zu erkennen meine). Dann werden wir feststellen, dass der größte Teil der Menschen genau das gleiche möchte wie wir: in Frieden leben. Vielleicht ist auch das etwas, was, einmal angefangen, sich ausbreitet.

Und dann, ja dann habe ich eine Antwort auf die Frage: Gott ist da, wo Menschen sich dem anderen liebevoll zuwenden.

Und da, wo jemand keinen hat, der ihm zur Seite steht, wo Menschen in Verzweiflung leben, da ist er auch. Und leidet und lebt mit ihnen. Und wenn das Licht sich ausbreitet, wenn wir dem Licht zur Ausbreitung verhelfen, dann wird er auch spürbar. Ja, wir sollten Weihnachten feiern: als Fest des Friedens, als Aufforderung an uns, für diesen Frieden einzutreten. Egal, ob wir Christen, Muslime, Juden, Atheisten oder was auch immer sind: wenn wir in diesem Sinn Weihnachten feiern, dann wird sich der Friede ausbreiten in der Welt.

Weihnachten 2018

Licht

Jesu Geburt
Gott wird Mensch
auf dem Schlauchboot im Mittelmeer
im libyschen Flüchtlingscamp
im Bombenhagel
unter mißbrauchten Kindern
in der Hungersnot
im Pflegeheim

Jesu Geburt
Gott wird Mensch
in Gewalt und Elend
in Flucht und Vertreibung
in Hunger und Not
in Armut und Krankheit

Jesu Geburt
Gott kommt in die Welt
in die Herzen der Retter
in die Herzen der Helfer
in die Herzen der Leidenden
in die Herzen der Liebenden
in die Herzen aller,
die guten Willens sind

Bei Dir
und bei mir

Jesu Geburt


Tag der Menschenrechte 2018


Vor 70 Jahren wurde die allgemeine Erklärung der Menschenrechte beschlossen – von den Vereinten Nationen. Ein Grund zu feiern? Eher nicht. Den verwirklicht sind sie nirgends, zumindest nicht in ihrer Gänze – und auch bei uns ist der Umgang mit ihnen eher fragwürdig.

Baum-Kreuz – Eifel
  1. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Na ja, kommt drauf an wo, oder? Warum sollten Afrikaner, die in einem Dürregebiet wohnen, die gleichen Rechte haben wie wir? Bzw. natürlich haben sie sie, da in ihrer Heimat, keine Frage, aber doch nicht, wenn sie in unsere Heimat kommen?
  2. Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied. Siehe oben. Wenn er zu Hause bleibt. Wenn er nicht Homosexuell ist. Oder Muslim. Oder sonstirgendwie nicht so, wie es sich für einen Deutschen gehört.
  3. Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Das aber kann ja nicht heißen, dass er nach Deutschland kommen muss, oder? Wenn er im Krieg lebt, nun, dann soll er für Leben, Freiheit und Sicherheit seiner Landsleute kämpfen, stattdessen fliehen sie alle feige. Und überhaupt, wer sich mit seinen Kindern gar in so eine Nussschale aufs Mittelmeer wagt, der bringt sie ja in Gefahr und verstößt selbst gegen Artikel 3…

Ich könnte jetzt so weitermachen – je tiefer ich in die Erklärung eintauche, desto mehr finde ich, was bei uns nicht verwirklicht ist – und zwar auch nicht von Seiten der Politik. Artikel 6 bis 10 z.B., da geht es um das Recht als Rechtsperson überall anerkannt zu werden und auf das Recht auf wirksamen Rechtsbehelf und einen fairen Prozess: in Bayern werden NGOs nicht in die „Ankerzentren“ gelassen, damit sie nicht in der Lage sind, dort dieMenschen über ihre Rechte aufzuklären – und abgeschoben wird auch, wenn noch Prozesse anhängig sind. Oder entgegen unserer Grundrechte: der Schutz von Ehe und Familie, ein so hohes Gut, das immer wieder betont wird, steht einerAbschiebung nicht entgegen. Hat der Mann ein Bleiberecht – nun, so kann man ja die Frau und die Kinder abschieben. Liegt die Frau gerade in den Wehen – nun, so kann man wenigstens den Mann schon mal heimschicken, manchmal gar die Frau gleich mit: alles Dinge, die in den letzten Wochen vorgekommen sind und von unseren Politikern gut geheißen werden.
Artikel 9 ff werden übrigens auch durch die neuen deutschen Polizeigesetze ausgehebelt, da gelten dann die Menschenrechte nicht mal mehr für Deutsche…

Ich stelle fest, dass das Klima bei uns rauer wird. Aus einemSicherheitsdenken gegenüber der gefühlten Angst des Bürgers, die ihm von der Politik immer wieder auch eingeredet wird („Migration ist die Mutter allerProbleme in Deutschland“, so unser Innenminister), aus einem Ablenken herausvon den wirklichen Problemen unseres Landes, der sozialen Ungleichheit, die unabhängig von jeder Migrationsfrage immer größer wird, aus einerPhantasielosigkeit heraus, die wirklichen Probleme in Deutschland (die immergrößer werdende Schere zwischen arm und reich, die zumindest in Deutschland auch zu geringerem Zugang zur Bildung führt, der Pflegenotstand, die Umweltverschmutzung, die legale Steuer“flucht“ und der Lobbyismus…) und der gesamten Menschheit (Ausbeutung für den Wohlstand der westlichen Industrienationen, Klimawandel, Kriege und Befeuerung der selben durch Waffenhandel)

Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und Würde geboren. Schön wärs. Schön wäre, wenn wenigstens in unserem Land genau dieser erste Satz beachtet würde. Wir brauchen noch lange keine Angst zu haben, dass dann „alle zu uns kommen“, wie gestern wieder jemand zu mir gesagt hat. Das wird nichtpassieren. Menschen hängen an ihrer Heimat, die meisten bleiben so nah wie möglich an zu Hause. Aber wir haben die Möglichkeiten dazu, die, die aus welchen Gründen auch immer nicht bleiben können, zu unterstützen, wir haben die Möglichkeiten dazu, Fluchtursachen zu bekämpfen – stattdessen bekämpfen wir Menschen.

Tag der Menschenrechte? 70 Jahre Erklärung der Menschenrechte?
Kein Grund zu feiern. Aber vielleicht ein Grund, innezuhalten, sich die gesamte Erklärung einmal vorzunehmen (so lang ist sie nicht) und darüber nachzudenken, ob es nicht doch richtig und sinnvoll wäre, sie umzusetzen. Und da wäre es schon gut, wenn wir jeder und jede mal darüber nachdenken würden und unsere Stimme erheben – damit die, die ihre gefühlte Angst (die ich keinem absprechen will) nicht lauter schreien und die Menschenrechte nicht im Geschrei untergehen…

Kohledemo auf der Deutzer Werft – 1.Dezember 2018

Advent. Ankunft des Herrn – Hoffnung auf sein Königreich.
Heute: Zehntausende Menschen in Köln, auf der Straße, bei der Demonstration für den Kohleausstieg. Eine buntgemischte, durchaus besorgte, aber auch fröhliche und hoffnungsvolle Menge.
Was das miteinander zu tun hat?
Für mich ist das ganz klar: Im Advent bereiten wir uns vor auf die Ankunft des Herrn und seines Königreiches. Irgendwann, ohne große Vorankündigung – manche werden die Zeichen erkennen, andere nicht, so steht es im heutigen Evangelium.
Und ich glaube: die, die da auf der Straße waren, heute, mit uns, in Köln: die haben die Zeichen erkannt, egal ob gläubig oder nicht. Denn: das Reich Gottes ist etwas, was nur entstehen kann, wenn wir alle mit daran bauen.
Die Klimakatastrophe ist dabei, die Lebensgrundlagen der Menschheit zu vernichten. Und das geht uns alle an – auch wenn die großen Katastrophen sich (noch) nicht bei uns abspielen – den Landwirten geht auch hierzulande bereits langsam aber sicher die Luft aus. Es geht uns alle an – weil wir beteiligt sind: daran, dass ganze Landstriche veröden – aber auch daran, ob Menschen ein neues Zuhause finden können oder nicht. In einer globalen Welt gibt es keine fernen Katastrophen, die Mitleid erregend sein mögen, aber unsere Sicherheit nicht tangieren. Wir sind alle miteinander verbunden.
Und deshalb war es für mich stimmig, heute in Köln auf die Straße zu gehen, statt in die Kirche zum beten: Die Zeit, kuschelig bei Kerzenschein auf dem Sofa zu sitzen ist vorbei. Der Weltklimarat formuliert eindeutig: wenn wir jetzt nichts tun, ist es zu spät. Und deshalb werde ich diesen Advent dazu nutzen, darüber nachzudenken, was mein Beitrag zum Klimaschutz sein kann. Ich bin davon überzeugt: wenn jeder und jede von uns einen Beitrag leistet, und sei er nur winzig, dann ist das ein wichtiges Signal. Wie heißt es in einem geistlichen Lied so schön: Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele miteinander träumen, dann ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit: Träumt unsern Traum. Oder, wie einer der jugendlichen Redner heute sagte: Vielleicht ist das, was wir wollen utopisch – aber es darf keine Utopie bleiben, wenn wir die Welt retten wollen.