Was ist eigentlich Hoffnung?

Worauf hoffen Sie? So fragt public forum in Heft 12/21 auf Seite 50 die Leserinnen und Leser unter dem Titel „Hoffen über die Pandemie hinaus“. Ein Satz sprang mir ins Auge: „Wann immer jemand mit der Realität überfordert war… musste eben mehr oder weniger untätig gehofft werden“ – und der stieß mir auf, habe ich doch selbst Anfang des Jahres „Hoffnungsbriefe“ verschickt an Menschen, die ich kenne, nach dem Losprinzip. Grund genug für mich also, mich dem Thema Hoffnung zu widmen.

Was ist Hoffnung eigentlich? „Hoffnung ist eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung, gepaart mit einer positiven Erwartungs­haltung, dass etwas Wünschenswertes eintreten wird, ohne dass wirkliche Gewissheit darüber besteht. Das kann ein bestimmtes Ereignis sein, aber auch ein grundlegender Zustand wie etwa anhaltende Gesundheit oder finanzielle Absicherung. Hoffnung ist die umfassende emotionale und unter Umständen handlungsleitende Ausrichtung des Menschen auf die Zukunft. Hoffend verhält sich der Mensch optimistisch zur Zeitlichkeit seiner Existenz“ finde ich als Definition bei WikiPedia. Ah ja. Also doch etwas Positives? Oder eher eine Art Resignation?
Manche erinnern sich vielleicht an meinen Text hier vor ein paar Monaten, in dem ich versuchte, etwas Aufmunterndes zu schreiben in einer Zeit, irgendwann vor Ostern, als alles nur noch schlimmer wurde. Ich schrieb am Ende:“ Mehr kann ich Euch heute nicht geben. Mehr habe ich selbst nicht.“ Das scheint mir die Hoffnung, die die Dame aus dem Zitat gemeint hat – die Hoffnung, dass es, wider Erwarten, besser werden kann, ganz ohne konkrete Anhaltspunkte. Und für mich war es genau diese Hoffnung, die dafür gesorgt hat, dass ich nicht ganz unterging im Tal der Tränen – der Grat war schmal, ich hatte Glück, ich bin nicht abgerutscht. Eine Hoffnung, die auf nichts beruht außer dem Gefühl, dass es einfach irgendwann besser werden muss. Eine Hoffnung, die sich auf nichts gründet, auf keiner noch so vagen Gewissheit, die aber dennoch trägt.

Also mich. In meinem Leben habe ich die Erfahrung gemacht, dass so viel dran ist an dieser Liedzeile „life happens when you’re making plans“ (One Republic, Wild Life): das Leben passiert, noch während wir Pläne machen. Und nicht immer geht, bei aller Hoffnung, am Ende alles gut aus. Spätestens als mein Kind trotz all meiner, all unserer Hoffnung vor der Geburt gestorben war, wusste ich, dass das so ist. Wir alle haben wahrscheinlich den einen oder anderen Schicksalsschlag erlebt, haben gehofft und doch verloren. Haben vielleicht am Krankenbett von Freund:innen oder Verwandten gesessen, gehofft, vielleicht gebetet – aber der Tod war stärker. Wie kann jemand, der so etwas erlebt hat, noch hoffen? Im März war ich sehr nah dran an der Hoffnungslosigkeit – aber ich habe drauf vertraut, dass sie wiederkehrt, die Hoffnung. Nun ist sie wieder da, vorsichtig, aber doch ja.
Was ist also Hoffnung? Die Hoffnung stirbt zuletzt, wird immer gesagt. Hoffnung ist das Vertrauen darauf, dass nicht alles vorbei ist. Das Vertrauen darauf, dass es weitergeht, vielleicht nicht so bequem, vielleicht anders, aber weiter geht.
Worauf ich hoffe: dass wir die Hoffnung nicht wieder verlieren. Dass immer zumindest ein kleine Fünkchen bleibt, kein „es hät noch immer jut jejange“, aber doch: bisher ging es immer irgendwie weiter. Eine Hoffnung, die uns nicht resignieren lässt, sondern die uns fähig macht zu Handeln und mitzuarbeiten an einer besseren Zukunft.