Mal was für die Ohren

Ich bin fürs Domradio interviewt worden, vor zwei Wochen, in meinem Urlaub, wurde es gesendet:

https://www.domradio.de/audio/edith-furtmann-die-welt-besser-verlassen-als-vorfinden

11.10.2020 – 18:00

Die Welt besser verlassen als vorfinden Edith Furtmann

Das sei ein Irrtum. Gott berufe keine Frauen, stellte der Pfarrer gegenüber der jugendlichen Edith Furtmann klar. Diese wurde dann Juristin. Seit Maria 2.0 studiert sie jetzt doch Theologie und schaut, was das Leben noch mit sich bringt.

Bis vor zwei Jahren hatte Edith Furtmann diese so wegweisende Szene mit ihrem verehrten Heimatpfarrer komplett vergessen. Gesprochen hatte sie all die Jahre mit niemandem darüber. „Dabei ging es mir gar nicht darum, dass ich nicht Priester werden konnte. Das war mir ja klar, das wusste ich. Aber das Gott mich nicht berufen hatte, das war ein Schock.“

Richterin? Wir werden verhindern, dass eine Mutter einem Mann den Platz wegnimmt

Der Schock war so groß, dass Edith Furtmann mit keiner Menschenseele sprach, sondern sich gleich eine neue Lebensaufgabe suchte. Richterin. Auch gut, dann wollte sie auf diese Weise für mehr Gerechtigkeit in der Welt sorgen.

Nicht gewappnet war sie allerdings auf die Sprüche, die ihr der vorsitzende Prüfer im Vieraugengespräch unverholen mitgab – und die jede Aussicht auf das Richteramt zerstörten. Was passiert ist, hören Sie in der Sendung.

Bürgermeisterkandidatin und ehrenamtliche Gemeindeleitung

Zusammen mit ihrem Mann änderte Edith Furtmann ihre Pläne: statt wie geplant bei den Kindern zu bleiben, suchte nun ihr Mann eine Stelle. Edith Furtmann engagierte sich politisch und kirchlich. Wurde am Niederrhein Bürgermeisterkandidatin und sammelte Erfahrung in der Kommunalpolitik und der ehrenamtlichen Gemeindeleitung.

Warum dann eine Lesung zum „Weiberaufstand“ von Christiane Florin noch mal alles änderte und wie in einem Mosaik heute alle Erfahrungen in einem neuen Bild zusammen kommen, davon erzählt Edith Furtmann mal stoisch, mal leidenschaftlich und immer spannend.

Tag der deutschen Einheit: Betrachtung meines ganz persönlichen Lebens und Erlebens in Deutschland

30 Jahre Deutsche Einheit. Im Umkehrschluss für mich: 27 Jahre meines Lebens war Deutschland geteilt, für mich war, wie Reinhard Mey das mal besungen hat, Leipzig weiter weg als Rom (eine meiner Lieblingsstädte) oder New York (wo ich auch erst vor 2 Jahren war). Einfach exotischer als der Rest der für mich zugänglichen Welt.

Und dann kam der 9. November vor 31 Jahren, für mich der eigentliche Feiertag: die Mauer fiel.

Ein Jahr vorher waren wir noch mit dem Auto nach Berlin gefahren, voller Angst über die Transitautobahn, nach dem wir wegen eines Passfotos Stunden an der Grenze verbracht hatten (eine Mitfahrerin hatte an dem Tag einen Pferdeschwanz statt der Zöpfe vom Passbild). Auf der Fahrt nach Ostberlin wurde mein Bruder am U-Bahnhof stundenlang festgehalten, weil er sich einen Bart hatte wachsen lassen – die Angst fuhr also immer mit.  Vor dem Berliner Dom wurde mein Mann gebeten, doch seine Jeans auszuziehen, er könne dafür mehrere Dosen echten russischen Kaviar bekommen – was er natürlich nicht getan hat, uns aber sehr fasziniert.

Bereits Ende der 70er war ich einmal in Berlin gewesen – mit der Klasse – und hatte mein Geld in Noten investiert und war den Zwangsumtausch doch nicht losgeworden…

Das waren meine einzigen Berührungen mit der DDR, bis dahin – und das Ostberlin, dass ich kennengelernt habe (einschließlich mit: wir haben keinen Platz in offensichtlich leeren Cafés) irgendwie strange, aber sicher nicht repräsentativ.

Wir reisen gerne, auch innnerhalb Deutschlands. In den Folgejahren sind wir immer mal in den „neuen“ Bundesländern gewesen, weil es uns dort landschaftlich ungeheuer gut gefällt. Und haben eine Entwicklung beobachten können: vom teilweisen totalen Verfall bis hin zu Städten und Dörfern, die mit sanierten Häusern und Straßen sich durchaus sehen lassen können. Parallel dazu konnten wir beobachten, dass es im Westen immer mehr Verfall gab, weil es den Städten an Geld fehlt – und aus meiner Arbeit im Stadtrat weiß ich, dass der Soli zumindest mit schuld daran ist. All das sind aber persönliche Eindrücke, keine generellen Erfahrungen.

Jetzt, nach dreißig Jahren, frage ich mich durchaus: warum gibt es immer noch dieses Lohngefälle? Aber das frage ich mich nach über 70 Jahren, in denen der Gleichheitsgrundsatz ins Grundgesetz eingeführt wurde, auch bezüglich der Bezahlung Männer/Frauen) Aber auch: warum gibt es dieses Infrastrukturgefälle teilweise andersrum? Und wenn ich dann genau hinsehe, merke ich: es gibt diese Unterschiede überall in Deutschland, es gibt überall strukturschwächere und strukturstärkere Gegenden – diesbezüglich gibt es keine Einheit, aber die Grenze ist nicht mehr Ost/West, sie geht bunt durch unser Land. Das ist bedauerlich und muss dringend angepackt werden – ist aber keine Frage der Einheit an sich.

Ich glaube, manche Menschen verwechseln Einheit mit Gleichmacherei. Aber das, was wir heute Deutschland nennen, ist, wie das, was wir vorher Bundesrepublik nannten, ein Konglomerat von ganz verschiedenen Einzelteilen – schon Rheinländer*innen und Westfalen sind ziemlich unterschiedlich, wenn man pauschalisieren will (ich kann das beurteilen, ich lebe am Niederrhein mit einem Westfalen, der ziemlich westfälisch ist bzw. zumindest mal war). Und der Niederrheiner an sich ist nicht mit dem Kölner gleichzusetzen. Bayern sind keine Preussen und und und. Vielleicht ist der Ansatz einfach falsch.

Wenn wir begreifen, dass wir alle Menschen sind, die in diesem Land leben, unterschiedlich wie Menschen nun mal sind, der ein oder die andere so oder anders geprägt, egal, wo unsere Wurzeln auch immer liegen (als Rheinländerin weiß ich, dass wir Deutschen gar nicht so deutsch sind, wie manche das gerne hätten), und dass unsere Regionen ebenfalls unterschiedlich sind, Bayern ist nicht Mecklenburg Vorpommern und Mittelgebirge sind keine Alpen, der Rhein ist nicht die Elbe und der Meeresstrand liegt nicht am Baggersee) und daher verschieden geprägt sind und auch verschiedene Voraussetzungen haben: wenn wir das kapieren, dass es nur eine Einheit in der Vielfalt geben kann, dann können wir uns, vorbehaltlos, über die Deutsche Einheit freuen.