Nachtrag zum Weltfrauentag

Aus gegebenem Anlass – im Nachgang zum gestrigen Weltfrauentag – noch ein paar Gedanken dazu:

Ich wurde überschwemmt mit Werbung: von „Haarschnitte“ oder „Kosmetikberatung“ am Weltfrauentag für Frauen 15 % Rabatt über „Extra für Frauen: unsere neuen Produkte“ bis „Wechseljahre: was tun“ alles, was man sich so vorstellen kann. Mit dem ein- oder anderen habe ich mich näher befasst: Produkte, die es auch „normal“ gibt, für Frauen extra in rosa – und nur ein winziges bisschen teurer (kennt man ja).

Dann bekamen wir, meine Tochter und ich, am Vorabend Herzchengummibärchen geschenkt im Kölner Bahnhof (übrigens sehr lecker) – im Zuge der Gleichberechtigung gab es die allerdings auch für ihren Freund. Und überall rote Rosen und weiß ich nicht was am Tag selber – und fromme Reden von Politikern, die wahrscheinlich vom letzten Jahr abgeschrieben haben und heute nicht mehr wissen, was sie gestern gesagt haben. Ach ja, und gratuliert wurde mir auch, mehrfach: auf facebook, bei Whatsapp und – tatsächlich – auch so…

Und dann meine Tageszeitung, die TAZ: nur von Frauen geschrieben! Eigentlich eine gute Aktion, zeigt sie doch, dass das keinen qualitativen Unterschied macht. Aber heute schreiben wieder in der Mehrheit die Männer, wie immer…

Das alles ist – meiner Meinung nach – nicht wirklich der Sinn dieses Tages. Er ist kein zweiter Muttertag, und er ist kein Tag frommer Reden: er weist darauf hin, dass Gleichberechtigung nach wie vor nicht gegeben ist, nicht in der Welt, und schon gar nicht bei uns. Dass muss allerdings ins Bewusstsein eindringen, ins Rückenmark unserer Gesellschaft, sonst verkommt der Tag zur Geschäftemacherei…

Das Credo muss sein: jeder Mensch hat die absolut gleichen Rechte, egal, ob männlich, weiblich oder divers, egal, welche Religion, welche Herkunft, welche sexuelle Ausrichtung. Erst wenn wir das verinnerlicht haben, ist ein Weltfrauentag nicht mehr notwendig – und dazu muss sich was verändern: wir müssen immer wieder mit dem Finger auf das zeigen, was am Weltfrauentag ausprobiert und geredet wurde – und auf Einhaltung pochen. Nur dann hat dieser Tag noch einen Sinn und wird irgendwann überflüssig.

8.März – Weltfrauentag

8. März. Weltfrauentag. Braucht man diesen Tag heute noch? In Deutschland? Die hiesige Lokalzeitung stellt an solchen Tagen gerne mal Frauen vor als „die starken Frauen Krefelds“ – allesamt Frauen in Führungspositionen. Aha. Das also sind starke Frauen.
Für mich sind starke Frauen nicht in Führungspositionen zu finden, sondern an völlig anderen Orten.
Die Reinigungskraft, die nebenbei noch Haushalt und Kinder managet und dennoch positiv durchs Leben geht.
Die Mutter, die neben Arbeit und Familie auch noch die alten Eltern oder Schwiegereltern pflegt, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit.
Die alleinerziehende Mutter, die zugunsten von Vollzeitarbeit und Kindern weitgehend auf ihr Privatleben verzichtet, um den Kindern möglichst viel Zeit und Liebe zu geben.
Die Hausfrau, die neben Kindern, Haushalt, Rückenstärkung des Mannes ihre „Freizeit“ damit verbringt, ehrenamtlich für andere da zu sein.
Die Pflegefachkraft mit Billiglohn, die ihre Überforderung nicht an den Patienten oder Bewohnern auslässt.
Die Erzieherin, die auch mit 50 noch auf die Kinder eingeht und sie für ihren Weg ins Leben stärkt, obwohl sie der Arbeit eigentlich nicht mehr gewachsen ist.
Diese Liste über Frauen in Krefeld bzw. Deutschland könnte ich endlos fortsetzen.
Und dann gibt es noch die starken Frauen dieser Welt.
Die Mütter in der Ukraine, die die Einberufungsbescheide ihrer Söhne verbrennen.
Die Mütter der Plaza Mayo in Argentinien, die immer und immer wieder auf die Straße gegangen sind, um etwas über das Schicksal ihrer Kinder zu erfahren.
Die Geiseln von Boko Haram, die nach ihrer Befreiung bereit sind, über ihr Schicksal zu reden, damit die Welt erfährt, was in Nigeria passiert.
Die Frauen in aller Welt, die ihre Kinder vor der Gewalt der Väter schützen und dabei selbst Leib und Leben riskieren.
Die Frauen in Kriegsgebieten, die ihre Kinder auf die Flucht schicken, in der Hoffnung, dass wenigstens diese den Krieg überleben.
Die verschleppten Frauen, die in die Prostitution verkauft wurden und die Kraft haben, sich gegen ihre Zuhälter aufzulehnen.
Auch hier könnte man die Liste endlos erweitern.
Eine starke Frau ist in meinen Augen eine Frau, die ihr Leben, egal, wie es auch aussieht, irgendwie dennoch lebt und in den Griff bekommt, gegen alle Widerstände. Eine Frau, die sich nicht entmutigen lässt, sondern notfalls immer wieder von vorne anfängt.
Natürlich kann das auch eine Führungskraft sein. Keine Frage. Die Stellung als Führungskraft an sich ist aber kein Merkmal dafür, dass es sich um eine starke Frau handelt.
Und zu guter Letzt: solange solche Artikel erscheinen, solange „starke Frauen“ so präsentiert werden, solange man betonen muss, dass es Frauen in Führungspositionen gibt, solange Frauen auf dieser Welt Freiwild für Männer sind, solange Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, solange „Frauenarbeit“ (Haushalt, Erziehung, Pflege…) immer noch nichts wert sind, so lange Frauenberufe (Pflege, Erziehung, Grundschullehramt, Reinigungskraft…) von der Bezahlung her immer noch am unteren Ende angesiedelt ist, solange die Werbung auf den Weltfrauentag mit Kosmetika und männlichen Models solange ist auch in Deutschland ein Weltfrauentag immer noch notwendig.
Von der Lage der Frauen in der Welt gar nicht zu reden…

Was ist eigentlich Demokratie?

Aus gegebenem Anlass beschäftige ich mich heute mit einem Thema, von dem ich dachte, es sei eigentlich klar und eindeutig.

Der Anlass? Die Diskussion um den Uploadfilter, um Artikel 13 einer Urheberechtsreform der EU. Inhaltlich mag ich darauf nicht eingehen, das können andere besser. Fakt ist: Künstler müssen für das, was sie tun, bezahlt werden. Fakt ist aber auch: Zensur ist keine Lösung. Aber um den Inhalt geht es mir jetzt ja auch nicht, sondern um die Art und Weise, wie hier Demokratie gelebt wird. Denn die Abstimmung hierüber war im EU-Parlament auf den 25.März angesetzt. Daraufhin wurden etliche Großdemonstrationen vorbereitet, europaweit für den 23. März. Und nun kommt es: mit diesem Wissen will die konservative EVP (die ziemlich weit nach rechts herüber ragt), und allen voran die CDU/CSU, die Abstimmung vorverlegen… (einer von vielen Links dazu: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/artikel-13-evp-fraktion-will-urheberrechts-abstimmung-vorziehen-a-1256304.html)

Zunächst: als Demokratie bezeichnet man Herrschaftsformen, bei denen die Macht vom Volke ausgeht. Das wird in den verschiedensten Ländern verschieden gehandhabt, manche, die sich Demokratie nennen, sind keine, weil es nicht wirklich freie Wahlen gibt, andere sind mehr oder weniger direkte Demokratien, auch da sind Ergebnisse manchmal zweideutig: auf Grund der Wahlmänner in den USA kann es dort sein (und war es ja unlängst auch so), dass nicht derjenige oder diejenige Präsident wird, auf den sich die meisten Stimmen vereinigen, sondern halt der, der die meisten Wahlmänner hat. Bei unserer Mischform: Wahlkreiskandidaten- und Parteienwahl wird das Parlament immer wieder vergrößert, weil sonst das Ergebnis der Wahlkreiskandidatenwahl nicht mit dem der Parteienwahl übereinstimmt. Bei der Kommunalwahl in England kann man ankreuzen: keinen der angebotenen Kandidaten – diese Stimmen werden ebenfalls gezählt, so dass die absolute Mehrheit vielleicht plötzlich in ganz anderem Licht steht…

Die Frage ist nun: ist Wählen gehen das einzige, was ich als Demokratin tun kann, wenn ich mich nicht an eine Partei binden und in die Parteiarbeit einsteigen möchte? Schauen wir doch mal ins Grundgesetz, denn Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung diverser Grundrechte wie z.B. der Pressefreiheit sind eine unabdingbare Voraussetzung für jede Demokratie, denn das „Volk“ muss genau erkennen können, worauf es sich einlässt – und seine Entscheidungen jeweils neu überdenken können, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Und in Artikel 8 unseres Grundgesetzes finde ich die Versammlungsfreiheit, unser Demonstrationsrecht. Demonstrationen sind eine grundsätzlich zu erlaubende (näheres regelt wie immer ein Gesetz) Möglichkeit, seine Meinung kundzutun. Und dieses Grundrecht will man nun dadurch aushebeln, dass man einfach vorher entscheidet. Das Demonstrationsrecht bleibt zwar gewahrt, aber es läuft dadurch ins Leere…

Und das ist genau der falsche Ansatz, den unsere größte Regierungspartei gemeinsam mit ihren Verbündeten da vertritt: Demokratie soll ihrer Ansicht nach nur im Wahllokal stattfinden, alles andere wäre ja auch zu lästig. Damit fängt man an, an den Grundrechten zu sägen, die eine funktionierende Demokratie tragen. Das macht mir Angst, hier geht es nämlich nicht mehr um die sowieso zerstörerischen Vorstellungen der AfD, dies hier ist breiter und perfider…

Ich gehöre zu den Menschen, die unsere Demokratie immer wieder in Schutz nimmt und verteidigt. Es mag keine gute Staatsform sein, aber doch die beste, die es gibt. Ich werde nicht müde, wahlmüden Menschen zu erklären, warum wählen gehen so wichtig ist. Jetzt allerdings gehen mir die Argumente aus…

Was mir Hoffnung macht: gestern waren bundesweit spontan jede Menge Menschen auf der Straße, und so soll es auch bleiben. Vielleicht besinnen sich die Politiker ja doch noch einmal auf das, was sie eigentlich hochhalten sollen: unsere Demokratie. Dann, so bleibt die Hoffnung, ist Europa auch keine Farce.