„Im Nebel ruhet noch die Welt“ – so beginnt ein Herbstlied,
dass ich im Schulchor kennengelernt habe. November, Novembernebel, Herbststürme,
frühe Dunkelheit – der November ist nicht unbedingt mein Lieblingsmonat. Aber es
gibt Highlights: Martinsumzüge, Weihnachtsbasare, vielleicht auch schon ein
Weihnachtsmarktbesuch, gemütliche Abende mit Glühwein, Kerzenschein und guten
Freunden …
So könnte dieser Artikel anfangen, wenn nicht, ja wenn es
nicht der November 2020 wäre, der heute beginnt. Lockdown light oder wie immer
man das nennen will: extreme Kontaktbeschränkungen, Gastronomie, Museen,
Theater, Kinos und „Vergnügungsstätten“ geschlossen, Martinszüge abgesagt,
Weihnachtsmärkte ebenfalls.
Also nochmal von vorne: „Im Nebel ruhet noch die Welt“, so
beginnt ein Herbstlied, dass ich im Schulchor kennengelernt habe. November,
Novembernebel, Herbststürme, frühe Dunkelheit – schon unter normalen Umständen
ist der November nicht unbedingt mein Lieblingsmonat. Aber das Lied geht
weiter: „bald siehst Du, wenn der Schleier fällt…“ Wir wissen alle: es gibt im November
Tage, da fällt der Schleier nicht. Da ist es den Tag über dämmrig, man sieht nix,
und ohne elektrisches Licht geht gar nix. Es ist der Monat des Totengedenkens,
der Volkstrauertage – irgendwie alles ziemlich trübe. Und in diesem Jahr sicher
deutlich trüber als sonst. Aber: irgendwann fällt er doch, der Schleier.
Irgendwann sieht man sie doch, die Sonne, manchmal nur ein kleiner blauer
Himmelsfleck, ein paar Strahlen durch ein Wolkenloch, manchmal auch deutlich
mehr – und die muss man dann genießen, diese Aufheiterungen.
Und so sollten wir es jetzt machen: Wolkenlöcher suchen.
Manche kann man selbst herstellen: Endlich mal Zeit, auf dem Sofa zu sitzen und
ein gutes Buch zu lesen. Ein Telefonat mit der besten Freundin, während man mit
heißem Tee in eine Decke gewickelt auf dem Sofa sitzt. Oder man ruft jemanden
an, von dem man weiß, er oder sie hat drauf gewartet – dann ist man selbst
Wolkenloch für andere. Wenn man spazieren geht, findet man vielleicht ein
besonders hübsches Herbstblatt. Oder, wie früher als Kinder, Kastanien, die mit
ihrer glatten Haut auch als Handschmeichler durchgehen. Vielleicht nutzen wir
die moderne Technik, um das, was uns fehlt zu kompensieren: Eine Skype
Verabredung, gerne zum virtuellen Kaffee- oder Glühweintrinken, damit man sich
sieht beim Ausquatschen. Man kann übers Internet zusammen spielen: Sonntags
abends treffen sich in unserer Familie Kinder und Enkelkinder mit der Oma, um
über Skype 2 Stunden Stadt-Land-Fluss zu spielen, und sie hat so Kontakt zu den
Enkeln, die sie wegen Corona nicht besuchen können. Vielleicht lächeln wir beim
Spaziergang jemanden an – und der lächelt überrascht zurück. Das wärmt das
eigene Herz ungemein.
Ich bin sicher, es gibt noch ganz viele andere Wolkenlöcher,
für jeden und jede ganz individuell. Das erste Lächeln des Tages bekomme ich
von mir selbst, morgens, im Badezimmerspiegel, auch wenn’s manchmal
schwerfällt. Das hebt die Laune schon ungemein. Und dann gibt es einen ganz
einfachen Trick, sich selbst zu zeigen, dass es positive Momente gibt: Man
nehme 7 Bohnen oder Murmeln oder was auch immer und stecke sie in die linke
Hosentasche. Immer, wenn einem etwas Schönes begegnet, und sei es auch noch so
winzig, wechselt man dann eine Bohne auf die andere Seite. Man wird
aufmerksamer, denn Ziel ist es natürlich, möglichst viel Bohnen in die andere
Tasche zu tun. Abends kann man sie zählen und merkt: ganz so nebelig war es
nicht, es gab Wolkenlöcher. Vielleicht unterstützt man das Ganze mit einem
Positivtagebuch. Oder, wenn man kann, mit einem Dankbarkeitsgebet.
„…herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde fließen“ –
ich wünsche Euch/Ihnen und mir, dass wir das sehen können, jeden Tag, auch in
diesem November. Versuchen wir’s. Gutes Gelingen.