Frieden

Seit genau 74 Jahren haben wir Frieden, hier in Deutschland. Seit fast 30 Jahren sind wir wiedervereint.

Offenbar ist das etwas, was wir nicht mehr wirklich bemerken, scheint mir. Genauso wenig wie wir merken, dass anderswo in dieser Welt, nicht nur in Syrien, auch mit deutschen Waffen immer noch Krieg herrscht, Städte und Dörfer, ja ganze Heimaten zerstört werden und Menschen, zu einem großen Teil völlig unbeteiligte Menschen, deren Fehler nur ist, da zu leben, wo sie leben, getötet oder verstümmelt werden. Kindheiten werden ausgelöscht, Zukünfte vernichtet.

Ja klar, das ein- oder andere liest man in der Zeitung. Aber es ist doch irgendwie immer weit weg, selbst, wenn es so nah kommt wie der Kosovokrieg: ich stand am Ufer der Drau und wusste, da wo sie hinfließt ist Krieg – aber so ein Wissen führt doch eher zu einer Art Schaudern, unser Leben berührt es nicht wirklich.

Da aber Frieden und Sicherheit in der Realität kein Thema sind, sucht man sich andere Baustellen: man fragt sich: sind das auch alles Kriegsflüchtlinge, die da kommen? Wieso haben die ein Handy bei, wenn sie doch alles verloren haben, angeblich? Können die überhaupt was oder wollen sie uns nur ausnehmen? Und wäre es nicht besser, sie blieben, ihr Land wiederaufzubauen. Oder, ja, um zu kämpfen? Diese Diskussion kann nur aufkommen bei Menschen, die tatsächlich nicht wissen, wie das ist, wenn einem das Haus über den Kopf zerbombt wird, wenn man Angehörige verliert, wenn man den Job und das Einkommen verliert ohne soziale Absicherung, wenn man nicht mehr weiß, wie man die Kinder satt bekommen soll oder wenigstens so, dass sie nicht verhungern…

Frieden als Freiheit von Krieg ist nichts, was man anfassen kann. Nichts, was man merkt, wenn man keinen Krieg kennt. Und dennoch ist es etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt: dass der Frieden überall ankommen kann, dass er überall wachsen kann. Und dafür kann man etwas tun: man kann aufhören, Waffen zu verkaufen. Man kann Bedingungen schaffen, unter denen die Welt gerechter wird. Man kann – im Inland und im Ausland – die Bildung verbessern.

Und ich persönlich, was kann ich tun? Ich kann z.B. bewusster einkaufen – im fairen Handel, und ansonsten regional. Ich kann bei allem was ich tue drüber nachdenken, ob mein Verhalten Konsequenzen für andere, auch in entfernten Gegenden dieser Welt hat – positive oder negative. Und ich kann mich dem Hass entgegenstellen, der uns suggerieren will, dass wir längst im Krieg leben, wegen der Menschen, die bei uns Schutz suchen. Ich kann aufstehen gegen Falschmeldungen, die immer wieder erzählt und verteilt werden, real und im Netz. Ich kann aufhören zu schweigen.

Ich kann aufklären: zeigen, dass wir gut leben, dass wir Frieden haben, und dass der Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit auch den inneren Frieden sichert.

Ich bin dankbar dafür, dass ich die 56 Jahre meines bisherigen Lebens in einem Land ohne Krieg leben durfte, in einem Land, in dem zwar vieles hakt, aber mein Leben doch weitgehend abgesichert ist.

Ich bin dankbar, dass es Frieden gibt. Und ich wünsche allen Menschen auf dieser Welt, dass sie Frieden erfahren dürfen – nicht erst, wenn sie auf dem Friedhof liegen…

Lasst es uns immer wieder bewusst machen: Wir leben im Frieden. Seit 74 Jahren. Und es liegt auch an uns, Frieden zu schaffen in dieser Welt.

Gedanken zu Frühling und Neubeginn

Am Freitag hatte ich eine Beerdigung – auf dem frühlingshaften Krefelder Friedhof. Und da dachte ich glücklich darüber nach, wie schön es doch ist, dass auf jede Nacht ein Morgen folgt und auf jeden Winter ein Neubeginn im Frühjahr – es passiert einfach, ohne dass wir was dazu tun.
Dann fuhr ich durch den Forstwald, das Gewand zurückbringen, und sah diese Bäume, den grünen und den, der die Trockenheit des letzten Sommers nicht überlebt hat – und plötzlich war die Selbstverständlichkeit gar nicht mehr so selbstverständlich. An dem Baum, der wohl fallen wird im Laufe des Jahres, ist gut zu erkennen, dass wir nicht als selbstverständlich ansehen können, dass es immer weitergeht:

Nicht immer folgt ein Morgen auf die Nacht, nicht immer folgt dem Dunkel das Licht, nicht immer folgt dem Winter auch ein Frühling – nicht immer und nicht überall.

Im Mittelmeer sterben Menschen, während das christliche Abendland noch darüber philosophiert, ob Seenotrettung Schlepperei ist. Ganze Weltgegenden trocknen aus und treiben die Menschen, die die Katastrophen überleben, in Elend und Flucht, während das christliche Abendland noch darüber nachdenkt, ob sie uns unseren Luxus und unsere Werte klauen. Und das Internet überschwemmt von Ressentiments gegenüber Fremden, bestenfalls, schlimmstenfalls von Hass und Hetze, und auch Politiker machen da mal mehr, mal weniger offen, mit…

Ich bin – nicht immer zum Verständnis meiner Umwelt – kommentierender Weise im Internet unterwegs. Ich versuche – gemeinsam mit so vielen anderen Menschen – den Hass und die Hetze aus den Kommentarspalten herauszuholen. Und ich finde: es lohnt sich, genauso wie es sich lohnt, für Klimaschutz aktiv zu werden. Jeder Baum, der nicht vertrocknet, jeder Mensch, der leben darf: das sind die Hoffnungen auf den Neuanfang: jeden Tag und immer wieder. Deshalb lohnt es sich, immer und immer wieder Hass und Hetze entgegenzutreten, deshalb lohnt es sich, das eigene Handeln immer wieder auf seine Auswirkungen auf die Umwelt zu überprüfen. Deshalb stehe ich – und viele andere – immer wieder auf und mache weiter.

Ostern 2019

O

Mensch wo bist Du?

Gott sucht uns:

Wenn wir uns verstecken

wie Adam und Eva

Weil wir wissen:

Wir haben Mist gebaut

Gott sucht uns:

Wenn er in unserem Alltag nicht vorkommt

weil wir glauben,

dass das normale Leben

eben nun mal nicht christlich sein kann

Gott, wo bist Du?

Wir finden ihn nicht:

Wenn unser Leben nicht nach Plan läuft

Wenn wir Menschen verlieren

Freundschaften zerbrechen

Partnerschaften nicht mehr tragfähig sind

Gott wo bist Du?

Wir finden ihn nicht

Wenn wir das Elend dieser Welt anschauen

Wenn wir nicht wissen,

wie wir mit den Flüchtlingen umgehen sollen

Mein Gott warum hast Du mich verlassen?

Fragt Jesus, selbst Gott und doch ganz Mensch

am Kreuz in Todesnot

Wo ist der Leichnam?

Fragen die Frauen am Grab

Gott ist da:

Wo Menschen die Flucht nicht überleben

Wo Menschen grausam gequält werden

Von Menschen,

in der Welt – aber auch hier in unserer Kirche

Gott ist da:

Wo wir ihn in unseren Alltag lassen

Wo wir hingucken

Wo wir anfassen

Wo wir aufhören, ängstlich zu schweigen.

Und überall da

geschieht Auferstehung

Heute

Hier und überall

Jetzt.

Meine Gedanken zu Karfreitag

Mein Gott, warum hast Du mich verlassen – das fragt Jesus vom Kreuz herab. Auch sonst scheint er ziemlich verlassen: außer seiner Mutter Maria, seinem Lieblingsjünger Johannes und Maria Magdalena ist keiner mehr da – alle haben sich verdrückt…

Wegkreuz am Tagebau

Und ja, diese Frage stellen wir durchaus auch. Wenn ein lieber Mensch viel zu früh verstorben ist. Wenn unser Leben durchkreuzt wird von Krankheit, Arbeitslosigkeit, Lieblosigkeit. Wenn uns unser Kreuz niederzudrücken scheint und wir keinen Ausweg finden.

Wo war Gott denn, als die Nazis ihre Greueltaten an den Juden und anderen unerwünschten Menschen ausübten. Wo ist Gott denn, wenn Menschen im Krieg leiden, wenn sie auf der Flucht sterben, wenn sie dort, wo sie Leben erhofften, nur Elend und Not finden. Wo ist Gott, wenn die Klimaerwärmung dazu führt, dass ganze Landstriche veröden. Wenn Naturkatastrophen Menschenleben kosten. Wo ist er, wenn Priester Kinder und Ordensfrauen mißbrauchen?

Wo ist jetzt Dein Gott – diese Frage bekomme ich manchmal gestellt: wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil sich die Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit und Frieden als trügerisch erwies.
Wo ist jetzt Dein Gott – das werde ich manchmal gefragt, wenn Menschen viel zu früh versterben.

Wo ist jetzt Dein Gott fragte meine Freundin, die Karneval die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs bekam und Karfreitag dann verstarb: wo ist jetzt Dein Gott?

Gott, wo bist Du – diese Frage stelle auch ich mir immer wieder.

Ich glaube, Gott ist überall da, wo Leiden herrscht. Er ist da, wo Verzweiflung alles leben zu ersticken droht. Er ist aber auch da, wo er den Menschen findet, der es wagt, genau hinzuschauen, sich nicht zu verstecken, sondern das Leid und Elend zur Kenntnis nimmt. Er ist da, wenn wir aus der Bequemlichkeit auszubrechen und uns auf den Weg machen, auf den Weg zum Nächsten, der Hilfe braucht, auf den Weg, unsere Bequemlichkeit zurückzulassen zum Wohle seiner Mitmenschen, auf dem Weg, Entscheidungen zu treffen statt in der Hoffnungslosigkeit zu verharren, auf dem Weg ins neue Leben. Gott hat keine anderen Hände als die unsrigen – die sollen wir denen reichen, die Trost brauchen und Hilfe, die ein offenes Ohr benötigen, die unser Einschreiten retten könnte. Achten wir darauf, wo Gott uns ruft – wo wir ihn hören – da werden wir Ihn finden. Dann stehen wir mit Maria, Johannes und Maria Magdalena unter dem Kreuz, dann stehen wir zu Ihm. Dann ist das Kreuz nicht das Ende…

Was ist Wahrheit

Mein Fastenkalender in diesem Jahr nennt sich „7 Wochen ohne Lügen“ und geht dieser Frage nach.

Was ist denn Lüge? Das ist relativ einfach, finde ich: Lüge ist das, was ich wider besseren Wissens verbreite. In der Regel, um irgendetwas durchzusetzen oder andere bloßzustellen oder sonst irgendwie entweder zu schaden oder einen Vorteil zu erlangen. Es gibt dann noch die Lüge nach dem Motto: „tell me sweet little lies“ – da lässt sich drüber streiten. Und dann gibt es das Schweigen, das Verschweigen von Wahrheiten. Da wird es dann schwierig…

Aber was ist Wahrheit überhaupt?

Was ist Wahrheit – die Frage stellt sich, als Jesus vor Pontius Pilatus steht. Was ist Wahrheit – die Frage stellt man sich angesichts der Flut von Falschmeldungen jeden Tag, wenn man durchs Internet surft. Was ist Wahrheit?

Gibt es das überhaupt? Wahrheit?

Ich habe eine Freundin, die ich seit dem 5.Schuljahr kenne. Wir sehen uns häufig, sind uns eng verbunden. Aber über unsere Schulzeit sprechen wir nur noch selten. Nicht nur, weil es genügend andere Themen gibt, sondern weil wir, wenn wir unsere Wahrheiten aus dieser Zeit vergleichen, eigentlich gar nicht auf derselben Schule gewesen sein können.

Nun kann man sagen: ok, Erinnerungen täuschen, und je weiter das Ereignis weg liegt. Nehmen wir also etwas anders: ein Verkehrsunfall. Zwei Autos treffen sich an der Mittellinie. Jeder der beiden behauptet, er wäre auf seiner Fahrbahnseite geblieben und der andere lüge. Was ist Wahrheit? Nun, für sich genommen kann es durchaus sein, dass beide fest davon überzeugt sind, die Wahrheit zu sagen. Ihre Wahrheit – objektiv ließ sich damals nichts feststellen. Das sind so Situationen, die jeder kennt: die (echte) Wahrheit liegt dann möglicherweise in der Mitte. Oder auch nicht. Wer weiß das schon. Übrigens ein Grund für mich, immer zu versuchen, alle Seiten zu hören, soweit das möglich ist.

Oder nehmen wir die Forschung: immer wieder müssen die Wissenschaftler feststellen, dass das, was sie bisher als Wahrheit kannten, durch neue Erkenntnisse relativiert oder gar grundlegend geändert wird (übrigens sehr gut dargestellt von Archäologen im New Yorker National Museum of History)

Also: gibt es das, Wahrheit?

Nun, es gibt durchaus Fakten. Nüchterne Fakten, die man so stehen lassen kann. Oder aber auch hinterfragen, interpretieren, widerlegen…

Und es gibt die subjektive Wahrheit, die offensichtlich die meine ist, vielleicht auch tatsächlich nur meine: für mich ist mein Mann der schönste Mann der Welt.

Es gibt das offensichtliche, was nur leugnen kann, der es leugnen will.

Es gibt Begebenheiten: wenn 100 Leute etwas gesehen haben und übereinstimmend erzählen, dann kann man es nur noch sehr schwer widerlegen oder leugnen.

Ich bin fest davon überzeugt: „die Wahrheit“ gibt es nicht. Es gibt nur das, was man für sich als wahr erkennt – wenn man offenen Herzen und bereitwillig danach sucht, dann ist es zumindest eine Wahrheit.

Aber auch da gibt es Grauzonen: es gibt Wahrheiten, die man sich nicht eingestehen will. Es gibt Wahrheiten, die man nicht hören will. Als Präventionsreferentin für sexuellen Mißbrauch in der katholischen Kirche höre ich immer wieder: bei uns gibt es so was nicht, bei uns tut das keiner. Das kann ja durchaus stimmen. Aber es kann auch sein (und es ist oft so), dass die Wahrheit keiner sehen und hören will. Dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Dass man gar nicht erst hinschaut: was ich nicht sehe oder höre, das existiert auch nicht, so wie das Kind, dass die Hände auf die Augen legt und meint, jetzt wäre es verschwunden…

Also: schwieriges Thema, das mit der Wahrheit. Da fragt man sich doch: warum überhaupt soll man dann bei der Wahrheit bleiben? Wenn sie doch so vielschichtig ist, so schwer fassbar – warum überhaupt drüber nachdenken in einer Zeit, in der sie sowieso keinen hohen Stellenwert mehr hat, dafür aber eine hohe Halbwertzeit?

Ich glaube, es geht gar nicht um Wahrheit. Wir nutzen die falschen Vokabeln. Es geht um Wahrhaftigkeit: dass ich Dinge sorgfältig prüfe und nur da als Wahrheit verkünde, wo ich davon überzeugt bin. Und dass ich danach lebe, was ich als Wahrheit erkannt habe. Dass ich weder mich, noch andere belüge, weder wissentlich noch ungeprüft unwissentlich. Und dass ich mir eingestehen kann, die Wahrheit nicht zu kennen. Oder nur einen Teil der Wahrheit zu erkennen.

Dann, nur dann kann ich wahrhaftig leben.

Nachtrag zum Weltfrauentag

Aus gegebenem Anlass – im Nachgang zum gestrigen Weltfrauentag – noch ein paar Gedanken dazu:

Ich wurde überschwemmt mit Werbung: von „Haarschnitte“ oder „Kosmetikberatung“ am Weltfrauentag für Frauen 15 % Rabatt über „Extra für Frauen: unsere neuen Produkte“ bis „Wechseljahre: was tun“ alles, was man sich so vorstellen kann. Mit dem ein- oder anderen habe ich mich näher befasst: Produkte, die es auch „normal“ gibt, für Frauen extra in rosa – und nur ein winziges bisschen teurer (kennt man ja).

Dann bekamen wir, meine Tochter und ich, am Vorabend Herzchengummibärchen geschenkt im Kölner Bahnhof (übrigens sehr lecker) – im Zuge der Gleichberechtigung gab es die allerdings auch für ihren Freund. Und überall rote Rosen und weiß ich nicht was am Tag selber – und fromme Reden von Politikern, die wahrscheinlich vom letzten Jahr abgeschrieben haben und heute nicht mehr wissen, was sie gestern gesagt haben. Ach ja, und gratuliert wurde mir auch, mehrfach: auf facebook, bei Whatsapp und – tatsächlich – auch so…

Und dann meine Tageszeitung, die TAZ: nur von Frauen geschrieben! Eigentlich eine gute Aktion, zeigt sie doch, dass das keinen qualitativen Unterschied macht. Aber heute schreiben wieder in der Mehrheit die Männer, wie immer…

Das alles ist – meiner Meinung nach – nicht wirklich der Sinn dieses Tages. Er ist kein zweiter Muttertag, und er ist kein Tag frommer Reden: er weist darauf hin, dass Gleichberechtigung nach wie vor nicht gegeben ist, nicht in der Welt, und schon gar nicht bei uns. Dass muss allerdings ins Bewusstsein eindringen, ins Rückenmark unserer Gesellschaft, sonst verkommt der Tag zur Geschäftemacherei…

Das Credo muss sein: jeder Mensch hat die absolut gleichen Rechte, egal, ob männlich, weiblich oder divers, egal, welche Religion, welche Herkunft, welche sexuelle Ausrichtung. Erst wenn wir das verinnerlicht haben, ist ein Weltfrauentag nicht mehr notwendig – und dazu muss sich was verändern: wir müssen immer wieder mit dem Finger auf das zeigen, was am Weltfrauentag ausprobiert und geredet wurde – und auf Einhaltung pochen. Nur dann hat dieser Tag noch einen Sinn und wird irgendwann überflüssig.

8.März – Weltfrauentag

8. März. Weltfrauentag. Braucht man diesen Tag heute noch? In Deutschland? Die hiesige Lokalzeitung stellt an solchen Tagen gerne mal Frauen vor als „die starken Frauen Krefelds“ – allesamt Frauen in Führungspositionen. Aha. Das also sind starke Frauen.
Für mich sind starke Frauen nicht in Führungspositionen zu finden, sondern an völlig anderen Orten.
Die Reinigungskraft, die nebenbei noch Haushalt und Kinder managet und dennoch positiv durchs Leben geht.
Die Mutter, die neben Arbeit und Familie auch noch die alten Eltern oder Schwiegereltern pflegt, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit.
Die alleinerziehende Mutter, die zugunsten von Vollzeitarbeit und Kindern weitgehend auf ihr Privatleben verzichtet, um den Kindern möglichst viel Zeit und Liebe zu geben.
Die Hausfrau, die neben Kindern, Haushalt, Rückenstärkung des Mannes ihre „Freizeit“ damit verbringt, ehrenamtlich für andere da zu sein.
Die Pflegefachkraft mit Billiglohn, die ihre Überforderung nicht an den Patienten oder Bewohnern auslässt.
Die Erzieherin, die auch mit 50 noch auf die Kinder eingeht und sie für ihren Weg ins Leben stärkt, obwohl sie der Arbeit eigentlich nicht mehr gewachsen ist.
Diese Liste über Frauen in Krefeld bzw. Deutschland könnte ich endlos fortsetzen.
Und dann gibt es noch die starken Frauen dieser Welt.
Die Mütter in der Ukraine, die die Einberufungsbescheide ihrer Söhne verbrennen.
Die Mütter der Plaza Mayo in Argentinien, die immer und immer wieder auf die Straße gegangen sind, um etwas über das Schicksal ihrer Kinder zu erfahren.
Die Geiseln von Boko Haram, die nach ihrer Befreiung bereit sind, über ihr Schicksal zu reden, damit die Welt erfährt, was in Nigeria passiert.
Die Frauen in aller Welt, die ihre Kinder vor der Gewalt der Väter schützen und dabei selbst Leib und Leben riskieren.
Die Frauen in Kriegsgebieten, die ihre Kinder auf die Flucht schicken, in der Hoffnung, dass wenigstens diese den Krieg überleben.
Die verschleppten Frauen, die in die Prostitution verkauft wurden und die Kraft haben, sich gegen ihre Zuhälter aufzulehnen.
Auch hier könnte man die Liste endlos erweitern.
Eine starke Frau ist in meinen Augen eine Frau, die ihr Leben, egal, wie es auch aussieht, irgendwie dennoch lebt und in den Griff bekommt, gegen alle Widerstände. Eine Frau, die sich nicht entmutigen lässt, sondern notfalls immer wieder von vorne anfängt.
Natürlich kann das auch eine Führungskraft sein. Keine Frage. Die Stellung als Führungskraft an sich ist aber kein Merkmal dafür, dass es sich um eine starke Frau handelt.
Und zu guter Letzt: solange solche Artikel erscheinen, solange „starke Frauen“ so präsentiert werden, solange man betonen muss, dass es Frauen in Führungspositionen gibt, solange Frauen auf dieser Welt Freiwild für Männer sind, solange Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, solange „Frauenarbeit“ (Haushalt, Erziehung, Pflege…) immer noch nichts wert sind, so lange Frauenberufe (Pflege, Erziehung, Grundschullehramt, Reinigungskraft…) von der Bezahlung her immer noch am unteren Ende angesiedelt ist, solange die Werbung auf den Weltfrauentag mit Kosmetika und männlichen Models solange ist auch in Deutschland ein Weltfrauentag immer noch notwendig.
Von der Lage der Frauen in der Welt gar nicht zu reden…

Was ist eigentlich Demokratie?

Aus gegebenem Anlass beschäftige ich mich heute mit einem Thema, von dem ich dachte, es sei eigentlich klar und eindeutig.

Der Anlass? Die Diskussion um den Uploadfilter, um Artikel 13 einer Urheberechtsreform der EU. Inhaltlich mag ich darauf nicht eingehen, das können andere besser. Fakt ist: Künstler müssen für das, was sie tun, bezahlt werden. Fakt ist aber auch: Zensur ist keine Lösung. Aber um den Inhalt geht es mir jetzt ja auch nicht, sondern um die Art und Weise, wie hier Demokratie gelebt wird. Denn die Abstimmung hierüber war im EU-Parlament auf den 25.März angesetzt. Daraufhin wurden etliche Großdemonstrationen vorbereitet, europaweit für den 23. März. Und nun kommt es: mit diesem Wissen will die konservative EVP (die ziemlich weit nach rechts herüber ragt), und allen voran die CDU/CSU, die Abstimmung vorverlegen… (einer von vielen Links dazu: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/artikel-13-evp-fraktion-will-urheberrechts-abstimmung-vorziehen-a-1256304.html)

Zunächst: als Demokratie bezeichnet man Herrschaftsformen, bei denen die Macht vom Volke ausgeht. Das wird in den verschiedensten Ländern verschieden gehandhabt, manche, die sich Demokratie nennen, sind keine, weil es nicht wirklich freie Wahlen gibt, andere sind mehr oder weniger direkte Demokratien, auch da sind Ergebnisse manchmal zweideutig: auf Grund der Wahlmänner in den USA kann es dort sein (und war es ja unlängst auch so), dass nicht derjenige oder diejenige Präsident wird, auf den sich die meisten Stimmen vereinigen, sondern halt der, der die meisten Wahlmänner hat. Bei unserer Mischform: Wahlkreiskandidaten- und Parteienwahl wird das Parlament immer wieder vergrößert, weil sonst das Ergebnis der Wahlkreiskandidatenwahl nicht mit dem der Parteienwahl übereinstimmt. Bei der Kommunalwahl in England kann man ankreuzen: keinen der angebotenen Kandidaten – diese Stimmen werden ebenfalls gezählt, so dass die absolute Mehrheit vielleicht plötzlich in ganz anderem Licht steht…

Die Frage ist nun: ist Wählen gehen das einzige, was ich als Demokratin tun kann, wenn ich mich nicht an eine Partei binden und in die Parteiarbeit einsteigen möchte? Schauen wir doch mal ins Grundgesetz, denn Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung diverser Grundrechte wie z.B. der Pressefreiheit sind eine unabdingbare Voraussetzung für jede Demokratie, denn das „Volk“ muss genau erkennen können, worauf es sich einlässt – und seine Entscheidungen jeweils neu überdenken können, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Und in Artikel 8 unseres Grundgesetzes finde ich die Versammlungsfreiheit, unser Demonstrationsrecht. Demonstrationen sind eine grundsätzlich zu erlaubende (näheres regelt wie immer ein Gesetz) Möglichkeit, seine Meinung kundzutun. Und dieses Grundrecht will man nun dadurch aushebeln, dass man einfach vorher entscheidet. Das Demonstrationsrecht bleibt zwar gewahrt, aber es läuft dadurch ins Leere…

Und das ist genau der falsche Ansatz, den unsere größte Regierungspartei gemeinsam mit ihren Verbündeten da vertritt: Demokratie soll ihrer Ansicht nach nur im Wahllokal stattfinden, alles andere wäre ja auch zu lästig. Damit fängt man an, an den Grundrechten zu sägen, die eine funktionierende Demokratie tragen. Das macht mir Angst, hier geht es nämlich nicht mehr um die sowieso zerstörerischen Vorstellungen der AfD, dies hier ist breiter und perfider…

Ich gehöre zu den Menschen, die unsere Demokratie immer wieder in Schutz nimmt und verteidigt. Es mag keine gute Staatsform sein, aber doch die beste, die es gibt. Ich werde nicht müde, wahlmüden Menschen zu erklären, warum wählen gehen so wichtig ist. Jetzt allerdings gehen mir die Argumente aus…

Was mir Hoffnung macht: gestern waren bundesweit spontan jede Menge Menschen auf der Straße, und so soll es auch bleiben. Vielleicht besinnen sich die Politiker ja doch noch einmal auf das, was sie eigentlich hochhalten sollen: unsere Demokratie. Dann, so bleibt die Hoffnung, ist Europa auch keine Farce.

Christliches Abendland – christliche Werte?

Wie ist es eigentlich um die christlichen Werte bestellt im sogenannten „christlichen Abendland“, das frage ich mich immer häufiger. Und da fiel mir der Evangeliumstext des heutigen Sonntags in die Finger:

(Lk 6, 27ff) „In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.

Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halte auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd. Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, verlang es nicht zurück. (… )

Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!

Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden. Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden.“

Ich finde, dieser Text ist, auch für Christen, eine Zumutung: das, was Jesus da von uns verlangt, was er uns zumutet, ist mehr, als einmal großherzig zu sein: er möchte, dass wir uns jedem Menschen gegenüber so verhalten, als sei er unser bester Freund, als sei er der, den wir am meisten lieben. Und das erscheint uns doch undurchführbar: lieben wir doch lieber da, wo wir auch geliebt werden, geben da, wo wir auch empfangen – und wenn es keine Gegengabe sein kann, so doch wenigstens Dank und Anerkennung. Selbst unsere Ehepartner und Freude sind uns manchmal zu lästig, zu anspruchsvoll, und wir haben nicht immer die Lust, bedingungslos für sie da zu sein. Aber jemanden lieben, dem wir allenfalls gleichgültig sind, den wir vielleicht sogar aus gutem Grund hassen? Jemandem vergeben, der uns zutiefst verletzt hat, der vielleicht unser Leben negativ beeinflusst hat? Wie soll das gehen?

Ich denke, keiner von uns ist in der Lage, Jesu Forderungen eins zu eins umzusetzen.  Also, ich jedenfalls nicht. Aber anfangen kann man ja damit, und ich finde, gerade in der heutigen Zeit bietet sich Gelegenheit genug:

Die Würde des Menschen ist unantastbar, so will es unser Grundgesetz. Darauf zu achten, wäre schon mal ein Anfang: sich klar zu machen, dass wir die Menschen nicht in Faule und Schmarotzer auf der einen und Fleißige und Leistungsträger auf der anderen Seite einteilen dürfen, auch nicht in Menschen, die ein Recht haben, hier zu leben, und die, denen wir es nicht zugestehen. Es macht keinen Unterschied, ob einer arm ich oder reich, welche Hautfarbe jemand hat, welcher Kultur er angehört, warum er seine Heimat verlassen muss oder zu verlassen müssen glaubt, freiwillig oder unfreiwillig, welchen Gott er anbetet: Wir alle sind Menschen, von denen Paulus sagt, dass sie nach dem Bild des irdischen, aber eben auch nach dem himmlischen Adam gestaltet sind. Wir sind, als Menschen mit unserer Würde, alle gleich. Und so sollten wir auch jedem Menschen begegnen, egal wie er zu uns steht: er ist ein Geschöpf Gottes.

All you need is love, haben die Beatles gesungen. Machen wir doch mal einen Test: lächeln wir jeden Menschen an, der uns begegnet, egal, ob wir ihn kennen, egal, ob wir ihn mögen. Wir werden feststellen: die meisten lächeln zurück (ich hab’s ausprobiert), ein ehrlich gemeintes Lächeln ist nämlich ansteckend. Und machen wir uns das zur Gewohnheit: so heben wir die allgemeine Stimmung, und das ist in einer Zeit, in der bestenfalls Gleichgültigkeit den Menschen gegenüber herrscht, ungeheuer notwendig, erst recht in einer Zeit, wo Menschen in zwei (oder mehr) Klassen eingeteilt werden, in der wir Lebensretter als Kriminelle bezeichnen, weil sie Menschen zu uns bringen, die wir nicht haben wollen. Es ist notwendig in einer Zeit, wo Menschen, die sich Christen nennen, nichts dagegen haben, das Sterben im Mittelmeer „Abschreckung“ zu nennen, wo sie über Schülerinnen und Schüler herfallen, die sich doch nur Sorgen um die Zukunft unserer erde machen, in einer Zeit, in der jeder nur darauf schaut: was bring mir das. In einer Zeit, in der nicht einmal Christen noch eine Ahnung davon haben, was Jesus uns zumutet, wenn wir in seiner Nachfolge leben wollen.

Versuchen wir, anders zu sein, daran erkennbar zu sein, dass wir unser Gegenüber immer ernst nehmen, dass wir unser Lächeln in die Welt tragen und so ein Stück zum Frieden beitragen. Das wäre doch schon einmal ein Anfang, einer, der gar nicht schwer ist, der uns nichts kostet, außer ein Lächeln, und uns so viel schenken kann: das Lächeln anderer. Ein Schritt in die richtige Richtung, christliche Werte zu leben. Vielleicht geht es ja dann von allein weiter, bei uns, aber auch bei anderen: jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.                         

Deutsche IS Kämpfer – was tun?

Eins vorweg – ich hab etwas gegen Gewalttäter. Ich habe etwas gegen alle Kriminellen, die einem anderen einen Schaden zufügen. Und ich möchte, genau wie jeder andere, möglichst wenig davon in dem Lande, in dem ich lebe – eigentlich möglichst wenig davon auf dieser Welt. Und ja, auch ich habe nichts dagegen, wenn sie, so sie keine Deutschen sind, abgeschoben werden in ihre Heimat – allerdings nur, wenn sie da nicht Folter, Körperstrafen oder die Todesstrafe erwarten, denn diese Strafen sind zu Recht bei uns verboten und es wäre eine Einführung durch die Hintertür.

Und dass genau ist der Anlass für mein Schreiben: Deutschland tut sich, wie andere EU-Staaten auch, schwer damit, deutsche IS-Kämpfer zurückzuholen und hier vor Gericht zu stellen (u.a. SPON, 19.2.19)

Es sei schwierig, festzustellen, ob sie überhaupt deutsche Staatsbürger seien. Martin Leimke aus Sachsen ist so einer. Nun gut, er könnte natürlich längst eine andere Staatsbürgerschaft haben – vielleicht die des IS? Unwahrscheinlich, es sei denn, wir erkennen den IS als Staat an. Aber vielleicht kann man ihm einfach die Staatsbürgerschaft entziehen? Nach deutschem Recht geht das noch nicht, die Dänen denken drüber nach und auch andere Europäer.

Man hat Sicherheitsbedenken, weiß nicht, ob man Deutschland dann schützen kann (die anderen Europäischen Staaten denken ähnlich). Und ob man überhaupt genügend Beweise hat für einen Prozess. Und ob sie dann möglicherweise im Gefängnis Schwierigkeiten machen, denen man nicht Herr wird, und…

Keine Frage, alles Probleme, vor die man gestellt wird. Allerdings sind unseren Politikern genau diese Bedenken furchtbar egal, wenn es darum geht, Straftäter, die keine Deutschen sind, abzuschieben. Und vielen Bürgern sind sie noch egaler. Und das ist genau das, was mich ärgert: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Deutsche Straftäter im Ausland, Terroristen gar: lasst sie bloß bleiben, wo sie sind. Ausländische Straftäter in Deutschland, Terroristen gar: lasst sie schnell verschwinden, unabhängig davon, ob und wie ihnen „zu Hause“ der Prozess gemacht wird. Ach, die Staatsangehörigkeit ist nicht eindeutig feststellbar? Egal, Hauptsache weg.

So geht es nicht. Wir können nicht Deutschland sicherer machen, in dem jede Entscheidung für Deutschland so aussieht. Warum auch? Mit welchem Recht nehmen wir Deutsche Straftäter nicht zurück, schicken ausländische raus? Ist es echt ein Unterschied, wo sie andere Menschen gefährden? Ich meine nein. Die Staatengemeinschaft muss gemeinsam einen Weg finden, diese Situationen zu klären, gerecht für alle. Alles andere ist Egoismus pur.