Happy birthday, Grundgesetz!

Unser Grundgesetz wird 70 Jahre alt. Ganz schön alt für ein Provisorium, aber wir wissen alle: Provisorien halten länger.

Beim Schulabschluss haben die meisten von uns eins in die Finger gedrückt bekommen – und mein Mann heute auf der Straße in die Hand gedrückt.  Hand aufs Herz, wer außer den Jurastudenten hat sich schon mal intensiv damit befasst? Sicher die wenigsten.

Dabei lohnt es sich, mal näher reinzuschauen. Da sind zunächst einmal die Artikel 1 – 19: unsere Grundrechte.

Das fängt an mit dem, wie ich finde, allerschönsten Satz: „die Würde des Menschen ist unantastbar“, aus dem im Satz 2 die natürliche Konsequenz gezogen wird: „sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Art.1,1). Da steht: die Würde des Menschen. Damit ist nicht der (oder die) gesunde Deutsche gemeint, damit sind schlicht und ergreifend alle Menschen gemeint: egal, ob mit oder ohne Staatsbürgerschaft, ob alt oder jung, ob krank oder gesund, ob reich oder arm, ob Mann, Frau oder divers. Und es gilt sogar auch für Straftäter und rechte Hetzer: alle Menschen haben die gleiche Würde. Alle.

In Absatz 2 bekennt sich das deutsche Volk zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Nun gut, es ist noch lange nicht umgesetzt, im Augenblick wird die Situation sogar etwas schlechter siehe das Sterben im Mittelmeer, die Ausbeutung der Menschen in den ärmeren Ländern etc. Hier sollten unsere Politiker sich das Grundgesetz noch mal genauer anschauen. Aber dennoch, dieses Bekenntnis steht im Grundgesetz und daran kann man die Maßnahmen der Regierung immer wieder messen.

Besonders interessant ist dann der 3.Absatz, in dem festgehalten ist, dass die nachfolgenden Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung binden. Das überprüft das Bundesverfassungsgericht, immer wieder auch bei allen drei Gewalten.

Dann folgen die Grundrechte, ich will sie hier nicht alle aufzählen, z.B. in Art 4 die Freiheit des Menschen, die nur durch die Freiheit der anderen eingeschränkt werden darf, die Freiheit des Glaubens und des Gewissens, darunter besonders geregelt die Religionsfreiheit, die im übrigen nicht besagt, dass Deutschland frei von Religion sein muss, sondern dass jeder Mensch seine Religion frei und ungestört ausüben darf – wobei er sich immer im Rahmen des Grundgesetzes bewegen muss. Und dass keiner zum Kriegsdienst gezwungen werden darf – die Ausgestaltung dieses Grundrechtes der Gewissensfreiheit hatte immer mal wieder kuriose Züge – wie will man ein Gewissen prüfen – aber immerhin, es ist ein Grundrecht, dass in Artikel 12a nochmal konkretisiert wird.

Der Schutz von Ehe und Familie ist ebenfalls etwas, was für alle Menschen gilt, also auch für Flüchtlinge in den sogenannten Ankerzentren etc – hier muss man ebenfalls mal wieder genauer hinschauen, das wird gerne übersehen, dass auch hier alle gemeint sind, nicht nur die Bundesbürger.

Überhaupt lohnt es sich, genauer hinzuschauen: „Eigentum verpflichtet“ (Art 14) wird ausgeführt mit den Worten: „sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Da wird doch der Vorschlag der Enteignung von Wohnungsspekulanten mit über 3000 Wohnungen noch mal ganz anders eingeordnet…

Die Meinungsfreiheit (Art 5) gilt übrigens auch für jeden, ebenfalls die Presse- und Kunstfreiheit, solange niemand in seiner persönlichen Ehre verletzt wird. Das zeigt noch mal deutlich: Hetze ist keine Meinung. Allerdings: hier geht es um Zensur durch den Staat. Wenn ich eine Internetseite betreibe, muss ich dort nicht jede Meinung zulassen, und auch nicht jede Äußerung, die ich da nicht haben möchte. Das wird von vielen Kommentatoren im Internet gerne missachtet: dass die „Eigentümer“ der Seiten durchaus zensieren dürfen. So wie ich Menschen aus meinem Wohnzimmer schmeißen darf, deren Meinung ich nicht teile und nicht hören will. (ob ich das wirklich mache, ist eine andere Sache, auch die Frage, was ist klug). Aber man darf in der Öffentlichkeit seine Meinung frei äußern, ohne Repressalien befürchten zu müssen – und die Journalisten dürfen frei schreiben, auch wenn es der Regierung nicht passt.

Wichtig erscheint mir auch, dass die deutsche Staatsbürgerschaft niemandem entzogen werden darf (Art 16), auch nicht dem IS-Kämpfer, insbesondere nicht, wenn er oder sie damit staatenlos würde. Und eine Auslieferung eines Deutschen an ein anderes Land ist grundsätzlich verboten. Da gibt es zwar Ausnahmen – die gelten aber nur dann, wenn dabei das Rechtsstaatlichkeitsprinzip gewährleistet bleibt.

Interessant finde ich auch Art 3: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Das heißt: sowohl in der Exekutive als auch in der Judikative (also von Polizei/Ordnungsbehörden und vor Gericht) müssen sie gleich behandelt werden, es darf keine Rolle spielen, ob man Deutscher ist oder nicht, nett aussieht oder unsympathisch… In Absatz 2 ist die Gleichheit von Mann und Frau geregelt: das war äußerst umstritten bei den Vätern des Grundgesetzes, diesen Grundsatz haben wir dem Umstand zu verdanken, dass auch Frauen in der Kommission waren, die hartnäckig gekämpft haben. Das ist zudem ein Grundsatz, an dem immer noch zu arbeiten ist, auch wenn Männer ihren Frauen heute nicht mehr verbieten dürfen zu arbeiten. Geschlechtergerechtigkeit ist ein langer Weg. Aber immerhin: es steht im Grundgesetz.

Ab Art. 20 ist dann die Staatsordnung geregelt. Ganz wichtig: Legislative, Exekutive und Judikative sind unabhängig voneinander. Das heißt: Die Regierung darf weder die Polizei, noch die Justiz anweisen, sich anders zu verhalten, als Recht und Gesetz es hergeben. Und da finde ich in Art. 20 doch tatsächlich in Absatz 4 die ausdrückliche Erlaubnis zum Widerstand: „gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“.

Und, Fridays for future aufgepasst: in Art. 20a ist ausdrücklich der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere geregelt: auch hier sollten unsere Politiker noch mal ins Grundgesetz schauen…

Damit will ich meine Übersicht beenden. Es stehen noch viele wichtige Dinge in diesem Grundgesetz, was längst vom Provisorium zu unserer Verfassung geworden ist, die wir schützen sollten. Ich lade dazu ein, selbst mal reinzugucken: die meisten von uns haben es irgendwo im Bücherschrank…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.