Frieden

Seit genau 74 Jahren haben wir Frieden, hier in Deutschland. Seit fast 30 Jahren sind wir wiedervereint.

Offenbar ist das etwas, was wir nicht mehr wirklich bemerken, scheint mir. Genauso wenig wie wir merken, dass anderswo in dieser Welt, nicht nur in Syrien, auch mit deutschen Waffen immer noch Krieg herrscht, Städte und Dörfer, ja ganze Heimaten zerstört werden und Menschen, zu einem großen Teil völlig unbeteiligte Menschen, deren Fehler nur ist, da zu leben, wo sie leben, getötet oder verstümmelt werden. Kindheiten werden ausgelöscht, Zukünfte vernichtet.

Ja klar, das ein- oder andere liest man in der Zeitung. Aber es ist doch irgendwie immer weit weg, selbst, wenn es so nah kommt wie der Kosovokrieg: ich stand am Ufer der Drau und wusste, da wo sie hinfließt ist Krieg – aber so ein Wissen führt doch eher zu einer Art Schaudern, unser Leben berührt es nicht wirklich.

Da aber Frieden und Sicherheit in der Realität kein Thema sind, sucht man sich andere Baustellen: man fragt sich: sind das auch alles Kriegsflüchtlinge, die da kommen? Wieso haben die ein Handy bei, wenn sie doch alles verloren haben, angeblich? Können die überhaupt was oder wollen sie uns nur ausnehmen? Und wäre es nicht besser, sie blieben, ihr Land wiederaufzubauen. Oder, ja, um zu kämpfen? Diese Diskussion kann nur aufkommen bei Menschen, die tatsächlich nicht wissen, wie das ist, wenn einem das Haus über den Kopf zerbombt wird, wenn man Angehörige verliert, wenn man den Job und das Einkommen verliert ohne soziale Absicherung, wenn man nicht mehr weiß, wie man die Kinder satt bekommen soll oder wenigstens so, dass sie nicht verhungern…

Frieden als Freiheit von Krieg ist nichts, was man anfassen kann. Nichts, was man merkt, wenn man keinen Krieg kennt. Und dennoch ist es etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt: dass der Frieden überall ankommen kann, dass er überall wachsen kann. Und dafür kann man etwas tun: man kann aufhören, Waffen zu verkaufen. Man kann Bedingungen schaffen, unter denen die Welt gerechter wird. Man kann – im Inland und im Ausland – die Bildung verbessern.

Und ich persönlich, was kann ich tun? Ich kann z.B. bewusster einkaufen – im fairen Handel, und ansonsten regional. Ich kann bei allem was ich tue drüber nachdenken, ob mein Verhalten Konsequenzen für andere, auch in entfernten Gegenden dieser Welt hat – positive oder negative. Und ich kann mich dem Hass entgegenstellen, der uns suggerieren will, dass wir längst im Krieg leben, wegen der Menschen, die bei uns Schutz suchen. Ich kann aufstehen gegen Falschmeldungen, die immer wieder erzählt und verteilt werden, real und im Netz. Ich kann aufhören zu schweigen.

Ich kann aufklären: zeigen, dass wir gut leben, dass wir Frieden haben, und dass der Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit auch den inneren Frieden sichert.

Ich bin dankbar dafür, dass ich die 56 Jahre meines bisherigen Lebens in einem Land ohne Krieg leben durfte, in einem Land, in dem zwar vieles hakt, aber mein Leben doch weitgehend abgesichert ist.

Ich bin dankbar, dass es Frieden gibt. Und ich wünsche allen Menschen auf dieser Welt, dass sie Frieden erfahren dürfen – nicht erst, wenn sie auf dem Friedhof liegen…

Lasst es uns immer wieder bewusst machen: Wir leben im Frieden. Seit 74 Jahren. Und es liegt auch an uns, Frieden zu schaffen in dieser Welt.

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