Gedanken in der 3.Woche. Teil 2: Der Blockwart in mir

„Da sitzen 3 auf der Bank, die sehen nicht so aus, als ob die in einen Haushalt gehören.“ – „Die Kinder sehen so aus, als wären sie nicht aus der gleichen Familie, die da mit dem einen „Vater“ spazieren gehen“. – „Die Mutter da nimmt einfach ihre Kinder mit in den Supermarkt“. – „Da vor dem Haus unterhalten sich drei – das ist doch verboten“. – „Bei unseren Nachbarn ist schon seit 2 Wochen Besuch aus Berlin, das erkennt man am Autokennzeichen“. – „Da sitzt doch tatsächlich die Tochter bei ihrer Mutter im Garten“ – „Großeltern fahren mit ihren Enkeln Rad – die haben wohl nix kapiert“ – „Da der Kunde kauft 2-mal Klopapier, das ist doch nicht erlaubt…“

So und so ähnlich schallt es durch die Welt in Zeiten von Corona. In den „sozialen“ Medien, durchs Telefon, schnell mal das Ordnungsamt angerufen oder lauthals seinen Unmut kundgetan.

Ich gestehe: manchmal sehe ich auch Dinge und frag mich „darf dat dat?“ Und manchmal packe ich mir an den Kopf und frage mich: warum?

Woran erkenne ich, dass Menschen zu einem Haushalt gehören? Wenn meine 3 Kinder hier noch leben würden, man würde es nicht erkennen. Der Vater? Nun, vielleicht hat er tatsächlich so viele Kinder, vielleicht passt er aber auch auf die Nachbarskinder auf, weil die Eltern beide arbeiten, aber mangels sogenannter „Systemrelevanz“ keine Betreuungsplätze haben? Die Mutter lebt allein mit ihren Kindern und kann nur einkaufen, in dem sie sie mitnimmt? Der Sohn aus Berlin ist zu seinen Eltern gezogen, um nicht alleine zu sein? Die Tochter zur Mutter? Der Käufer kauft für die Seniorin von nebenan mit ein?

Der Gipfel sind dann Fotos, die man beim Einkauf auf dem Markt macht oder auf dem Parkplatz am Badesee – muss man nicht selbst vor Ort sein, um solche Fotos zu machen?

Ja, es gibt Idioten, die halten sich an nix. Aber all die anderen, die könnten Gründe haben. Die man ja vielleicht im Gespräch erfahren könnte – aber man will ja keinen ansprechen.
Vor einigen Tagen ging es darum, man müsse Menschen, die trotz hohen Alters in den Supermarkt gehen, die vielleicht neben einem auf die Ware zugreifen, die Kinder auf dem Einkaufswagen sitzen, nur laut genug bloßstellen, dann täten sie das nie wieder. Tatsächlich? Ist Bloßstellen der richtige Weg? Wäre nicht vielleicht ein freundlicher Hinweis viel zielführender, weil der andere dann nicht das Gesicht verliert?

Und muss ich wirklich das Ordnungsamt zu meinen Nachbarn schicken, weil der Sohn dort eingezogen ist? Weil die alte Dame trotzdem Besuch ihrer Tochter bekommt, weil einer auf einer Bank sitzt und liest?

Ich würde mir wünschen, wir schalteten alle mal einen Gang zurück. Und dann würden wir die Sache so angehen:
1. Ich halte mich an die Regeln. 2. Wenn ich einen vermeintlichen Verstoß sehe, spreche ich die Menschen freundlich an – und höre mir an, was sie zu sagen haben. 3. Bevor ich das Ordnungsamt oder die Polizei rufe, oder die sozialen Medien kirre mache frage ich mich: wenn das, was ich da sehe, nicht 100prozentig richtig ist – welchen Schaden kann es wirklich anrichten? Oder: haben die anderen weniger Rechte als ich, jetzt hier zu sein?

Wenn wir alle aufeinander achten, freundlich miteinander umgehen und immer drauf bedacht sind, dass auch unser Gegenüber sein Gesicht wahren kann, dann läuft direkt schon viel mehr richtig.

Und, sind wir mal ganz ehrlich: Idioten wird es trotzdem geben. Es gibt immer Menschen, die sich nicht an Regeln halten – unsere Gefängnisse sind voll davon. Trotzdem stellen wir nicht die gesamte Menschheit unter Generalverdacht…

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