Gedanken zu Pfingsten – nicht nur für Christen

Viele bezeichnen Pfingsten als Geburt der Kirche. Kann man machen.

Für mich ist Pfingsten zunächst einmal der Hinweis darauf, dass es geht: das Menschen sich untereinander verstehen, auch wenn sie verschiedene Sprachen sprechen.

Kommunikation ist Glücksache, heißt es so oft. Ja, die Erfahrung habe ich auch schon gemacht, denn: nicht nur in fremden Ländern werden fremde Sprachen gesprochen, sondern uns hier geht es auch oft so: wir reden, obschon beide dialektfreies Deutsch, nicht dieselbe Sprache. Mir z.B. wird oft vorgeworfen, dass ich zu juristisch denke und rede. Theologen haben oft eine theologische Sprache, die sich dem „normalen Christen“ nicht erschließt. Und Christen haben oft eine Sprache, die der Nichtchrist nicht versteht. Sozialpädagogen reden anders als Naturwissenschaftler, Menschen verschiedener Schulen oder Regionen sprechen auch verschieden. Wenn ich hier am Niederrhein sage, es schmeckt (das Essen), dann ist das ein Kompliment für den Koch, in Osttirol aber das genaue Gegenteil. Der Beispiele gibt es viele, und jeder und jede von uns kennt das aus eigenem Erleben.

Und da kommt in der Apostelgeschichte der Heilige Geist ins Spiel – er sorgt dafür, dass die Menschen in Jerusalem verstehen, was die Jünger sagen. Obwohl sie eine fremde, eine andere Sprache sprechen. Wir können das auch: wir müssen nur empfänglich dafür sein. Wir müssen uns nur klarmachen, dass der andere vielleicht nicht versteht, was uns so eindeutig klingt, weil seine Sprache nicht die unsere ist. Oder dass er was anderes meint, als wir hören. Dazu gehört ein guter Schuss Empathie, der Wille, sich auf den anderen einzulassen, und der Mut, nachzufragen, wenn wir uns missverstanden fühlen.

Und ich bin fest davon überzeugt, dass da, wo wir uns um gegenseitiges Verstehen bemühen, Frieden herrschen kann, ja, dass das eine Grundlage zum Frieden ist.

Gedanken in der 3.Woche. Teil 2: Der Blockwart in mir

„Da sitzen 3 auf der Bank, die sehen nicht so aus, als ob die in einen Haushalt gehören.“ – „Die Kinder sehen so aus, als wären sie nicht aus der gleichen Familie, die da mit dem einen „Vater“ spazieren gehen“. – „Die Mutter da nimmt einfach ihre Kinder mit in den Supermarkt“. – „Da vor dem Haus unterhalten sich drei – das ist doch verboten“. – „Bei unseren Nachbarn ist schon seit 2 Wochen Besuch aus Berlin, das erkennt man am Autokennzeichen“. – „Da sitzt doch tatsächlich die Tochter bei ihrer Mutter im Garten“ – „Großeltern fahren mit ihren Enkeln Rad – die haben wohl nix kapiert“ – „Da der Kunde kauft 2-mal Klopapier, das ist doch nicht erlaubt…“

So und so ähnlich schallt es durch die Welt in Zeiten von Corona. In den „sozialen“ Medien, durchs Telefon, schnell mal das Ordnungsamt angerufen oder lauthals seinen Unmut kundgetan.

Ich gestehe: manchmal sehe ich auch Dinge und frag mich „darf dat dat?“ Und manchmal packe ich mir an den Kopf und frage mich: warum?

Woran erkenne ich, dass Menschen zu einem Haushalt gehören? Wenn meine 3 Kinder hier noch leben würden, man würde es nicht erkennen. Der Vater? Nun, vielleicht hat er tatsächlich so viele Kinder, vielleicht passt er aber auch auf die Nachbarskinder auf, weil die Eltern beide arbeiten, aber mangels sogenannter „Systemrelevanz“ keine Betreuungsplätze haben? Die Mutter lebt allein mit ihren Kindern und kann nur einkaufen, in dem sie sie mitnimmt? Der Sohn aus Berlin ist zu seinen Eltern gezogen, um nicht alleine zu sein? Die Tochter zur Mutter? Der Käufer kauft für die Seniorin von nebenan mit ein?

Der Gipfel sind dann Fotos, die man beim Einkauf auf dem Markt macht oder auf dem Parkplatz am Badesee – muss man nicht selbst vor Ort sein, um solche Fotos zu machen?

Ja, es gibt Idioten, die halten sich an nix. Aber all die anderen, die könnten Gründe haben. Die man ja vielleicht im Gespräch erfahren könnte – aber man will ja keinen ansprechen.
Vor einigen Tagen ging es darum, man müsse Menschen, die trotz hohen Alters in den Supermarkt gehen, die vielleicht neben einem auf die Ware zugreifen, die Kinder auf dem Einkaufswagen sitzen, nur laut genug bloßstellen, dann täten sie das nie wieder. Tatsächlich? Ist Bloßstellen der richtige Weg? Wäre nicht vielleicht ein freundlicher Hinweis viel zielführender, weil der andere dann nicht das Gesicht verliert?

Und muss ich wirklich das Ordnungsamt zu meinen Nachbarn schicken, weil der Sohn dort eingezogen ist? Weil die alte Dame trotzdem Besuch ihrer Tochter bekommt, weil einer auf einer Bank sitzt und liest?

Ich würde mir wünschen, wir schalteten alle mal einen Gang zurück. Und dann würden wir die Sache so angehen:
1. Ich halte mich an die Regeln. 2. Wenn ich einen vermeintlichen Verstoß sehe, spreche ich die Menschen freundlich an – und höre mir an, was sie zu sagen haben. 3. Bevor ich das Ordnungsamt oder die Polizei rufe, oder die sozialen Medien kirre mache frage ich mich: wenn das, was ich da sehe, nicht 100prozentig richtig ist – welchen Schaden kann es wirklich anrichten? Oder: haben die anderen weniger Rechte als ich, jetzt hier zu sein?

Wenn wir alle aufeinander achten, freundlich miteinander umgehen und immer drauf bedacht sind, dass auch unser Gegenüber sein Gesicht wahren kann, dann läuft direkt schon viel mehr richtig.

Und, sind wir mal ganz ehrlich: Idioten wird es trotzdem geben. Es gibt immer Menschen, die sich nicht an Regeln halten – unsere Gefängnisse sind voll davon. Trotzdem stellen wir nicht die gesamte Menschheit unter Generalverdacht…

Gedanken in der 3. Woche. Teil 1: Schützenswerte Alte, die sich nicht schützen lassen wollen

Erinnert Ihr Euch noch an die ersten Tage dieses Jahres? Als der größte Aufreger ein Kinderlied war, das vermeintlich eine ganze Generation 55 – 120jähriger Frauen beschimpfte, insbesondere die, die im Krieg ihre Kinder allein großgezogen und gleichzeitig ebenfalls allein Deutschland wieder aufgebaut haben? Ich will die Diskussion hier nicht wiederholen, Ihr erinnert Euch, ich bin mir sicher.

Ich will eher auf eins hinweisen: Merkt Ihr, wie jetzt nach und nach real passiert, was damals falsch verstandene Satire war? Immer mehr Menschen schimpfen auf ihre Eltern/Großeltern/Nachbarn ab einem gewissen Alter, weil sie noch selber einkaufen gehen – und dass, wo man doch nur um sie zu schützen nicht mehr arbeiten und feiern darf. Wenn man Verständnis zeigt, wird man quasi als Mörder oder zumindest als leichtsinnig dargestellt – das ist mir bereits mehrfach passiert.

Ich gebe zu: am Anfang hab ich mich auch ausgeheult bei meiner Freundin. Weil meine Mutter selbst einkaufen gehen wollte, weil mein Vater fand, es stehe ihm zu, selbst in die Apotheke zu gehen, weil, weil, weil…

Nun sind sie brav. Aber meine Einstellung hat sich deutlich geändert:

Meine Eltern sind 89 und haben 4 Kinder und 10 Enkel. Diese melden sich mehr oder weniger regelmäßig telefonisch oder schreiben Karten, und sonntags abends spielen wir gemeinsam mit der Oma Schreibspiele über Skype. Ich, die ich im Haus wohne, trinke jeden Morgen eine Tasse Kaffee mit ihnen und bete mit ihnen in Hausgottesdiensten – eine strickte Trennung wäre eh nicht möglich. Dafür macht mein Mann die Außenkontakte, und ich verlasse das Haus nur noch zum Walken/Spazieren/Radeln. Es geht einigermaßen gut, meine Eltern wissen sich allerdings im Zweifamilienhaus mit Garten auch auf der Sonnenseite der Senioren.

Sie begreifen langsam, und das führte auch zu anfänglichen Streitigkeiten, dass sie ihre Freunde, ihre Geschwister, ihre Enkel und einen Teil ihrer Kinder und Schwiegerkinder möglicherweise nie mehr real treffen werden, und dass macht mürbe. Man kann sich das schön reden, man kann resignieren. Wenn man gut aufgefangen ist, so wie bei uns, ist das vielleicht sogar noch einigermaßen ertragbar. Aber wer hat schon so einen Luxus? Viele leben in Wohnungen, teils ohne Balkon. Viele haben keine Kinder oder Enkel, die sich ständig melden. Viele sind schlicht und ergreifend alleine oder zu zweit einsam. Und was ist die Perspektive? Wann sehen Sie ihre Freunde, Nachbarn, Verwandten wieder?
Wenn ich, Mitte/Ende 50, darüber nachdenke, was ich nachher tun werde, so ist das relativ sicher, dass, sollte ich nicht an Corona sterben, es für mich ein nachher geben wird (ich kann natürlich auch morgen überfahren werden, ich weiß…). Meine Eltern erleben vielleicht das letzte Frühjahr, den letzten Sommer, quasi eingesperrt, wenn auch in den eigenen vier Wänden. Andere erleben es in der engen Wohnung. Kann man da wirklich sagen: sie kapieren es nicht, wenn sie doch noch das Haus verlassen, um wenigstens ab und zu mal einen realen Menschen zu sehen? Ich finde: Nein. Es sind erwachsene Menschen, im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, und wir bevormunden sie und sperren sie ein, ohne Hoffnung auf Besserung, ohne Perspektive. Auch ich musste das erst mühsam lernen, dass wir uns als Gefängniswärter aufspielen aus ihrer Sicht…

Mein Vorschlag: bevor man sich das nächste Mal aufregt über „die Alten, die es nicht kapieren“: redet mit ihnen. Hört Euch an, was sie zu sagen haben. Und habt Verständnis. Vielleicht reicht es ja bereits, täglich zu telefonieren. Oder beim Überbringen der Einkäufe am Zaun stehen zu bleiben und in gebührender Entfernung ein wenig zu plaudern. Wichtig ist: nicht schimpfen, sondern verstehen. Dann wird das Miteinander sicher auch wieder ein besseres werden.