Das Boot ist noch lange nicht voll

Nach meinen Gedanken zu Europa komme ich jetzt näher. Deutschland. Ein Land, in dessen Verfassung, dem Grundgesetz, an aller erster Stelle steht: die Würde des Menschen ist unantastbar.

Was Mut macht: viele Städte und Gemeinden, Landkreise und Bundesländer und auch Kirchengemeinden sind bereit, Menschen aus den griechischen Lagern aufzunehmen. Sie haben Kapazitäten und Möglichkeiten, sie sagen genau, was sie leisten können. Das würde die Lage vor Ort deutlich entschärfen, und insbesondere unbegleitete Kinder und Familien mit Kindern bekämen Zugang zu einer menschenwürdigen Unterkunft, Nahrung, Hygiene, ärztlicher Versorgung und einem geordneten Verfahren, dass über ein Asyl- und/oder Bleiberecht entscheiden würde. Diese Bereitschaft lässt mich hoffen, dass wir doch noch nicht so tief gesunken sind, wie es erscheint.

Auf der anderen Seite steht die Politik, vor allem die Politiker mit dem „C“ im Namen ihrer Partei. Sie verhindern, dass diese Menschen hierherkommen können, indem sie so Sprüche klopfen wie: „nur im Rahmen aller/oder zumindest mehrerer Europäischer Staaten“, „ein Alleingang wäre fatal“, „wir können keinen aufnehmen, wir haben keinen Platz“, „jeder Flüchtling mehr bringt eine Stimme mehr für die AfD“ und vieles mehr, was in meinen Ohren teilweise so menschenverachtend klingt, dass ich es gar nicht aufführen möchte. Lindner spricht von „Kontrollverlust“ und Friedrich Merz sagt den Flüchtlingen direkt ins Gesicht, dass wir sie hier nicht haben wollen. Ursula von der Leyen (ok, die ist nun wieder Europa) lobt Griechenland – das Land, was gerade völkerrechtswidrig das Asylrecht außer Kraft gesetzt hat und Menschen, die bereits in Griechenland angekommen sind, zurückschickt – gegen jede Regelungen der Europäischen Union, gegen die Menschenrechte.

Und alle sind sich einig: kein zweites 2015. Nun, dass will niemand. Aber damit es nicht dazu kommt, muss man jetzt (und hätte man schon vor Monaten und Jahren) die kontrollierte Einreise ermöglichen, und ja, wenn‘s nicht anders geht, im Alleingang. Es gäbe keinen Kontrollverlust wie 2015: wir wüssten ja, wer kommt, wir würden die Menschen ja quasi kontrolliert einfliegen. Wir wissen nun auch wie’s geht – 2015 war da ein gutes Übungsjahr. Viele, die damals gekommen sind, sind inzwischen durch ein Anerkennungsverfahren gegangen, haben Deutsch gelernt und sind in Arbeit oder Ausbildung. Die Kinder gehen zur Schule – bei den meisten läuft es. Und wir haben Kapazitäten – es wurden damals ja gar nicht so viele wie befürchtet. Die Aufnahmewilligen haben ja geprüft, was sie leisten können. Und keiner will, dass alle Flüchtlinge dieser Welt nach Deutschland kommen. Und die meisten wollen auch nicht, dass auch die, die kein Bleiberecht haben, bleiben.

Aber: wir hätten die Möglichkeit den Menschen zu helfen. Wir nennen unsere Tradition und unsere Werte christlich: das, was da jetzt abgeht, dieser Grenzkrieg gegen die Ärmsten der Armen, neues Geld an Herrn Erdogan bis zur nächsten Erpressung, das ist nicht mehr christlich und auch nicht human. Das ist menschenverachtend.

Denken wir immer daran: es geht nicht um Verhandlungsmasse. Es geht um Menschen, die nach unserer Verfassung alle die gleiche Würde haben. Diese Würde wird an den EU-Außengrenzen mit unserem Geld, unserer Zustimmung und demnächst möglichweise mit unseren Soldaten mit Füßen getreten. Warum? Kapazitätsgründe können es, wie aufgeführt, nicht sein. Am Geld kanns auch nicht liegen, wenn unsere Regierung bereit ist, der Türkei noch einmal welches zu geben.

Am Erstarken der AfD? Nun, wenn wir jetzt nicht handeln, hat sie gewonnen. Dann ist Deutschland wieder ganz unten angekommen, so wie schon einmal vor fast 100 Jahren.

Daher gibt es nur eins: gehen wir auf die Straßen, machen wir Druck, damit unsere Politiker so handeln, wie es unseren Werten entspricht, egal ob christlich oder humanistisch: jetzt zeigt sich, wer Rückgrat hat, die Geschichte kennt und die Menschenrechte und unser Grundgesetz schützen will.

Quo Vadis, Europa?

An der Außengrenze Europas sterben Menschen. Schon länger übrigens, nicht erst seit gerade. Nunmehr auch an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland, nicht mehr nur im Mittelmeer.
Menschen, die als Bedrohung angesehen werden, als Welle, die uns überkommt, als Überschwemmung – und europäische Soldaten schießen. Mindestens mit Tränengras…

Was sind das für Menschen? Es sind Menschen, die aus den verschiedensten Gründen nicht in ihrer Heimat bleiben konnten – wegen Krieg, weil sie in die verschiedenen Armeen gezwungen werden sollten, weil sie unterdrückt werden, weil sie einfach Angst um ihr Leben haben. Sie fliehen, weil sie keine Zukunft mehr sehen für sich und ihre Kinder. Vom afrikanischen Kontinent fliehen viele, weil da die Folgen des Klimawandels bereits real sind und ganze Landstriche veröden.
Einige von ihnen haben es in die Türkei geschafft und dort bisher irgendwie überlebt – oft ohne ein Recht auf Arbeit, ohne Bildung, ohne menschenwürdige Unterkunft, ohne Zugang zu ausreichend Lebensmitteln, Hygiene, ärztlicher Versorgung. Dafür hat die Türkei Geld kassiert von der EU. Nun war es Erdogan nicht genug Geld, angeblich ist auch nicht alles gezahlt worden, jedenfalls hat der Herr Erdogan nun beschlossen, die Menschen Richtung Griechenland, Richtung EU zu schicken. Sie sind Erpressungsmittel, Verfügungsmasse für ihn.

Wer jetzt sagt, dass kommt völlig überraschend, der hat jahrelang die Augen verschlossen. Vor der Realität.

Und nun: Was passiert? Militär marschiert auf um die Flüchtlinge zurückzudrängen, man schießt mit Tränengas auf unbewaffnete Menschen, Männer, Frauen und Kinder. Auf dem Mittelmeer drängt die Küstenwache die Flüchtlinge mit Booten zurück und an den Küsten warten rechte Schläger und hindern die Menschen am Anlanden. Wen sie auf dem Weg dorthin so treffen, den verprügeln sie, wenn er irgendwie verdächtig aussieht, also möglicherweise einer NGO angehört, Journalist ist oder gar Flüchtling. Griechenland. Die Wiege der Demokratie, die Wiege unserer Zivilisation.

Und was sagt das restliche „christliche Abendland“? Wir dürfen Griechenland nicht im Stich lassen – so weit, so einverstanden. Bei den Verantwortlichen heißt das aber: Militär schicken, um beim Grenzschutz zu unterstützen. Schießen da demnächst auch deutsche Soldaten auf Flüchtlinge? Dann hätte Frau von Storch ja das, was sie sich schon vor Jahren gewünscht hat…

Herr Merz (ein richtig reicher Steuersparer, dem die Hartz IV Sätze zu hoch sind, der in den CumEx Skandal verwickelt ist und außerdem, und daraus zieht er seine Legimitation, CDU-Vorsitzender werden möchte) sagt ihn Richtung Flüchtlinge: bleibt wo ihr seid, wir haben keinen Platz für Euch. Erinnert mich fatal an die CDU der 80er Jahre: das Boot ist voll schrien sie damals…

Griechenland setzt das Asylrecht aus, der Aufschrei bleibt aus – Menschenrechte gelten nichts mehr in Europa, wenn man seine Privilegien und seinen Reichtum schützen will…

Griechenland hätte schon lange Hilfe gebraucht: Hilfe bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge, durch Hilfe vor Ort und Verteilung der Menschen auf alle Länder der EU. Um Weihnachten ging das Elend der unbegleiteten Kinder durch die Presse. In Deutschland gab es jede Menge aufnahmewillige Städte – aber nein, sie durften nicht. Auch jetzt gibt es wieder Städte, die sich anbieten, eine Anzahl der Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, weisen nach, dass sie die Kapazitäten haben: die „christ“Demokraten interessiert es nicht.

Europa muss sich schnellstens überlegen, was Europa ausmacht. Bisher gehörte die Einhaltung der Menschenrechte dazu. Diese werden nun mit den Füßen getreten. Wie soll das weitergehen? Es werden immer mehr Menschen fliehen müssen – und es werden auch immer wieder Menschen nach Europa kommen wollen. Vor 80 Jahren hat man die Juden nicht haben wollen und zugesehen, wie sie starben. Dann waren es die Boat-People – jetzt sind es die Flüchtlinge an der Grenze.

Ich wünsche mir ein Europa, dass eine Verantwortung für die Menschheit wahrnimmt, das tätig wird, dass erkennt, dass es nicht um „Wellen“ geht sondern um einzelne Menschen. Die alle das gleiche Lebensrecht haben wie wir, denen man es aber nicht mehr zugesteht…

Erinnerungskultur in Deutschland

75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz werden die Stimmen lauter, die meinen, es wäre jetzt mal gut mit der Erinnerung. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz werden Stimmen lauter, die sich rassistisch und antisemitisch äußern – und darauf verweisen, man könne ja die Öfen wieder entzünden. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz sagen die einen, man müsse auch mal vergessen dürfen – die anderen lachen über den Holocaust, zerstören jüdische Friedhöfe, planen Anschläge auf Synagogen und führen sie auch aus. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz ist nicht alles längst vorbei, im Gegenteil, es kriecht aus allen Löchern. Noch gibt es viele Stimmen, die meinen, man könne das am besten ignorieren und totschweigen – nun, das hat man in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts auch versucht, hier bei uns in Deutschland. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz glauben „christliche“ Politiker, man könne mit Faschisten zusammenarbeiten, sie in die Politik einbinden, dann wäre als nur halb so schlimm. Auch das nichts neues in Deutschland, leider.

75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz wehren sich viele gegen den angeblichen „Schuldkomplex der Deutschen“, glauben, der Holocaust und die Grauen der Nazizeit habe mit ihnen und ihrer Biographie nichts zu tun. Nicht alle, die so denken, sind Antisemiten, Rassisten und Faschisten. Aber alle, die so denken, vergessen folgendes:
Wir werden nicht im luftleeren Raum geboren. Wir haben Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, und es ist längst erwiesen, dass Familiengeheimnisse und Traumata auch dann an die Nachkommen weitergegeben werden, wenn nie darüber gesprochen wurde. Das zeigt: wer Eltern, Großeltern, Urgroßeltern hat(te), die in der Nazizeit in Deutschland und allen anderen betroffenen Ländern gelebt haben, dessen Vorfahren waren irgendwie in den Holocaust verwickelt: im schlimmsten Fall als Täter, im besten Fall im Widerstand, wahrscheinlich aber als Mitläufer, Ignoranten oder die, die angeblich nichts gewusst haben, als Opfer, Nutznießer oder auch Kollateralschäden. Wir kommen in unserer Biographie als Deutsche, deren Vorfahren auch aus Deutschland und den entsprechenden „deutschen“ Gebieten kommen, an der Nazizeit mit all dem Üblen nicht vorbei. Sind wir deswegen schuldig? Sicher nicht. Das sagt auch keiner. Aber wir könnten schuldig werden, wenn wir zulassen, dass die Erinnerung verblasst und die entsprechende Aufmerksamkeit nachlässt.

Auschwitz ist nicht der Holocaust. Auschwitz war mit seinen Außenlagern Arbeits-, Folter- und Vernichtungslager. In Auschwitz starben Menschen an Krankheiten, Entkräftung, Menschenversuchen oder als Strafe oder Exempel. Die, nicht arbeiten konnten, wurden getötet, die Arbeitsfähigen zunächst noch zur Zwangsarbeit gezerrt. Das Grauen soll dort greifbarer sein als überall anders, so sagt man. Ich war „nur“ in Dachau, schon da war es kaum auszuhalten. Es gab Arbeitslager, Todeslager, Folterlager und alles dazwischen. Wenn wir unsere Erinnerungskultur allerdings auf die Lager und die dort Umgebrachten fokussieren, vergessen wir all die anderen: All es die, die auf offener Straße erschossen oder totgeprügelt wurden, die in der Heimat, in den Gefängnissen der Gestapo, im sicher geglaubten Versteck, auf der Flucht, wo auch immer umgebracht wurden – schon vor der sogenannten Endlösung. Fast die Hälfte aller deutschen Juden, so schätzt man starb entweder so, oder an Hunger und Entkräftung.
Auschwitz ist auch nicht nur Symbol für den Völkermord der Juden. Auschwitz ist viel mehr: es gab die Ausrottung der Juden, aber es gab auch all die anderen sogenannten Volksschädlinge: Homosexuelle, Sinti und Roma, Kommunisten und Sozialdemokraten, auch katholische und evangelische Priester und jede Menge Menschen, die als Widerstandskämpfer in den Kellern der Gestapo oder aber auch in den Konzentrationslagern gequält, gefoltert und umgebracht wurden. Die Parole war: alles, was anders ist, muss weg. Und keiner kann sagen, er hätte nichts gewusst. Der Nachbar verschwand, die Klassenkameradin, das behinderte Kind – es gab niemanden, der nicht hätte wissen können, was passiert.

Heute haben wir Internet. Was damals vielleicht nur hinter vorgehaltener Hand in der Nachbarschaft erzählt wurde, heute erfahren wir alles. Was bis vor einigen Jahren unsagbar war, heute wird es gesagt: von Nachbarn, Arbeitskollegen, Menschen auf der Straße, am Stammtisch, vielleicht sogar im eigenen Freundeskreis oder der Familie. Und hier setzt unsere Verantwortung ein: aufklären und widersprechen, die Menschenwürde und das Lebensrecht aller Menschen verteidigen. Unser Engagement kann vielfältig sein, im kleinen Kreis oder in der großen Öffentlichkeit, Teilnahme an Gedenkfeiern und Demonstrationen, das Kreuz an der richtigen Stelle: wir alle haben Möglichkeiten. Und das ist genau die Folge, die sich für uns aus dem Erinnern ergibt: nicht weghören, nicht wegsehen, nicht schweigen, sondern auftreten. Vielleicht kriegen wir es dann noch in den Griff. Ich bin ja Christin: ich hoffe, es gelingt. Denn wenn nicht, dann Gnade uns Gott.

366 unbeschriebene Seiten oder: Gedanken zu Neujahr 2020

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt – auch das könnte die Überschrift über diesen Text sein. Am Meer habe ich ihn zwischen den Jahren ersonnen – die Realität hatte mich auch da schon eingeholt, ohne dass ich es wissen wollte.
Da war die „Umweltsau“ des WDR – ein Kommentar von mir mit der Aussage, an dem Lied wäre ja was dran, (und ich denke, da ich im Oma Alter bin, darf ich das sagen) führte zu Beschimpfungen in den Kommentaren und per PN, die so unterirdisch waren, dass ich mich frage: ist es schlimmer, das Verhalten einer imaginären Oma zu beschimpfen, als reale Menschen? Im Vergleich wäre „Umweltsau“ ein echter Kosename.
Und dann die Aufzählung, was die Omas dieser Grundschulkinder alles erlebt und geleistet haben: die heutigen Omas haben in zwei Weltkriegen ihre Kinder alleine aufgezogen, nachdem sie selbst als Kind jeden Tag 15 km durch Schnee und Eis zur Schule laufen mussten. Sie haben aus nichts Mahlzeiten gezaubert und im Anschluss an den zweiten Weltkrieg ganz Deutschland mit eigenen Händen aufgebaut und dann auch noch fürs Wirtschaftswunder gesorgt. Und nie Handys benutzt, die Kinder damals nicht mit dem SUV in die Schule gebracht und einen PC hatten sie auch nicht. Und heute leben sie noch genauso entbehrungsreich wie damals und sammeln außerdem Flaschen zum Überleben. Nun ja. Kann sich ja jeder selbst einen Reim drauf machen. Die Diskussion wäre ja eigentlich ganz amüsant gewesen, wenn sie nicht so ausgeartet wäre.
Also beschloss ich, das wegzustecken und mich ganz dem Meer und dann dem neuen Jahr zu widmen.
Noch vor dem Schlafengehen dann die Nachricht: in Krefeld ist das Affenhaus mitsamt seiner Bewohner abgebrannt (da waren nicht nur Affen drin!) – eine Institution, die ich schon als Kind kennengelernt habe, mit dem ältesten lebenden Gorilla – es war nicht mehr zu retten. Möglicherweise war der Brand verursacht durch diese Feuerballone, die in NRW verboten sind. Bei den ganzen Trauerbekundungen und Spendenaufrufen allerdings frage ich mich: auch wenn es durchaus grausam und schrecklich ist, im Mittelmeer sind wieder 45 Menschen vermisst, wahrscheinlich tot, in Griechenland vegetieren Kinder in Lagern dahin – wie setzen wir eigentlich unsere Prioritäten?

Und dann erfuhr ich, dass heute morgen der Vater einer Freundin verstorben ist, ein Mensch, der die Sommer meiner Kindheit mitgeprägt hat. Es war zu erwarten. Er ist sicher erlöst, für ihn war es besser. Dennoch: wenn einer aus der vorherigen Generation stirbt, schließt sich eine Tür zur Kindheit, und das geschieht in letzter Zeit immer öfter…

Dennoch: es liegen quasi 366 unbeschriebene Seiten eines Buch vor uns, auch wenn eine jetzt schon mehr als angefangen ist. Ein Buch, das zwar eine Fortsetzung ist, dessen Inhalt auch mit bestimmt wird von den vorherigen Büchern. Ein Buch aber, dessen Inhalt wir, wenn auch nicht völlig frei, mitbestimmen können. Ein Buch, dass von uns mitgeschrieben wird. Ein Buch, von dem ich mir vorgenommen habe, dass es viel Liebe und Respekt zu anderen Menschen enthalten soll, Menschlichkeit und Nächstenliebe, Friede und Versöhnung in der Welt und auch im privaten Bereich.
Sehen wir uns diese Seiten an: 365 sind noch völlig leer. Füllen wir sie mit Liebe – dann wird das Jahr ein gutes Jahr werden!

Weihnachten 2019

Weihnachten

Palästina, vor ca 2000 Jahren

Eine junge Schwangere

Mit ihrem Mann unterwegs zur Volkszählung

Wir haben kein Zimmer frei in der Herberge

Sie bekommt das Kind in einer Höhle, die als Stall dient

In Armut kommt das Kind zur Welt.

Syrien, irgendwann zu unserer Zeit

Eine junge Schwangere

Mit ihrem Mann lebt sie im Kriegsgebiet

Wir haben kein Zimmer frei in der Herberge

Sie bekommt das Kind in einer zerstörten Stadt

Im Bombenhagel kommt das Kind zur Welt

Irgendwo in Afrika, irgendwann zu unserer Zeit

Eine junge Schwangere

Mit ihrem Mann lebt sie auf verdorrtem Land

Wir haben kein Zimmer frei in der Herberge

Sie bekommt das Kind in tiefster Not

Auf der Flucht kommt das Kind zur Welt

Flüchtlingslager in Nordafrika, irgendwann zu unserer Zeit

Eine junge Schwangere

Versklavt und mißbraucht lebt sie dort bar jeder Hoffnung

Wir haben kein Zimmer frei in der Herberge

Sie bekommt das Kind unter schrecklichen Umständen

In Dreck und Elend kommt das Kind zur Welt

Flüchtlingslager in Europa, irgendwann zu unserer Zeit

Eine junge Schwangere

Sie lebt in einem Lager mit hoffnungsloser Überfüllung

Wir haben kein Zimmer frei in der Herberge

Sie bekommt das Kind in der Massenunterkunft

In Kälte und Nässe kommt das Kind zur Welt

Krankenhaus in Deutschland, irgendwann zu unserer Zeit

Eine junge Schwangere mit Komplikationen

Abgeschoben wird sie nach Italien

Wir haben kein Zimmer frei in der Herberge

Es gibt keinen Arzt

Das Kind kommt tot zur Welt

Gott wird Mensch

Wir wissen nicht wann

Wir wissen nicht wo

Bereiten wir Ihm einen Platz

in unserer Herberge.

Bereiten wir jedem Menschen einen Platz

in unserer Herberge.

Erkennen wir Ihn in jedem unserer Mitmenschen.

Dann wird Weihnachten

Überall auf dieser Welt

Reden und verstehen sind zwei verschiedene Paar Schuhe…

„Sucht neue Worte das Wort zu verkünden, neue Gedanken, es auszudenken“ – dieser Vers aus einem Kirchenlied geht mir seit heute morgen nicht mehr aus dem Kopf. Wir sagen immer: wir müssen reden, reden, reden – und eine Erfahrung der letzten Woche zeigt mir: wenn Menschen arglos Falschmeldungen weitererzählen kann reden durchaus helfen, nämlich dann, wenn man die Sachlage aufklären kann und die Menschen bereit sind, zuzuhören und nachzudenken.
Oft aber habe ich das Gefühl, gegen Mauern anzureden und anzuschreiben.
Vielleicht ist genau das der Punkt: wir benutzen die falschen Worte. Wir benutzen unsere Worte, und selbst wenn wir noch so empathisch sind, bleiben das unsere Worte. Und vielleicht fängt es bei den Gedanken schon an: sie laufen auch bei uns in bestimmten Bahnen, bestimmt durch Lebenserfahrung und Input, und ja, durch die Filterblase, in der wir uns sowohl virtuell als auch im realen Leben in der Regel befinden – zumindest außerhalb der Familie umgibt man sich ja nach Möglichkeit eher mit Gleichgesinnten, insbesondere in der Freizeit.
Wenn ich möchte, dass mein Gegenüber mich versteht, muss ich die Wege seiner Gedanken nachvollziehen können und seine Sprache kennen. Wenn die immergleichen Gedanken nicht zum Ziel führen, nun, dann muss man andere denken. Und wenn die immergleichen Worte nicht mehr ausreichen – vielleicht gibt es ja andere?
Menschen überzeugen kann man nicht durch gebetsmühlenartige Wiederholungen, die ja schon mühsam genug sind. Menschen überzeugen kann man nur, wenn man immer neu denkt, wenn man in Worten spricht, die der oder die andere versteht.
Ich werde versuchen, mir das in Zukunft zu Herzen zu nehmen – im virtuellen und vor allem im realen Leben.

9.November: Ein deutscher Schicksalstag

9. November. So etwas wie ein deutscher Schicksalstag. In einem Gespräch letzte Woche sagte ich, dass ich besser fände, wenn „unser“ Nationalfeiertag am 9. November wäre. Meine Gesprächspartnerin wies mich dann darauf hin, dass da nicht nur schönes geschehen wäre in der deutschen Geschichte. Ja, genau darum geht es mir ja – ein Nationalfeiertag sollte sich nicht die Rosinen aus dem Kuchen picken, denn dann verliert man die Gesamtsicht, und die zu behalten scheint mir in der heutigen Zeit immer wichtiger zu werden.

Am 9.11.1848 wurde Robert Blum standrechtlich erschossen – das war der Anfang vom Ende der Revolution 1848/49.

Der 9.11.1918 war da schon, was die Revolution angeht, positiver: an diesem Tag, dem Beginn der Novemberrevolution, wurde die erste deutsche Republik ausgerufen. Es folgte eine Reihe von teilweise bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen den Verfechtern einer einer pluralistisch-parlamentarischen Demokratie und denen einer sozialistischen Räterepublik, wobei letztere unterliegen. Im August 1919 wird die Weimarer Republik konstitutiert – die erste Republik auf deutschem Boden, die zwar eine relativ kurze Halbwertzeit hatte, aber doch grundlegend war auch für unsere heutige Demokratie.

Leider war sie auch der Nährboden für die Nationalsozialisten: am 9. November 1925, genau 5 Jahre nach Ausrufung der Republik, unternimmt Hitler einen Putschversuch gegen die demokratische Reichsregierung. Der Putschversuch scheitert, 16 Menschen sterben, und Hitler wird zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt. Im Prozess inszeniert er sich als Führer der „völkischen Bewegung“ und kommt nach 9 Monaten wegen guter Führung wieder frei. 10 Jahre später wird er diesen Tag zum Gedenk- und Feiertag, an dem der „Blutzeugen der Bewegung“ gedacht wird – der einzige Grund, der mir einfällt, weshalb dieser Tag als Nationalfeiertag schwierig wäre – aber nicht unmöglich.

Dann natürlich der 9. November 1938 – die Progromnacht. Synagogen brennen, Häuser und Geschäfte jüdischer Mitbürger werden verwüstet, hunderte von Juden in diesen und den folgenden Tagen ermordert. SA- und SS-Männer auf dem Land werden, so erzählten mir meine Eltern, gerne lieber in den Nachbarorten tätig als vor der eigenen Haustür…

Ebenfalls an einem 9. November, 1967, enthüllen Studenten bei der Amtseinführung des Rektors der Uni Hamburg ein Transparent mit dem Spruch „unter den Talaren – der Muff von tausend Jahren“ – der zu einem Symbol der Studentenbewegung werden wird, der sogenannten 68er…

Und am 9. November 1969 gab es einen linksradikalen Anschlag auf ein jüdisches Gemeindehaus in Berlin – auch dieser Termin war sicher nicht zufällig gewählt.

Der 9. November 1989 – nun, da saß ich hochschwanger vor dem Fernseher und verfolgte das Geschehen in Berlin. Die Tränen liefen mir übers Gesicht und ich glaubte, das wäre der erste Schritt zum Weltfrieden…

Heute, 30 Jahre später, habe ich Angst. Angst, dass sich Geschichte wiederholt. Wenn CDU-Funktionäre laut darüber nachdenken, dass man mit den Linken nicht sprechen dürfe, mit der AfD aber sprechen müsste, weil man sonst eine große Gruppe Wähler ausschließe (nicht beachtend, dass die Linken mehrere Prozent mehr Wähler auf sich vereinigen konnten), dann liegt das nahe.
Wenn Politiker in Europa in Kauf nehmen, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken, wenn sie von Seenotrettern verlangen, internationales Recht zu missachten und Menschen zurück in Not und Elend zu befördern, dann gibt es da einen nationalistischen Geist, der sich auch in Sprüchen wie „Amerika first“ oder „erst mal unseren Obdachlosen helfen und das christliche Abendland vor Überfremdung abschotten“ gipfelt, einen Ungeist, der mir Angst macht.

Genau deshalb wäre für mich der 9.November der richtige Nationalfeiertag: ein Tag, an dem wir auch all der Dinge gedenken, die eben gerade nicht gut waren – all der 9.November in Deutschland, die in irgendeiner Form bis heute fortwirken.

Tag der deutschen Einheit

Ich sitze an meinem Schreibtisch und frage mich: was bedeutet er für mich? Klar, vor 30 Jahren, die Berichterstattung über die Montagsdemos, die ging mir unter die Haut. Die DDR kannte ich bis dahin nur von 2 Kurzausflügen nach Ostberlin. Da war sie mir deutlich fremder als das westeuropäische Ausland, dass ich bis dahin kennengelernt hatte. Ich wusste, dass meine Patentante dort Freundinnen hatte und schon mal Pakete schickte, irgendwelche kirchlich engagierten Frauen, die sie irgendwann mal irgendwie kennengelernt hat. Ansonsten kannte ich da keinen – Ostverwandtschaft haben wir nicht.
Ich habe wie alle geheult und gehofft, dass es friedlich ausgeht, meinen Ältesten unter dem Herzen, und gewünscht, dass dieser nun fast 30jährige und alle, die ihm nachfolgen, in einer besseren Welt leben werden.

Aber sonst? Ich habe nun mehrfach Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen bereist, zuletzt waren wir in Brandenburg. Auch in Berlin war ich nun schon häufiger.

Vor einigen Jahren war ich in Leipzig zur Kur, irgendwie Exotin als „Westdeutsche“ und habe da einen netten Kreis von Menschen kennengelernt, vom 10 Jahre jüngeren Landwirt, der bei der Wende noch Jugendlicher war, bis zur 10 Jahre älteren Postbotin waren sehr verschiedene Menschen in diesem Kreis zusammen, religiös und nicht religiös, studiert oder nur einfacher LKW-Fahrer, und wir haben uns gut verstanden. Sie haben mir erzählt, wie sie die Wende aus ihrer Sicht erlebt haben, ich habe meine Seite dargestellt – und es war hochspannend. Aber eins ist mir damals aufgefallen: obwohl die Wiedervereinigung damals fast 20 Jahre her war, wussten sie auffällig wenig über „den Westen“. Sie hatten ihn bereist, die ein oder andere Sehenswürdigkeit gesehen – aber in ihren Köpfen war der Westen immer noch das gelobte Land, dass sie nie erreichen würden, wenn sie im Osten blieben. Ich habe dann von der Schule meiner Kinder erzählt, die Stadt hatte angeblich kein Geld zur Instandhaltung der Fenster bis diese dann aus den Rahmen fielen, habe Bilder gezeigt von westdeutschen Städten und Orten, die deutlich heruntergekommener waren als der Ort, wo wir uns befanden – sie verstanden es nicht. Ich wiederum verstand nicht, wieso man so schnell für den Anschluss gewesen sein konnte, wegen der D-Mark und wegen der Rosenduftseife…

Der ein oder andere Kontakt hat sich, wenn auch lose, über Facebook und WhatsApp gehalten oder wiederaufgefrischt. Wir haben uns auch noch einmal getroffen – aber ich merke, die getrennte Vergangenheit trennt in vielen Teilen bis heute. Das kann man in Gesprächen merken – man fällt noch leicht in Formulierungen „Ihr“ und „wir“ und „bei Euch/bei uns“. Ich glaube nicht, dass alle, die in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen die AfD wählen, Rassisten sind. Ich glaube eher, dass die Angst vor den Fremden und vor dem Fremden real ist, ebenso wie die Angst, nicht mithalten zu können, abgehängt zu sein. Und Erzählungen und Argumente helfen da wenig – es geht irgendwie tiefer. Und es gibt ja Ungerechtigkeiten: sie verdienen immer noch weniger, bekommen weniger Rente etc. – 29 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es immer noch ein Sozialgefälle, trotz aller Gelder, die – aus unserer „westlichen“ Sicht – z.B. über den Soli in „den Osten“ geflossen sind.

Was also bedeutet mir die Einheit? Ich bin froh, dass es ein freies und demokratisches Deutschland gibt, mit funktionierender Presse- und Meinungsfreiheit, klar. Ich sehe mit Sorge, dass die AfD offensichtlich in den „östlichen Bundesländern“ einen größeren Nährboden hat als bei uns hier am Rhein. Aber dies gilt durchaus auch fürs reiche Bayern – auch wenn die Ursachen da andre sein mögen.

Ich habe allerdings die Hoffnung nicht verloren, dass wir dennoch ein Deutschland werden können – die Generation unserer Kinder kennt es nicht anders. Und dass das Ganze dann auch für Europa gilt und überhaupt für die ganze Welt: mein Traum ist, dass es überall auf der Welt möglich wird, in Freiheit und Demokratie menschenwürdig leben zu können.

Wenn der Tag der Deutschen Einheit ein Symbol dafür wird, dass alle Menschen das gleiche Recht zu leben haben und die Würde des Menschen unantastbar ist: ja, dann bedeutet mir der Tag der deutschen Einheit tatsächlich etwas.

Gedanken über Vaterland, Nationalismus und Patriotismus

Wer mich kennt, weiß, dass ich – kommentierenderweise – viel im Internet unterwegs bin. Da begegnen einem immer Begriffe wie Vaterlandsliebe, Nationalismus und Patriotismus – und vieles wird verschwurbelt und durcheinandergebracht.

Eins vorweg, bevor ich falsch verstanden werde: auch wenn mir immer wieder das Gegenteil vorgeworfen wird: ich liebe mein Heimatland und lebe gerne in Deutschland. Allerdings ist es Glücksache, wo man geboren wird: bei mir war es eben der rheinisch-katholische Niederrhein.

Vaterland ist das Land der Väter und Mütter, das Land, wo die (näheren) Vorfahren herkommen oder wo man geboren wurde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das ist für viele Deutsche Deutschland, für nicht wenige aber eben nicht, sondern vielleicht die Türkei oder Syrien oder die Staaten Osteuropas oder der ehemaligen Sowjetunion oder was auch immer. Man kann sein Vaterland lieben und dennoch nicht da leben wollen: wegen des politischen Systems, weil da Krieg ist, weil man einer verfolgten Minderheit angehört oder weil man dort schlicht und ergreifend keine Lebensperspektive hat: auch das ist legitim. Mein Vaterland ist Deutschland, und zwar ein Deutschland in dem das Grundgesetz die Einhaltung der Menschenrechte und den Rechtsstaat garantiert. Liebe ich es? Das ist so ein großes Wort, dazu ist mir Deutschland zu abstrakt. Ich fühle mich da eher auch als Europäerin – oder eben als Rheinländerin vom Niederrhein.

Heimat dagegen: das ist da, wo das Herz ist. Das kann ein Ort sein, das können Menschen sein, da kann man mehrere haben – Heimat ist für jeden etwas anders.

Kommen wir zum Nationalismus: kein Christ kann Nationalist sein, hat der Papst mal gesagt. Was er damit meint? Ganz einfach: Der Begriff ‚Nationalismus‘ bezeichnet eine politische Strömung und damit einhergehende Weltanschauung, die sich im Sinne eines nationalen Egoismus für die Interessen der eigenen Nation einsetzen und deren vermeintliche Gegner scharf bekämpfen will. Nationalisten sind insofern aggressiv, als sie die (sogenannten) Rechte des eigenen Volkes für gewöhnlich weit über die Rechte anderer Völker stellen. Das heißt: sie halten ihr eigenes Volk für höher stehend und wichtiger als alle anderen. Für einen Christen dagegen sind alle Menschen gleich.
Nationalisten wollen Ihr Land nach außen abschotten – dem Welthandel und der Ausbeutung anderer Weltregionen verschließen sie sich dabei allerdings nicht, was ja wenigstens konsequent wäre.

Und was ist nun Patriotismus? Wikipedia sagt dazu: „Als Patriotismus wird eine emotionale Verbundenheit mit der eigenen Nation bezeichnet. Im Deutschen wird anstelle des Lehnwortes auch der Begriff „Vaterlandsliebe“ synonym verwendet. Diese Bindung wird auch als Nationalgefühl oder Nationalstolz bezeichnet und kann sich auf ganz verschiedene als Merkmale der eigenen Nation angesehene Aspekte beziehen, etwa ethnische, kulturelle, politische oder historische.“ Der Unterschied zum Nationalismus besteht daran, dass man sich zwar mit der Nation identifiziert, aber sie nicht über andere erhebt.

Im Unterschied zu einer historisch-kulturellen Bindung steht der Verfassungspatriotismus für das positive Bekenntnis zu den in einer staatlichen Verfassung verankerten übernationalen ethischen und politischen Grundrechten und Wertvorstellungen. Diese beziehen sich in der Tradition westlicher Rechtsstaaten auf die unveräußerliche Menschenwürde und davon abgeleitete Menschenrechte, für die universale Geltung beansprucht wird. Also: Deutschland mit diesem Grundgesetz, dass die Einhaltung der Menschenrechte und den Rechtsstaat garantiert.

In diesem Sinne würde ich mich vorsichtig als Patriotin bezeichnen: ich identifiziere mich mit unserem Rechtsstaat und dem Grundgesetz und werde alles mir mögliche dazu tun, dass es nicht ad absurdum geführt wird. So könnte man fast sagen: als Patriotin unterstütze ich die Seenotrettung und die Klimabewegung, bin für Umweltschutz und ein Ende der Waffenverkäufe.

Hört sich absurd an? Ja, finde ich auch. Daher würde ich diesen Begriff auch nie benutzen. Fakt ist aber, dass es ein Glück ist, in Deutschland geboren zu sein und hier, in diesem sicheren Rechtsstaat, leben zu dürfen. Und Patriot sein ist nicht verboten, auch nicht, wenn ein Patriot sich eine Deutschlandflagge in den Garten hängt – so seine Motivation nicht die Brüskierung von Migranten ist, sondern einfach sein Bekenntnis zu diesem Rechtsstaat Deutschland: wir sollten uns die Flagge nicht von den Rechtspopulisten wegnehmen lassen, auch wenn ich sie nicht aufhängen würde…

Fazit: man darf Deutschland lieben, man darf sein Vaterland lieben, man darf Patriot sein. Was man nicht darf ist, Deutschland und die Deutschen über allen anderen zu erheben.

Wenn alle diese Unterschiede begreifen (wollen) würden, wären wir schon ein ganzes Stück weiter…

Europa vor der Wahl

Eine Zeitung, deren Abonnementin ich bin, bittet um Zuschriften, was für den Leser Europa bedeutet. Grund genug für mich, einmal darüber nachzudenken…
Meine erste bewusste Begegnung mit Europa ist schon ziemlich lange her – ich war fünf oder sechs, meine Mutter hatte eine Freundin direkt an der niederländischen Grenze und da hab ich dann einen Fuß ins Nachbarland gesetzt und zu hören bekommen: das darf man nicht einfach so, da ist eine Grenze, das darf man nur an offiziellen Übergängen. Später dann fuhren wir nach de Efteling oder auch mal nur nach Venlo – und in unserem alten R4 war es immer wieder spannend, wenn die Grenzer prüfend guckten. Haben Sie was zu verzollen hieß es, wenn wir mit dem Diesel meiner Eltern mal eben zum Tanken über die Grenze hüpften – und da haben wir gelernt, dass ein alter, kaputter, ausgedienter Fernseher im Kofferraum etwas ist, was man anmelden muss. Grenzerfahrungen auch an der Grenze zu Lothringen, wo Verwandtschaft wohnte – noch ein bisschen spannender, weil die fremde Sprache doch alles irgendwie unheimlicher machte.

Dann die Staus auf dem Weg in den Sommerurlaub nach Osttirol. Immer vorher klären, was man an Lebensmitteln gerade mitnehmen durfte und was nicht – und wenn der Grenzer dann fragte, warum wir mehr Kleidung mithatten, als man in 3 Wochen tragen kann (die wurde an arme Bergbauernfamilien weitergegeben), dann kamen meine Eltern ins Schwitzen.

Und dann plötzlich war das alles vorbei. Man konnte überall hinfahren, solange es nicht Richtung Osten ging – aber auch das wurde ja dann besser. Keine Staus mehr an den Grenzen, keine unkalkulierbaren endlosen Wartezeiten mehr, keine peinlichen Fragen der Grenzer – die Welt war zusammengerückt. Rund 15 Jahre später rückte alles noch etwas mehr zusammen: der Euro kam, in den meisten Ländern war das Geldumtauschen Geschichte, man brauchte keine Umrechnungstabellen mehr.

Was für mich Europa bedeutet? Dass wir gemeinsam das stemmen, was ein Land alleine nicht hinbekommt. Das nicht jedes Land das Rad neu erfinden muss. Dass Handel und Reisen leicht gemacht werden und jeder da studieren und arbeiten kann, wo es für ihn richtig und wichtig ist. Das ein Parlament, was von den einzelnen Staaten unabhängig ist, dafür sorgt, dass es einheitliche Standards gibt, die nicht unterlaufen werden dürfen. Das wir gemeinsam versuchen, den Klimawandel und die Umweltzerstörung in den Griff zu bekommen – und dabei dem einen oder anderen auch auf die Finger geklopft wird. Es bedeutet gemeinsam stark, in der Vielfalt der Länder. Ich bin in erster Linie Rheinländerin vom Niederrhein. Das darf ich bleiben. Dann bin ich Deutsche, auch das bin ich gern. Aber als solche bin ich eben auch Europäerin – es ist mir nicht egal, wie die Menschen in Griechenland oder Rumänien mit ihrem Leben klarkommen. Wir gehören zusammen.

Es gibt ne Menge, was nicht richtig funktioniert. Es gibt wenige Instrumente, die wirklich Dinge regeln. Aber die Richtung stimmt – jedenfalls dann, wenn wir das wollen und Europa positiv unterstützen.