Weltfriedenstag 2022

heute ist der internationale Tag des Friedens, der Weltfriedenstag. Am heutigen Tag gibt es in der Welt 6 Kriege und kriegerische Konflikte mit bereits mehr als 10 000 Todesopfern, unter anderem in Afghanistan mit bisher ca 2 Millionen Toten, Myanmar mit 160 000, Äthiopien mit geschätzt bis zu einer halben Million und natürlich die Ukraine, da waren es bis Juli knapp 40 000.
14 weitere werden mit mindestens 1000 Opfern gelistet, darunter der Krieg in Syrien, der Kampf der Türkei gegen die Kurden und vieles mehr. Auch unter Beteiligung der USA, der Türkei, Russlands. Die „kleineren“ Konflikte, ungezählt, der Terror von nichtstaatlichen Organisationen z.B.

Weltfriedenstag. Besonders präsent ist uns natürlich der Ukrainekrieg, alle anderen geraten dagegen etwas in Vergessenheit: lediglich Afghanistan mag uns noch etwas näher im Gedächtnis sein, darauf richtete sich der Fokus ja im letzten Jahr. Aber überall in der Welt müssen Menschen um ihr Leben fürchten, verlieren Haus und Hof weil irgendwelche Gruppierungen und Regierungen meinen, ein Recht zu haben, Dinge gewaltsam zu regeln, sei es die vorherrschenden Regeln der Religion, sei es die Regierungsform, sei es einfach die Frage wem was gehört und wem nichts. Ganz oft spielt es eine Rolle, ob man einer Minderheit angehört, der quasi das Lebensrecht abgesprochen wird.

Heute ist Weltfriedenstag. Es gibt wohl nur wenige Menschen, die von Kriegen wirklich profitieren, und (hoffentlich) noch weniger, die aktiv Kriege herbeiwünschen oder gar vom Zaun brechen. Es gibt aber viele Menschen, die glauben, die Kriege in der Welt gingen sie nix an. Und da, wo diese Kriege Auswirkungen auf ihr Leben hat, da müsste man halt deutlich machen, dass einen dieser Krieg und die Opfer nicht interessieren. Wieder andere schlagen genau daraus Kapital, verdrehen Wahrheiten, schüren Ängste, sorgen für schlechte und aufgeheizte Stimmung.

Heute ist Weltfriedenstag. Wie kann man Frieden schaffen? Darf man Waffen liefern oder nicht? Darf man in Kriege eingreifen oder hält man sich raus? Muss die Ukraine für warme Wohnzimmer geopfert werden? Lieber rot als tot? Ist unsere Wirtschaft wichtiger als die Freiheit der Ukrainer? Oder die der Afghanen, Libyer oder was auch immer? Wichtiger als die Flüchtlinge, die versuchen, uns durch Wüsten und über das Meer zu erreichen? Ist Frieren für den Frieden ein machbares Konzept? Und ergibt es wirklich Sinn, Freitag für Freitag auf dem Rathausplatz für den Frieden zu Schweigen?

Vieles können wir, die wir nicht in irgendwelchen Regierungen, Aufsichtsräten oder Managerbüros sitzen, gar nicht beeinflussen. Aber wir können, da, wo wir stehen, durchaus für Frieden sorgen. Wir können solidarisch sein mit Kriegsopfern und mit denen, die in unserem Land unter der Krise leiden.
Wir können auf die Ungerechtigkeit der Hilfen schimpfen („Ich brauche das Geld nicht“ höre ich durchaus öfter) oder wir können es nehmen und denen geben, die es brauchen. Wir können in die Hass- und Angstspirale einsteigen oder gucken, was wir tun können, Strom und Gas zu sparen, Notstände abzufedern. Wir können wütende Reden halten oder nach versöhnlichen Argumenten und Fakten suchen. Wir können uns gegenseitig Beleidigungen an den Kopf schmeißen oder nach Wegen suchen, gemeinsam weiter zu kommen, Kompromisse zu finden, Lösungen, mit denen alle oder zumindest viele leben können.

Wir können das unsrige dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft friedlich durch den Herbst und den Winter kommt. Wer glaubt, kann beten: mir hilft das auf der Suche nach Lösungen.

Weltfriedenstag. Auch ich kenne ihn nicht, den goldenen Weg zum Frieden in der Welt. Aber ich werde anfangen, ihn zu gehen.

Gedanken zum Weltflüchtlingstag

Heute ist Weltflüchtlingstag.
Die Meinungen zu Menschen, die flüchten, gehen ja weit auseinander, ein Grund für mich, einmal darüber nachzudenken, warum wir die Geflüchteten so unterschiedlich sehen und behandeln.
Sicher, es gibt verschiedene Fluchtgründe. Jetzt gerade, die Menschen, die aus der Ukraine flüchten, die haben unser volles Mitgefühl: sie sehen fast so aus wie wir, lebten zumindest zu einem großen Teil ein ähnliches Leben, sind oftmals gut ausgebildet, überwiegend christlich sozialisiert, flüchten vor einem unmenschlich grausamen Krieg und sind Europäer. Ach ja, und es sind überwiegend Frauen und Kinder, die Männer bleiben zurück, weil sie ihr Land verteidigen wollen. Auch, wenn dieses Wollen oft nicht freiwillig ist: sie werden einfach nicht rausgelassen. Die meisten würden gerne schnell wieder zurückgehen. Ach ja, und manche von ihnen haben bei uns ja schon in der Pflege gearbeitet, so im 3 Monatsrhythmus… Kein Vergleich z.B. zu den Syrern, die kamen (und kommen) zwar auch aus einem Land, in dem ein grausamer Krieg immer noch herrscht, lebten zumindest zu einem großen Teil ein ähnliches Leben wie wir und sind oftmals gut ausgebildet: aber sie sind keine Europäer, viele junge Männer sind darunter (weil die Flucht an sich lebensgefährlich war), und Christen scheinen auch die wenigsten zu sein: also werden die Ukrainer schnellstens anerkannt, erhalten Sprach- und Integrationskurse, dürfen kostenfrei den ÖPNV nutzen und bekommen Hartz VI – und (fast) keiner schimpft darüber, dass sie Handys dabei haben (manche sind sogar mit dem Auto hier!) – und viele Syrer harren bis heute in den Unterkünften aus, von (schneller) Anerkennung, die Grundlage für Sprach- und Integrationskurse ist, und Hartz IV keine Spur, genau wie bei anderen Kriegsflüchtlingen aus aller Welt.
Dann gibt es die Asylbewerber: da unterscheiden wir dann sehr genau, ob sie vom Staat politisch verfolgt werden oder vielleicht doch nur von terroristischen Banden oder den Bürgern des Staates: nur erstere haben einen Asylgrund, auch wenn sie ebenfalls nicht so vorrangig behandelt werden wie die Ukrainer. Wenn sie dagegen nicht von Seiten des Staates verfolgt werden, haben sie keinen, manchmal bekommen sie eine Aufenthaltserlaubnis, z.B. christliche Frauen aus Nigeria, die dort besonders gefährdet sind – ein christlicher Nigerianer, den ich kennengelernt habe, durfte dagegen – trotz nachgewiesener Folter durch Boko Haram – nicht bleiben…
Und wer sein zu Hause verlässt, weil der Klimawandel ihm kein Bleiben ermöglicht, weil er oder sie vor Ausbeutung flieht, vor Hunger, vor behandelbaren Krankheiten, weil er oder sie sein Kind vor einem Leben in Elend und Not bewahren will – nun, diese Menschen haben keinerlei Recht, in die EU/nach Deutschland zu kommen.
Wie oft hört man, auch von Menschen, die sich christlich nennen, die NGOs mögen doch bitte die Schlepperei im Mittelmeer lassen: es sei nur ein Anreiz zur Flucht: dabei ist es längst bewiesen, dass die Menschen auch dann flüchten, wenn sie wissen, dass kein Seenotretter unterwegs ist. Ganz ehrlich: glauben wir wirklich, dass sich diese Menschen alle, oft auch mit Frauen und Kindern, in Lebensgefahr begeben, weil sie in Deutschland von Sozialhilfe leben wollen?
Ich verstehe diese Unterschiede nicht. Trotz allem, ja, auch trotz der hohen Energiepreise, sind wir ein reiches Land. Niemand muss aus Deutschland flüchten. Ja, es gibt soziale Verwerfungen, die nicht sein müssten, es gäbe durchaus Lösungsmöglichkeiten für viele Probleme. Aber dennoch: es fallen keine Bomben, die allermeisten haben ein Dach über dem Kopf, ein Bett für sich allein und jeder hat ein Recht auf Schulbesuch und Ausbildung. Und davon wird nichts weniger, wenn wir alle Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen, im Gegenteil: die allermeisten würden gerne Arbeiten, eine Ausbildung machen oder ihre (oft bessere) Ausbildung hier anerkennen lassen. Auf der anderen Seite gibt es freie Stellen, auch freie Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden können. Es fehlen Kräfte in der Pflege und in Handwerk und Industrie. Oft haben Geflüchtete Jugendliche in wenigen Jahren einen guten Schulabschluss, können studieren: wenn die Voraussetzungen dafür, dass sie in die Schule gehen können, entsprechend sind. Als Werktätige aber würden diese Menschen Steuern zahlen und in die Sozialkassen einzahlen: alles das wäre dringend erwünscht. Stattdessen schotten wir uns immer weiter ab, lassen Menschen ertrinken oder in den Wäldern an Polens Grenze jämmerlich erfrieren, verhungern oder an Krankheiten sterben, an denen kein Mensch sterben muss.

Warum machen wir diese Unterschiede? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es fatal ist: Menschen, die in Lagern leben, die nicht arbeiten dürfen, denen man um 10 Uhr das Licht abdreht oder das Rauchen verbietet, den Ausgang reglementiert, deren Traumata man nicht behandelt, werden schlimmstenfalls auf dumme Gedanken kommen. Die dann an den Umständen liegen, nicht an der Mentalität, wie so gerne gesagt wird. Menschen, die arbeiten wollen und deren Arbeitskraft auch dringend benötigt wird nicht kommen zu lassen ist zudem auch ziemlich dumm.
Vor allem ist es aber unchristlich. Auch, wenn die Menschen keine Christen sind. Und unmenschlich. Es gibt keinen Grund, Unterschiede zu machen. Es ist kein Verdienst, in Deutschland geboren worden zu sein statt in Afghanistan oder Nigeria. Es ist kein Verdienst, in einer sich christlich nennenden Umgebung aufgewachsen zu sein statt als Uigure in China. Es ist kein Verdienst, in ein Land hineingeboren zu sein, dass eine freiheitlich rechtsstaatliche Demokratie ist und nicht in eine Diktatur. Es ist Glück. Und Glück vermehrt sich, wenn man es weitergibt.  Wir sollten aufhören, die Welt auszubeuten. Den Klimawandel zu ignorieren. Flüchtlinge in richtig und falsch einzusortieren. Wir leben in einer globalen Welt. Wenn wir weiter friedlich leben wollen, müssen wir uns klarmachen, dass das nur geht, wenn wir anstreben, dass alle Menschen menschenwürdig leben können. Und doch, wir können etwas dazu beitragen. Denn wir leben auf Kosten der anderen. Was können wir tun? Es sind ganz banale Dinge wie Energiesparen, öfter mal das Auto stehen lassen und statt 10 billiger T-Shirts, die nach der ersten Wäsche verzogen sind, vielleicht lieber nur ein oder zwei kaufen, die fair hergestellt sind und zu dem länger halten. Wir müssen keine Lebensmittel aus Übersee essen, deren Klima- und Umweltbilanz fatal ist. Auch, wenn sie vielleicht superlecker sind. Oder zumindest nicht täglich. Wir können Gemüse saisongerecht kaufen. Unseren Fleischkonsum einschränken – und zumindest vielleicht mal ausprobieren, wie es sich als Vegetarier oder Veganer lebt – und einiges davon vielleicht auch übernehmen. Kaffee aus fairem Handel ist pro Tasse nur ein paar Cent teurer als anderer. Jeder und jede kann für sich überlegen, welche Maßnahmen er oder sie in ihrem Leben umsetzen möchte – und manchmal stellt man fest, dass weniger mehr ist. Wir können auch politisch anders denken: muss ich vielleicht neu über Windräder nachdenken? Ist das St.Floriansprinizip immer die bessere Alternative? Wer hat die globale Welt im Blick, wenn ich das nächste Mal zur Wahl gehe? Welche Petitionen, welche Anliegen unterstütze ich? Sind Demos für mich eine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen? Der Möglichkeiten sind viele für die, die eine gerechtere Welt wollen.
Es wäre auch für Menschen angebracht, darüber nachzudenken, denen die Welt am Popo vorbeigeht. Wir leben in einer globalen Welt. Wenn wir anderen das Leben, das wir uns gönnen, nicht zugestehen: irgendwann überrennen sie uns dann vielleicht wirklich und holen sich das, was wir ihnen vorenthalten.

Sind Befürworter der Waffenlieferungen Kriegstreiber? Sind Pazifisten Putinfreunde?

Das, was sich unter Corona schon andeutete, verschärft sich ungemein: alle fallen übereinander her und beschimpfen sich gegenseitig, Argumente interessieren niemanden mehr. Die einen schimpfen über die, die Waffenlieferungen befürworten und werfen ihnen Kriegstreiberei vor. Die anderen schimpfen über die, die den Pazifismus verinnerlicht haben, als feige Nichtstuer auf dem Sofa, die schon den zweiten Weltkrieg verursacht hätten und schuld wären am Leid der Juden. Jeder glaubt, er hätte den Königsweg gefunden. In Talkshows hört man nur noch militärische Begriffe, jeder ist nun Panzerexperte, wer sich nicht öffentlich dazu bekennt, wird als mildschuldig am Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer bezeichnet. Dabei ist die Wahrheit doch viel vielschichtiger – und keiner, der aus echter Überzeugung argumentiert, macht es sich „leicht“. Herr Hofreiter von den Grünen hat es in einem Statement mal so ausgedrückt: ich habe Respekt vor denen, die nach Abwägung aller Argumente Pazifisten bleiben und Waffenlieferungen ablehnen, nur ich komme zu einem anderen Schluss.
Ich oute mich jetzt: ich bin gegen Waffenlieferungen. Ich glaube immer noch, dass mehr Waffen noch mehr Leid bringen und dass auch die russischen Soldaten, die sterben, ein Lebensrecht haben. Ich glaube allerdings auch, dass die Ukraine ein Selbstverteidigungsrecht hat und natürlich verurteile ich Putin als Aggressor. Und da ist schon mein Dilemma: wer sich selbst verteidigen muss, sollte die Möglichkeiten haben: und sei es entsprechende Waffen. Aber: Ich erkenne nicht, dass Waffen Frieden bringen könnten – und ich bin der Ansicht, dass wir längst auch Sanktionen vornehmen müssten, die unserer Wirtschaft schaden: das Geld, um das sozial (bitte nicht mit der Gießkanne) abzufedern könnte man aus dem jetzt beschlossenen Sonderfonds für die Bundeswehr nehmen. (Denn: es mangelt der Bundeswehr ja gar nicht an Geld, sie kann nur nicht damit umgehen, auch da sind die Gründe vielschichtig und systemimmanent.) Wir können russischen Soldaten eine goldene Brücke bauen und Asyl anbieten, damit Desertation nicht in ukrainischen Kriegsgefangenenlagern endet. Es gäbe noch eine Menge Dinge auszuprobieren, finde ich.
Pazifismus ist schwierig in Kriegszeiten, keine Frage. Aber in Friedenszeiten könnte man deutlich mehr tun, auch für den Weltfrieden, auch gegen solche Diktatoren wie Putin: nur, dass uns immer das Wirtschaftswachstum in die Quere kommt, es darf nichts kosten. Auch nach der Annexion der Krim haben „wir“ Geschäfte mit Russland gemacht und keinerlei Anstrengungen unternommen, die Abhängigkeiten zu verringern. Wir schauen weg, wenn Nato-Partner Kriege beginnen oder, wie Erdogan zurzeit, im Nachbarland Bomben auf Kurden schmeißen. Wir haben zugesehen, wie die USA auf Grund falscher Behauptungen Kriege angefangen haben. Wir haben uns – humanitäre Beiträge mal abgesehen – weitgehend rausgehalten, immer unsere Wirtschaft im Blick: was ist an diesem Krieg so anders, dass man alle Grundsätze über den Haufen schmeißen muss, nur den Blick auf die Wirtschaft nicht?
Pazifismus bedeutet, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, überall auf der Welt. Das kostet Geld, das geht an die eigene Bequemlichkeit. Pazifismus bedeutet, den Klimawandel im Blick zu haben und aufhalten zu wollen: das geht nicht, wenn man den Status Quo erhalten will.
Geschichte wird von Siegern geschrieben. Auch unsere. Wenn man genau hinschaut, dann kann man eine Menge kritisieren an der Aussage: das militärische Einschreiten der Alliierten hat Hitlerdeutschland beendet und den Frieden gebracht. Ja, wir hier, in Westdeutschland, haben im Frieden gelebt, lange Jahre. Im Osten Europas war das deutlich anders – es sei denn man definiert Frieden lediglich als Abwesenheit von Krieg. Auch da ist die Wahrheit deutlich vielschichtiger.
Ich verstehe jeden, der sagt: wir müssen Waffen liefern, damit die Ukraine gewinnen kann, denn Putin marschiert weiter. Ja, vielleicht tut er das: allerdings wären als nächstes Nato-Länder dran und da ist dann doch das Narrativ der Abschreckung? Ich verstehe auch jeden, der sagt, dass wir Waffen liefern müssen, um einen dritten Weltkrieg zu verhindern: auch da allerdings frage ich mich, ob das nicht gerade dazu führen könnte? Ich weiß es nicht.
Ich verstehe auch jeden, der sagt, wir müssen Waffen liefern, damit die Menschen nicht in einer Diktatur leben. Ja, auch da gehe ich mit: auch ich will nicht, dass die Ukraine eine Diktatur unter russischer Aufsicht wird. Ich sehe nur, dass wir vorher zugelassen haben, dass Menschen in Russland selbst oder in ehemaligen sowjetischen Republiken so leben müssen – und weiter nur unsere Wirtschaft im Blick gehabt haben.
Ich weiß nicht, was richtig ist. Ich sehe nur, dass Waffen keinen Frieden bringen – und ob sie Putin zurück an den Verhandlungstisch bringen, bezweifle ich: hoffe aber, dass ich Unrecht habe.

Worauf ich allerdings mit diesem Text hinaus will, ist folgendes: Niemand, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, macht es sich leicht. Niemand, egal, wie sein oder ihr Fazit sein wird, weiß, ob er oder sie recht hat. Es gibt so Entscheidungen, die immer falsch sind. So oder so.
Und daher wünsche ich mir etwas mehr Respekt von beiden Seiten. Denn eins ist klar, Menschen, die nicht einmal untereinander Frieden halten können, die den Respekt den Nächsten gegenüber verloren haben, die sind nicht geeignet Frieden zu schaffen, egal, auf welcher Seite sie stehen.
Es mag abgedroschen sein: aber Frieden fängt im Kleinen an. Wenn wir uns zerstreiten, ist das ein Sieg Putins.
Fangen wir wieder an, einander wirklich zuzuhören. Versuchen wir, einander zu verstehen: das muss man wollen. Versuchen wir, unsere Ansicht, unser Ringen darum, was richtig ist, zu erklären. Im Endeffekt wollen wir alle das gleiche: dass dieser Krieg aufhört, dass der Angriff auf einen souveränen Staat auch über ein Ende des Krieges hinaus Thema bleibt, geächtet wird und mit friedlichen Mitteln diese Ächtung auch zum Ausdruck gebracht wird. Dass die Ukrainer in ihre Heimat zurückkehren können als freie Menschen. Dass das Töten, dass sinnlose Sterben von jungen Männern und Frauen, die doch auch nichts anderes wollen als leben, endlich ein Ende hat.
Wir streiten über die Wege dahin: dass ist legitim. Aber wir sollten immer wissen, dass niemand sich die Entscheidung leicht macht, dass wir alle um den richtigen Weg ringen.
Das könnte unser Beitrag zum Frieden in der Welt sein. Lassen wir Putin nicht gewinnen.

Schwerter zu Pflugscharen – persönliche Gedanken zu Krieg und Frieden

Ich bin mit 17 das erste Mal auf die Straße gegangen, um für den Frieden zu demonstrieren. Im Rahmen des Krefelder Appells gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland. Es folgten viele friedensbewegte Aktionen und Demos, in Krefeld, in Bonn, an der Selfkant – überall, wo erreichbar etwas stattfand. Wir hatten ehrlich Angst vor dem Dritten Weltkrieg und vor Atomraketen und sangen Lieder vom Frieden ohne Waffen: überzeugt, dass das der einzige Weg ist, Frieden in die Welt zu bringen. Als dann Ende 1989 die Mauer fiel, völlig unmilitärisch, nach friedlichen Protesten, habe ich geweint: die Einteilung der Welt in Gut und Böse, in Schwarz und Weiß schien mir überwunden.


In den weiteren Jahren etablierten sich die USA als Weltpolizei, die darüber entscheidet, wer gut und wer böse ist, gerne auch mal mit Militärgewalt, gerne auch mal auf Grund von Lügen: wieder trieb es uns auf die Straße, im ersten Irakkrieg (1990) hängten wir weiße Betttücher aus dem Fenster als Zeichen, dass wir gegen diesen Krieg waren und morgens im Morgenmagazin konnten wir dem Krieg sogar zuschauen: Dieser Krieg war weit weg und doch irgendwie gruselig nahe, aber er ging uns im Prinzip „nur“ etwas an, weil wir immer noch auf den Weltfrieden hofften und glaubten, der größte Teil der Welt habe den Krieg überwunden. Gleichzeitig mische sich die „westliche Welt“ mit der NATO in den Jugoslawienkrieg ein in dem ohne Zweifel große Grausamkeiten geschahen: ob das Einschreiten der NATO irgendwas befriedet hat und ob er überhaupt gerechtfertigt war, wird bis heute auch von Völkerrechtlern bezweifelt. Dieser Krieg war uns wieder näher: war doch Jugoslawien Urlaubsort für viele Menschen, und als ich in einem Sommer Anfang der 90er in Lienz an der Drau stand, die ja Richtung Jugoslawien fließt, wurde mir das so richtig bewusst.


In Deutschland haben wir Frieden seit 1945. Wir waren zwar in Kriege verwickelt, hatten Minister, die sagten, man müsse Deutschland auch am Hindukusch verteidigen (welches Elend das ausgelöst hat, konnten wir ja nun vor kurzem gut erkennen), aber wir selbst wandten uns anderen Themen zu, durchaus auch wichtig: dem Umweltschutz, der Gerechtigkeit auch für die ärmsten Länder der Welt, der Frage, wo wir auf Kosten anderer lebten, dem Klimaschutz: auf die Straße gingen wir weiter, bis heute, die Zeit der großen Friedensdemos, die immer ausdrücklich auch Antikriegsdemos waren und den Rüstungswettlauf kritisierten, war vorbei.
Auch 2014, als Putin in die Krim einmarschierte, waren wir zwar entsetzt, ließen uns aber überzeugen, dass dort hauptsächlich Russen lebten, die gerne wieder zu Russland gehören wollten – und die wohl vielleicht auch in der Ukraine nicht sehr willkommen waren. Und auch das Verhalten der NATO war damals nicht ok, so dass wir uns lieber nicht zu einseitig positioniert haben.


Vor einer Woche ist Putin vom Verhandlungstisch aufgestanden und hat seine Truppen Richtung Ukraine in Bewegung gesetzt, wohl in dem Glauben, dass die Ukrainer in Scharen zu ihm überlaufen.
Und ich sitze jetzt hier, fühle mich in die 80er zurückversetzt und frage mich, ob das ganze „Frieden schaffen ohne Waffen“ nur eine naive Träumerei ist, ob Pazifismus zum Untergang führt.


Vorab: ich habe jedes Verständnis dafür, dass die Ukrainer sich verteidigen. Auch wenn ich nicht durchblicke ob und wenn ja wie großen Anteil die Ukraine an diesem Krieg hat: nichts rechtfertig den Einmarsch in ein unabhängiges Land. Ich glaube dennoch, dass Pazifismus der einzige richtige Weg ist. Konventionelle Kriege können keine Lösung mehr bieten. Und Atomkriege – die würden uns alle vernichten.


Ich glaube, dass wir jetzt nicht anfangen sollten, Waffen in Krisenherde zu liefern, im Glauben, „die Guten“ zu unterstützen, auch wenn ich verstehe, warum dies geschieht: Jede Waffe generiert mehr Tote, und je mehr Menschen sterben, desto unmenschlicher wird der Krieg. Ich glaube auch nicht, dass wir jetzt anfangen sollten, Deutschland aufzurüsten und die Bundeswehr neu aufzustellen. Ich glaube, wir müssen das Geld in die Hand nehmen für die Friedensarbeit, für Gerechtigkeit, für Klimaschutz: da, wo Menschen frei und in Frieden leben können und nicht um ihr Auskommen fürchten müssen, da, wo Menschen in der Lage sind, nicht auf jeden Populisten reinzufallen, da, wo Gleichheit und Gerechtigkeit für alle verwirklicht wird ist kein Nährboden für Krieg. Dazu gehört aber auch, dass ich mir überlegen muss, wie mein konkretes Leben aussehen muss, damit diese Gerechtigkeit verwirklicht wird. Dazu gehört auch, dass mir klar wird: solange wir von Diktatoren wirtschaftlich abhängig sind, weil wir ihr Gas und ihr Öl nutzen, so lange werden sie ihr Spiel mit uns treiben und wir werden weiter schweigen zu Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung.


Ja, es kann sein, dass sich mein Leben grundlegend ändern muss. Dass die Zeit des friedlichen Wohlstandes vorbei ist. Schließlich gibt es auch bei uns Menschen, die wir mittragen müssen, wenn es finanziell schwierig wird.
Ich bleibe dabei: Waffen schaffen keinen Frieden. Gerechtigkeit und Klimaschutz sind der einzige Weg.
Dafür will ich mich weiter einsetzen. Für diesen Frieden gehe ich weiter auf die Straße.

Zwischen den Jahren – Betrachtungen

Rauhnächte nannte man diese Zeit früher: der Vorhang zwischen unserer Welt und der Anderswelt sei besonders dünn, so die Sage, und daher treiben Unholde sich in unserer Welt rum und treiben ihren Spaß mit den Menschen.

Zwischen den Jahren: eine Zwischenzeit, eine Anderszeit, so empfinden es sicher viele: Zeit des Rückblicks aber auch des Blickes in die Zukunft…

 „Glauben Sie wirklich Gott und an das ewige Leben“ – diese Frage stellen Angehörige von Verstorbenen gerne, wenn sie selbst kirchenfern für ihre Eltern oder andere Angehörige eine kirchliche Beerdigung wünschen – weil diese das so gewollt hätten.

Für mich immer wieder neu, darüber nachzudenken, woran ich wirklich glaube. Und ja, ich glaube, dass es irgendwie weitergeht nach dem Tod, und ich glaube auch, dass wir irgendwie verbunden bleiben mit den Menschen, die wir hier auf Erden geliebt haben. Durch die Erinnerung, durch die Liebe, die wir durch sie empfangen durften oder mit der wir sie geliebt haben. Durch ein Band, dass im Leben geknüpft wird und der Tod nicht trennen kann. Ich stelle mir gerne eine Lichtung vor, auf der anderen Seite des Flusses, wo die Menschen mit Gott zusammenleben im immerwährenden Frieden.

Und ja, ich weiß, dass das nur eine Vorstellung ist, eine Projektion meinerseits. Vielleicht ist alles ganz anders. Niemand, auch der Frömmste egal welcher Religion, weiß, was mit uns passiert, wenn wir sterben. Aber ich glaube, dass wir alle von Gott gewollt sind und daher weiterleben werden.

Ich glaube nicht an einen personalen Gott, der in die Welt eingreift, der Menschen krank macht oder gesund, der die einen sterben lässt und die anderen Leben, die einen siegen und die anderen verlieren. Aber ich glaube an ein göttliches Wesen, das Vater und Mutter gleichzeitig ist, dass uns trägt, wenn wir den Boden unter den Füßen verlieren, das bei uns ist, wenn wir Angst haben, wenn wir nicht mehr weiterwissen und uns stärkt, wenn wir in der Dunkelheit uns zu verirren drohen.

Und ich glaube, dass es unwichtig ist, ob und wie wir an Gott glauben: er glaubt an uns.

Und so wünsche ich mir und allen, die dies hier lesen, dass wir getragen in das neue Jahr gehen können und trotz aller Dunkelheit um uns her das Licht der Hoffnung erkennen.

Tag der Menschenrechte im Advent 2021

Europa – und allen voran Deutschland – bekennen sich zu den Menschenrechten. Dazu gehören verschiedene bürgerliche und politische Freiheitsrechte und Beteiligungsrechte sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Unter anderem hat jeder Mensch ein Recht auf Leben, Gesundheit, Arbeit und Wohnen, auf Bildung, auf Gleichheit vor dem Gesetz, hinzu kommen das Verbot der Folter und die Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und die Religionsfreiheit. Seit 2010 ist auch Zugang zu sauberem Wasser ein Menschenrecht. Zurzeit wird diskutiert, ob es ein Recht darauf geben soll, in sauberer Umwelt zu leben.

So weit, so gut. Gleichzeitig spielen sich an Europas Außengrenzen Dramen ab, bei denen alle diese Rechte, allen voran das Recht auf Leben, mit Füßen getreten werden: an der Grenze zwischen Polen und Belarus, in den griechischen Lagern, auf dem Mittelmeer: überall sterben Menschen, erfrieren, ertrinken, verhungern, sterben an fehlenden Zugang zur Gesundheitsfürsorge und an vermeidbaren Erkrankungen, die auf mangelnde oder gar nicht erst vorhandene sanitäre Einrichtungen etc. zurückgehen.
Von Arbeit, Wohnen, Bildung und so weiter gar nicht erst zu reden. Auch die Pressefreiheit wird mit Füßen getreten und Journalisten die Berichterstattung gewährt.

Und wir? Wir bereiten uns auf Weihnachten vor, auf das Fest des Friedens, der Familie, auf das Fest, an dem der Erlöser und Friedensfürst, wie Christen glauben, Mensch wird.

Aber was können wir tun, werden Sie und Ihr jetzt zurecht fragen. Mir fällt da gerade so einiges ein: Organisationen unterstützen, die vor Ort Hilfe leisten wie z.B. Sea-Watch oder Ärzte ohne Grenzen. Petitionen unterschreiben. Unterschriften sammeln. Mails und Briefe an Entscheidungsträger schicken.

Und, ganz wichtig: den Mund aufmachen, wenn Menschen richtig finden, was da passiert, wenn sie von „selbst schuld“ reden, von Sozialtourismus und ähnlichen Dingen: Kein Mensch begibt sich in Lebensgefahr um zwei Cent mehr in der Tasche zu haben. Diese Menschen wollen nichts anderes als das, was ihnen zusteht: die Wahrung ihrer Menschenrechte, ein Recht auf Leben und Gesundheit, Arbeit und Wohnen, auf Bildung, Gleichheit vor dem Gesetz, kurz gesagt auf eine menschenwürdige Zukunft.

Wenn wir den Mund aufmachen, nicht um jemanden niederzuschreien, sondern mit sachlichen Argumenten, wenn wir denen hörbar entgegentreten, denen das Schicksal der Geflüchteten bestenfalls egal ist und die oft auch mit falschen Fakten agieren, dann tragen wir dazu bei, dass mehr Menschen ein Lebensrecht bekommen.

Und wenn wir unseren Lebensstandard und unsere Gewohnheiten daraufhin überprüfen, welche negative Auswirkung auf das Leben anderer Menschen dadurch bedingt sind und wie wir das ein oder andere ändern können, dann ist das ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Dann tragen wir mit dazu bei, dass die Menschheit das verwirklicht, wozu sie sich bekannt hat: zur Einhaltung der Menschenrechte.

Gedanken zu St.Martin

Niederrhein. Heute ist St. Martin. Überall ziehen, zumindest in diesen Breiten hier, Martinszüge durch die Städte, und die Story vom Teilen wird Kindern nahegebracht: trotz Eiseskälte hat St. Martin seinen Mantel geteilt mit dem armen Bettler am Straßenrand (man kann darüber diskutieren, ob er es durfte oder ob es ihm sogar leicht viel, weil der Mantel seinem Arbeitgeber gehörte, aber sei es drum 😉 ).

Marin von Tours hat es wirklich gegeben – wieviele der Geschichten, die über ihn erzählt werden, einen Wahrheitsgehalt haben, weiß niemand so genau. Sulpicius Severus, einer seiner Weggefährten, schrieb einige Begebenheiten seines Lebens nieder. Sicher ist: Martin war vor Ablauf seiner Soldatenzeit ein hochrangiger Militär und hat, als er Christ wurde, versucht, vorzeitig aus dem Armeedienst auszusteigen. Sein Ziel: den Menschen zu helfen.

Ortswechsel: Grenze zwischen Polen und Belarus. Viele verzweifelte Menschen versuchen, an der Grenze in die EU zu gelangen, um einen Asylantrag stellen zu können. Sie kommen aus Afghanistan, aus dem Irak, und sie wollen eins: in Sicherheit leben können. Polen tut alles, die Flüchtlinge zu vertreiben, und geht dabei noch weiter, als es bisher üblich ist: neben illegalen Pushbacks, die von Amnesty International dokumentiert sind, wird ihnen Wasser und Nahrungsmittel verweigert und insbesondere auch die ärztliche Versorgung. Die Dokumentation vor Ort ist schwierig, weil auch Anwält:innen und Journalist:innen der Zugang blockiert wird, trotz einer eindeutigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Aber manches dringt eben doch durch: Anwohner der dünnbesiedelten Zone erzählen von verhungernden Menschen, von dünnen Pullovern in Eiseskälte und schrecklichen Zuständen. Einer der Toten war Gailan Ismail, 26 Jahre alt, aus dem Irak: er starb, weil ihm medizinische Hilfe verweigert wurde. Er war auf dem Weg zu Verwandten nach Krefeld, wo er ein neues, sicheres Leben anfangen wollte.

Ortswechsel: EU. Die Politikerinnen und Politiker der EU gucken nicht weg. Sie schauen hin, debattieren und stellen dann fest: Polen soll fest bleiben, Lukaschenko soll aufhören, die Flüchtlinge zu schicken, und auf keinem Fall will man sich von ihm erpressen lassen. Das die Menschenrechte auch von Polen und somit von der EU mißachtet werden, dass das europäische Asylrecht ausgehebelt wird, wenn man die Menschen mit Gewalt davon abhält, europäischen Boden zu betreten – wen interessierts? Menschen werden zum Spielball politischer Kräfte. Sie werden quasi entmenschlicht, die Sprache, auch in den Medien, ist schon wieder entsprechend: von Flüchtlingsströmen ist die Rede, von Ansturm, von Durchbruch…

St. Martin teilt den Mantel mit dem Bettler. Das christliche Europa feiert ihn, heute. Während dessen lassen wir Menschen an unseren Grenzen erfrieren. Und die, die, zumindest im Internet, laut schreien, dass St. Martin St.Martin bleiben muss, tönen mit Blick auf die frierenden Menschen dort an der Grenze: „Wer sich in Gefahr begibt kommt darin um“.

Die Botschaft von St. Martin spielt da keine Rolle mehr: wir beschränken Teilen und Mitgefühl auf Folklorefeste.

(Quellen: z.B. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/polen-belarus-migranten-durchbruch-grenzsicherung-russland-100.html; https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-belarus-123.html; https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/polen-belarus-afghanische-asylsuchende-rechtswidrige-push-backs; Seebrücke Krefeld)

Worte statt Wörtern

Ich bin ja Christin. Und ich befasse mich regelmäßig mit den Texten der katholischen Sonntagsliturgie. Letzen Sonntag war das Evangelium an der Reihe, in dem Jesus einen Taubstummen heilt. Der Schlüsselsatz in meinen Augen ist folgender: „Jesus seufzte und sagte zu ihm Effata, das heißt: öffne Dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden“ (Mk 7,34bf)

Mir kam in den Kopf, dass ich immer wieder feststelle: wenn mir die Worte fehlen (und die Ereignisse der letzten Zeit: der Blick nach Afghanistan, auf den Klimawandel, auf den Wahlkampf und Querdenker, z.B. führen dazu), wenn ich nichts mehr hören oder lesen will weil ich es nicht ertrage, dann prodziere ich Wörter – weil ich eigentlich sprachlos bin.

Mit diesen Gedanken habe ich folgenden Text geschrieben:

Wenn mir Worte fehlen
stürze ich mich auf Wörter
Wenn mir alles zu viel wird
verschließe ich meine Ohren
Ich will nichts mehr hören
Ich kann nichts mehr sagen
Hilflos drifte ich durch die laute Stille


Aus meinen Wörtern
sollen Worte werden
Meine Ohren will ich öffnen
hinhören und zuhören
Meine Augen nicht verschließen
sondern hinsehen


Dann wird meine Hilflosigkeit
sich wandeln
ich werde hören und sehen
wo Hilfe nottut
ich werde Worte finden
die aufrütteln
trösten
helfen  



Antikriegstag

1. September 1939 (also heute vor 72 Jahren): Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen hieß es – und hinter dieser Floskel verbarg sich der Angriff auf Polen.
Heute ist Antikriegstag in Deutschland. Ein Anlass, mal wieder über den Frieden nachzudenken: „Frieden (von althochdeutsch fridu „Schonung“, „Freundschaft“) ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg. Frieden ist das Ergebnis der Tugend der „Friedfertigkeit“ und damit verbundener Friedensbemühungen. Friede ist im heutigen Sprachgebrauch der allgemeine Zustand zwischen Menschen, sozialen Gruppen oder Staaten, in dem bestehende Konflikte in rechtlich festgelegten Normen ohne Gewalt ausgetragen werden. Der Begriff bezeichnet einen Zustand in der Beziehung zwischen Völkern und Staaten, der den Krieg zur Durchsetzung von Politik ausschließt.“ (Auszug aus Wikipedia)

Was bedeutet das für uns hier in Deutschland und in der ganzen Welt? Nun, seit Kriegsende hat es auf deutschem Boden keinen Krieg mehr gegeben. Ob man die Zustände in der ehemaligen DDR unter obige Definition packen kann, darüber maße ich mir kein Urteil an: die damalige Staatsführung jedenfalls hat es wohl so gehalten. Allerdings ist Frieden ja deutlich mehr als nur die Abwesenheit von Krieg – und da sehe ich die Querdenkerdemos auf unseren Straßen, höre die Menschen, die sich diskriminiert fühlen, weil sie sich nicht impfen lassen möchten, und sehe den Hass auf Geflüchtete (und ja, auch Krawalle des sogenannten schwarzen Blockes, wenn auch meist weniger lebensgefährlich für einzelne Menschen, schließe ich da bewusst nicht aus).

Die Sprache wird rauer, in den sozialen Netzwerken, aber auch im realen Leben. Im Bundestag sitzen Menschen, die allen Ernstes behaupten, wir lebten in einer Diktatur. Es gibt den strukturellen Rassismus, und er fällt uns gar nicht immer auf. Dies und viele weitere Anzeichen deuten darauf hin, dass es mit dem Frieden noch nicht so richtig klappt bei uns.

Der Blick in die Welt zeigt dann dramatisch: friedlich ist sie nirgends. Und immer noch werden Vorwände genutzt, um Krieg zu führen, und die eigentlichen Gründe (die meist aus Machtstreben, Zugang zu strategisch wichtigen Orten oder Bodenschätzen bestehen) werden so vorsichtig verschleiert.

Was aber kann ich tun (außer vielleicht beten?). Nun, ich kann, so kurz vor der Bundestagswahl, Wahlprogramme und Kandidatinnen und Kandidaten darauf abklopfen, ob ihre Vorstellungen und politischen Werte friedensfördernd sind (Stichworte: Klimawandel, soziale Gerechtigkeit, Migration…)

Und ich kann mein eigenes Leben überprüfen: trage ich zum Frieden in meinem Umfeld bei? Oder hab auch ich Gewohnheiten, die dem entgegenstehen. Wie begegne ich meinem oder meiner Nächsten, und zwar nicht nur denen, die ich mag oder mit denen ich mehr oder weniger notgedrungen auskommen muss sondern auch denen, die ich nicht leiden kann. Oder die mein Leben stören – gefühlt oder aber auch real…

Friede kann ausstrahlen und sich weiter fortsetzen. Grundlage für alles ist die Liebe zu den Menschen. Studien haben herausgefunden (aber da braucht man eigentlich keine Studien zu) dass aus Kindern, die sich geliebt fühlen dürfen, meist emphatischere und den Menschen zugewandtere Erwachsene werden als aus Kindern, die diese Liebe nicht oder nur sehr selten spüren. Bei Liebe und Frieden funktioniert das Schneeballsystem durchaus. 

Das Bild zeigt die – reparaturbedürftige – Friedensglocke in Mösern in Tirol

7

in Worten: sieben

Die Zahl des Tages

Ich bin sprachlos

Menschen rennen um ihr Leben

hängen sich an Flugzeuge

fallen runter, sterben.

640 im überfüllten US-Transportflugzeug

Die Bundeswehr rettet 7

Die waren berechtigt

Auffüllen mit denen die da sind?

Es braucht Visa

Und den richtigen Arbeitgeber

Deutschland kann nicht alle retten

Und wer überhaupt schafft es noch

Der Flugplatz ist fast nicht mehr zu erreichen

Wer für Deutsche gearbeitet hat

Wird als Verräter angesehen

Verrätern droht die Todesstrafe

Deutschland lässt sie sterben

Ich bin sprachlos

Die Zahl des Tages

7