Tag der Deutschen Einheit Nr. 32

Heute ist Tag der Deutschen Einheit. Wieder wird in offiziellen Veranstaltungen die Einheit beschworen. Eine Einheit, die sehr zwiespältig ist. Sicher haben die Bürgerinnen und Bürger sich damals mit großer Mehrheit dazu entschieden, sich der Bundesrepublik anzuschließen: wie mir sächsische Freunde erzählt haben, ging es da um Themen wie DM und Maiglöckchenseife und man glaubte an das gelobte Land Bundesrepublik, dass es so sicher nie gegeben hat: Aber im Westen gab es Reisefreiheit, echte Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, und keine Bespitzelung durch Nachbarn und die eigenen Freundinnen und Freunde, es gab alles, wirklich alles zu kaufen (dass auch im Westen das Geld nicht auf der Straße lag, nun, das war vom Osten her wohl nicht so deutlich zu erkennen).

Die Politik hat dann versucht, eine Einheit zu schaffen: Westdeutsche Städte und Arbeitnehmer mussten (und müssen teilweise noch) einen Solidaritätszuschlag Aufbau Ost zahlen, zunächst befristet, dann immer wieder verlängert, der aber nicht immer sinnfüllend ausgegeben wurde und eher so im Gießkannenprinzip verteilt: das Geld fehlte im Westen und wurde im Osten teilweise für Projekte angelegt, die mehr oder weniger überflüssig waren. Im Ruhrgebiet fielen in Schulen Fenster aus dem Rahmen, im Osten gab es supersanierte Orte und daneben eine Menge Lost Places, letztere durchaus auch Soli-finanziert.

Gehälter und Renten sind bis heute nicht angeglichen. In der Lausitz wird Braunkohle abgebaut ohne Rücksicht auf Verluste – nun, da kommen wir der Einheit schon näher, im Rheinischen Braunkohlegebiet sieht es nicht viel besser aus. Alles in allem waren jedenfalls die staatlichen Bemühungen, eine Einheit zu schaffen, manchmal eher kontraproduktiv und sind es bis heute.

Auch nach 30 Jahren ist eine Einheit nicht wirklich erkennbar, manchmal glaubt man, es driftet alles eher wieder auseinander, gerade jetzt, wo der frühere „große väterliche Bruder“ Russland die Ukraine überfallen hat. Die Zustimmung zu Sanktionen der Bundesregierung und der EU ist im Westen Deutschlands deutlich höher als im Osten, und auch auf anderen politischen Gebieten gibt es Unterschiede. 20 – 30 % der Ostdeutschen geben an, die AfD wählen zu wollen, eine Partei, die klar faschistische Züge zeigt, rassistisch ist und den Klimawandel leugnet und vollstes Verständnis für Russlands „Militäroperation“ hat und die Sanktionen als „weiteren Versuch“ ansieht, die deutsche Bevölkerung zu eliminieren. Gleichzeitig kündigt ausgerechnet der ostdeutsche Braunkohleverstromer Leag an, in Zukunft ohne Braunkohle doppelt so viel Energie zu liefern, während das RWE in Nordrhein-Westfalen an der Braunkohle festhält.

Deutsche Einheit: ein schwieriges Thema von Anfang an und bis heute. Aber was für eine Einheit erwarten wir denn eigentlich? Gibt es die Einheit im Westen? Was haben NRW und Bayern wirklich gemeinsam? Vielleicht müssen wir die Einheit anders denken. Entgegen der Ansicht vieler eher rechts der Mitte angesiedelter Menschen gibt und gab es eine innere deutsche Einheit nie. Wir sind von Haus aus ein Vielvölkerstaat. Einen Einheitsbrei daraus zu machen mit gleichen Traditionen und „Werten“ wird uns nicht gelingen. Vielleicht sollten wir endlich aufhören, in Ost-West-Kategorien zu denken. Wenn 25 % Sachsen die AfD wählen, dann wählen 75 % nicht die AfD, dann sind es nicht „die Sachsen“. Wir sollten das positive ansehen, dass es überall gibt, und das betonen, belobigen, fördern. Vielleicht ergibt sich dann eine Einheit in Vielfalt unter einem gemeinsamen Dach.

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