St. Martin und das Teilen

Heute (und in den letzten und den kommenden Tagen) ziehen wieder Martinszüge durch das Rheinland. Sie werden von vielen instrumentalisiert: Die armen Kinder, die das nicht durften wegen Corona, die blöden „Woken“, die daraus einen Lichterzug machen wollen, die dummen Christen, die hier ihre Heiligenverehrung auf alle aufdrücken wollen etc. pp (alles Kommentare und Beiträge, die ich in den letzten Tagen gelesen habe).
Fällt irgendwo ein Zug aus, weil sich niemand findet, ihn zu organisieren, schimpfen alle darüber, dass man den Kinder Traditionen wegnimmt (sich selber entsprechend zu engagieren scheint aber keine Option zu sein) und schiebt auch das auf die „Umvolkung“, die unsere Regierung vornimmt.
Ach, und dann gibt es tatsächlich auch Eltern, die es eine Zumutung finden, dass ihre Kinder da mitgehen müssen, Leute, die auf Tüten geiern und sich nachher über den Inhalt beschweren, aber dankend abwinken, wenn Sammler gesucht werden – ich könnte die Liste endlos fortsetzen.
Worum aber geht es wirklich? Es geht ums Teilen. Die (legendäre) Begegnung des Heiligen Martin von Tour, der ja geschichtlich verbirgt ist, mit dem frierenden Bettler zeigt vor allem eins: dem Soldaten wurde plötzlich klar, dass es Menschen gibt, denen es schlechter geht als ihm, und spontan gab er ihm den halben Mantel ab – wohl wissend, dass er selbst jetzt nur noch den halben Kälteschutz hatte, der aber ausreichen würde, nicht zu erfrieren. Und genau darum geht es: ums Teilen, auch dann, wenn es wehtut – nur deshalb, weil der oder die andere deutlich schlechter dran ist als man selbst.
Nun können wir (und viele tun es auch) z.B. unsere Schränke durchforsten, schauen, was man vielleicht nicht wirklich braucht oder mehrfach vorhanden ist, und es über Kleiderkammern weitergeben. Im Kindergarten unserer Kinder stand immer zu St. Martin eine Kiste der Rumänienhilfe der Feuerwehr als Spielzeugsammlung: da kam dann auch schon mal das Lieblingsstofftier rein, weil die Kinder begriffen haben, worum es geht. Süßigkeiten wurden gesammelt für Kinder- und Flüchtlingsheime – auch da überlegten die Kinder bereits, nicht das reinzutun, was sie eh nicht mochten, sondern das, was sie lecker fanden: die Kinder, die das bekamen, sollten schließlich was Leckeres bekommen. So lernten die Kinder schon früh, worauf es beim Teilen ankommt.
Heute meckern viele darüber, dass Hilfsgelder per Gießkannenprinzip ausgegeben werden. Wer der Meinung ist, er hat seine Entlastung nicht unbedingt nötig, könnte darüber nachdenken, ob jemand anderes es vielleicht eher braucht. Tafeln und andere caritative Einrichtungen haben besondere Fonds eingerichtet: man kann sein Energiegeld spenden, damit andere sich das Heizen noch leisten können.
So gibt es der Möglichkeiten viele. Und wenn wir uns in diesen Tagen an den Martinszügen erfreuen, sollte das in unserem Kopf mitgehen: Soziale Kälte lässt sich überwinden, wenn jeder, der was hat, davon abgibt an die, die nichts haben. Vielleicht führt das auch zu mehr Frieden in unserer Gesellschaft. Dann, genau dann, hat St. Martin seinen Sinn nicht verloren, dann ist es nicht nur ein schöner Lichterzug, sondern eine Botschaft des Teilens.

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