Gedanken zu den Kar- und Ostertagen: Karfreitag 2020

Heute ist alles anders als sonst. Der „stille“ Karfreitag ist so still wie alle Tage vorher und auch nachher: Restaurants, Cafés, Kino, Freizeiteinrichtungen: längst geschlossen. Geschäfte – die meisten haben zu. Sogar Spielplätze sind zu, Treffen mit mehreren Personen verboten: stiller, als jeder stiller Feiertag sonst sein könnte.

Und vielen Christen fehlt etwas: der Gottesdienst, in dem die Passion Christi bedacht wird, traditionell oder modern, im Kreuzweg in der Kirche oder auch in einer Prozession, etwa auf die Halde.

Aber die Passion bedenken kann man auch ohne Gottesdienst. Vielleicht kommen einem sogar ganz neue, eigene Gedanken – die einem durchaus weiterhelfen können

Wir bedenken die Passionsgeschichte normalerweise aus 2 Richtungen – der momentanen, also dem Leiden und Sterben und, davon kann sich keiner freisprechen, aus der Osterperspektive.

Deshalb möchte ich hier auch zu beidem etwas bemerken, denn es gehört zusammen:
Die Theologen streiten sich, wie das „Jesus starb für unsere Sünden“ zu erklären ist, zu verstehen ist und ob man das überhaupt so sehen darf. Für mich war immer schon ein völlig anderer Aspekt viel wichtiger: Jesus ist seinen Weg konsequent gegangen bis in den Tod. Er hat das getan, was ihm wichtig war: Gottes Wort als frohe Botschaft (nicht als Drohbotschaft, das ist ja gerade das Neue, Schöne!) verkündet und bedingungslose Gottes- und Nächstenliebe nicht nur gepredigt, sondern auch praktiziert. Gerade dies letztere, dass Er lebte was Er sagte, war ja das, was die Menschen um ihn faszinierte – und was ihnen Angst machte: da war einer, der predigte nicht Wasser, um selbst Wein zu trinken – er hatte überhaupt nichts gegen das gute Leben, solange es aus dieser Liebe heraus keinem anderen schadet. Er war ganz Mensch: er hatte Angst vor dem Sterben, er war verletzt, als seine engsten Freunde nicht bei ihm warteten, sondern einschliefen, aber er hatte die Hoffnung, dass es stimmt, was er predigte: dass Gott ihn nicht hängen lassen würde. Trotz seines Todes. Das ist für mich die Botschaft der Passion schlechthin (ja, möglicherweise nicht gut katholisch, aber dennoch): das Jesus sich nicht hat Abschrecken lassen von den Widrigkeiten des Lebens, von seinen Gegnern, ja, von dem Tod: er hat die Wahrheit gelebt, konsequent bis zum Ende.

Und da kann er uns Vorbild sein, ein Vorbild, was uns nicht erdrückt, sondern erhebt: Wir dürfen hoffen auf die Zukunft bei Gott, egal, was uns in dieser Welt widerfährt. Dabei will ich gar nicht sagen, der Tod ist egal, weil nach dem Tod ist alles besser. Auch, wenn ich an ein Leben bei Gott glaube: dazu ist mir das Leben auf dieser Erde viel zu wichtig. Und wenn es das nicht wäre: warum sollte Gott den Menschen erschaffen haben? Wir sind kein Spielzeug, wir sind das Ebenbild Gottes in dieser Welt. Aber das Vorbild Jesu hilft mir, konsequenter zu sein. Mich Anfeindungen entgegenzustemmen, zu tun, was ich glaube, dass es auch getan hätte.

Das ändert nichts daran, dass ich durchaus meine Bequemlichkeit dem, was eigentlich zu tun wäre, vorziehe. Dass ich manchmal resigniere und meine, eh nichts ausrichten zu können. Dass ich manchmal die Freundin bin, die schläft – und manchmal der Pharisäer, der da, wo es konkret wird, wegsieht. Es ändert nichts daran, dass ich manchmal die Regeln über den Menschen stelle, wo doch umgekehrt richtiger wäre. Aber: es ändert etwas an meiner Einstellung. Ich kann mein Tun immer wieder überprüfen, neujustieren und ändern. Auch, wenn es vielleicht nur vorübergehend ist. Denn das ist das Schöne am Christsein: ich kann jeden Tag umkehren, immer wieder neu.

Und wem jetzt der Gottesdienst mit Passionslesung fehlt:
Lest sie doch, Ihr findet sie in der Bibel z.B. unter Johannes 18 folgende (die wird in der katholischen Kirche meines Wissens immer an Karfreitag gelesen), Markus 14 ff, Lukas 22 ff und Matthäus 26 ff.
Vielleicht mit verteilten Rollen, wenn Ihr zu mehreren seid, so werde ich es mit meinen Eltern machen. Und vielleicht wird aus Eurem Karfreitag dann doch noch ein richtiger Karfreitag: Gottesdienst geht auch mit wenigen. Und für die Katholiken unter Euch, die vielleicht Bedenken haben: Karfreitag „geht“ auch ohne Priester. Auch zu normalen Zeiten.

Gedanken zu den Kar- und Ostertagen: Gründonnerstag 2020

In der katholischen Kirche wird erstaunlicherweise an Gründonnerstag das Evangelium der Fußwaschung gelesen, nicht das des letzten Abendmahles, obwohl an diesem Tag genau darum geht: das letzte Abendmahl, bei dem Jesus uns Christen auffordert, in der Erinnerung an ihn gemeinsam Mahl zu halten, für Katholiken die Einsetzung der Eucharistie.

Sicher, die Fußwaschung gehört dazu. Wenn man in Judäa zu einem Treffen ging oder nach Hause kam, dann wurden, erst recht vor einem Mahl, zunächst die Füße gewaschen, waren die Straßen doch staubig und feste Schuhe unbekannt.  Allerdings hatte man in den besseren Häusern dafür Diener, man machte sich selbst die Hände nicht schmutzig. Es war sicher kein gehobener Dienst, jemandem die Füße zu waschen, sondern eher am unteren Ende der Dienstskala angesiedelt.

Und jetzt das ungeheuerliche: Jesus, der Herr und Meister, den die Jünger Rabbi nennen, der tut diesen Dienst für seine Jünger. Er hockt sich vor sie hin, wäscht ihre Füße, ganz, als wäre er ihr niederrangigster Diener. Ich finde das sehr eindrucksvoll, zeigt es doch eigentlich die Quintessenz aus Jesu Leben: der Dienst am Menschen steht im Mittelpunkt, nicht die Stellung, die man einnimmt. Es gibt keinen Dienst, der zu gering ist, als dass man ihn seinem Mitmenschen tun kann. Jesus ist sich für nichts zu schade. Und das lässt mich auf unsere jetzige Situation schauen: es gibt eine Menge Menschen, deren Dienst wir im normalen Leben nicht wirklich bemerken: Fachpflegekräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Müllwerkerinnen und -werker, Briefträgerinnen und Briefträger, Paketboten, Reinigungskräfte – jeder und jede von Euch und Ihnen wird die Liste leicht ergänzen können, denn jetzt bemerken wir sie, und wir merken, wie wichtig all diese Menschen für unser Leben sind. Menschen, denen wir sonst die lebensnotwendige Anerkennung nicht zollen, bei deren Beruf oft ein „nur“ davorsteht, zumindest in Gedanken, oder die wir, nehmen wir die Lehrer, alle gerne beschimpfen, weil wir es doch besser könnten…

Wenn wir also das Evangelium von der Fußwaschung lesen, dann zeigt es uns: alle Menschen sind gleich. Es gibt keine „niederen Dienste“, jeder trägt an seiner Stelle zum Gemeinwesen bei, er und seine Dienste sind gleichwertig mit den Berufen, denen wir Anerkennung zollen, ja vielleicht sogar wertvoller. Wenn wir das lernen und beherzigen, dann haben wir viel verstanden. Und ganz vielleicht führt das dann ja auch dazu, dass diese unverzichtbaren Menschen endlich besser bezahlt werden?

Nocheinmal zum Kern des heutigen Tages, dem Abendmahl. Sicher schmerzt es nicht nur mich, dass wir nicht gemeinsam Mahl halten können, heute, an Gründonnerstag, dem Tag, an dem mich als Kind schon die Worte unseres Priesters: „und das ist heute“ fasziniert haben: weil es Jesus und Jesu Leben mehr als alles andere hineinholt in unsere Welt.

Wir können das Abendmahl dennoch begehen. In dem wir vielleicht im Brief des Paulus an die Korinther lesen: (1 Kor 11,23-26)

Schwestern und Brüder! Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde,
Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte:
„Das ist mein Leib für euch.
Tut dies zu meinem Gedächtnis!“
Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch
und sagte:
„Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut.
Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!
Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt,
verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“

Und dann Brot und Wein, oder Traubensaft, segnen, wenn nicht alleine sind, teilen und genau das tun, was Jesus uns aufgetragen hat – egal, ob wir nun evangelisch oder katholisch sind.

Wir können Mahl halten in Seinem Gedenken – und das sollten wir auch tun.