8. März. Weltfrauentag. Braucht man diesen Tag heute noch? In  Deutschland? Die hiesige Lokalzeitung stellt an solchen Tagen gerne mal Frauen vor als „die starken  Frauen Krefelds“ – allesamt Frauen in Führungspositionen. Aha. Das also  sind starke Frauen. 
 Für mich sind starke Frauen nicht in Führungspositionen zu finden, sondern an völlig anderen Orten.
 Die Reinigungskraft, die nebenbei noch Haushalt und Kinder managet und dennoch positiv durchs Leben geht.
  Die Mutter, die neben Arbeit und Familie auch noch die alten Eltern  oder Schwiegereltern pflegt, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit.
  Die alleinerziehende Mutter, die zugunsten von Vollzeitarbeit und  Kindern weitgehend auf ihr Privatleben verzichtet, um den Kindern  möglichst viel Zeit und Liebe zu geben.
 Die Hausfrau, die neben  Kindern, Haushalt, Rückenstärkung des Mannes ihre „Freizeit“ damit  verbringt, ehrenamtlich für andere da zu sein.
 Die Pflegefachkraft mit Billiglohn, die ihre Überforderung nicht an den Patienten oder Bewohnern auslässt.
  Die Erzieherin, die auch mit 50 noch auf die Kinder eingeht und sie für  ihren Weg ins Leben stärkt, obwohl sie der Arbeit eigentlich nicht mehr  gewachsen ist.
 Diese Liste über Frauen in Krefeld bzw. Deutschland könnte ich endlos fortsetzen.
 Und dann gibt es noch die starken Frauen dieser Welt. 
 Die Mütter in der Ukraine, die die Einberufungsbescheide ihrer Söhne verbrennen. 
  Die Mütter der Plaza Mayo in Argentinien, die immer und immer wieder  auf die Straße gegangen sind, um etwas über das Schicksal ihrer Kinder  zu erfahren.
 Die Geiseln von Boko Haram, die nach ihrer Befreiung  bereit sind, über ihr Schicksal zu reden, damit die Welt erfährt, was in  Nigeria passiert.
 Die Frauen in aller Welt, die ihre Kinder vor der Gewalt der Väter schützen und dabei selbst Leib und Leben riskieren.
  Die Frauen in Kriegsgebieten, die ihre Kinder auf die Flucht schicken,  in der Hoffnung, dass wenigstens diese den Krieg überleben.
 Die verschleppten Frauen, die in die Prostitution verkauft wurden und die Kraft haben, sich gegen ihre Zuhälter aufzulehnen.
 Auch hier könnte man die Liste endlos erweitern.
  Eine starke Frau ist in meinen Augen eine Frau, die ihr Leben, egal,  wie es auch aussieht, irgendwie dennoch lebt und in den Griff bekommt,  gegen alle Widerstände. Eine Frau, die sich nicht entmutigen lässt,  sondern notfalls immer wieder von vorne anfängt.
 Natürlich kann das  auch eine Führungskraft sein. Keine Frage. Die Stellung als  Führungskraft an sich ist aber kein Merkmal dafür, dass es sich um eine  starke Frau handelt.
 Und zu guter Letzt: solange solche Artikel  erscheinen, solange „starke Frauen“ so präsentiert werden, solange man  betonen muss, dass es Frauen in Führungspositionen gibt, solange Frauen  auf dieser Welt Freiwild für Männer sind, solange Frauen immer noch  weniger verdienen als Männer, solange „Frauenarbeit“ (Haushalt,  Erziehung, Pflege…) immer noch nichts wert sind, so lange Frauenberufe  (Pflege, Erziehung, Grundschullehramt, Reinigungskraft…) von der  Bezahlung her immer noch am unteren Ende angesiedelt ist, solange die  Werbung auf den Weltfrauentag mit Kosmetika und männlichen Models  solange ist auch in Deutschland ein Weltfrauentag immer noch notwendig. 
 Von der Lage der Frauen in der Welt gar nicht zu reden… 
