Gedanken zu den Kar- und Ostertagen: Palmsonntag

Jesus zieht in Jerusalem ein. Menschenmengen jubeln im zu, Hosianna, legen ihm Palmwedel und Kleider zu Füßen – quasi als roten Teppich. Jedes Jahr am Palmsonntag feiern wir das. Wir singen Hosianna dem König Davids und jubeln, so, wie die Menge damals vielleicht. Wir wissen, wie es weitergeht – aber im Jubelgeschrei geht alles unter. Jesus zieht ein wie ein König in die Stadt, in der er den Tod eines Verbrechers sterben wird – ist es die gleiche Menge, die ihm heute zujubelt und später seine Kreuzigung fordern wird? Egal, heute ist Palmsonntag, und der König zieht ein in seine Stadt, triumphal, wie es sich für einen König gehört. Wobei – ein König reitet auf einem Pferd, auf einem Schlachtross. Jesus dagegen auf einer Eselin mit Füllen – man mag fast meinen, eher die Karikatur eines Königs – er ist kein König des Schlachtfeldes, er ist ein König des Friedens. So weit, so altbekannt, so alljährlich gefeiert, von Menschenmengen verteilt über den ganzen Erdkreis.

Nur: dieses Jahr ist es anders. Angefangen mit dem Vatikan wird es wohl in den wenigsten Pfarreien dieser Erde Palmprozessionen geben, werden wohl in den wenigsten Pfarreien dieser Erde Menschen gemeinsam Palmsonntag feiern: Corona hat uns fest im Griff, sozialdistancing heißt das neue Wort, dass wir alle schmerzhaft lernen müssen. Die einen früher, die einen später: Versammlungen sind rund um die Welt nicht mehr vereinend im Glauben, sondern möglicherweise tödlich. Kann man jetzt überhaupt Palmsonntag feiern, kann man die Kar- und Ostertage überhaupt feiern?

Ich meine: ja. Für mich steht Palmsonntag immer schon für das Wechselbad der Gefühle, durch das wir Menschen gehen und Jesus, ganz Mensch, eben auch: mal hoch gefeiert, mal tief gefallen und verachtet, mal über alles triumphierend.

Hier zieht einer ein, hier wird einer gefeiert, der genau das weiß: er weiß, wie es weitergehen wird, er weiß, dass diese Feierei vorübergehend ist, ein Hoch, dass auf tönernen Füßen steht. Er weiß aber auch, dass auch das schreckliche vorbeigehen wird, dass alles endlich ist.

Wir können nicht gemeinsam seinen Einzug nach Jerusalem feiern – das schmerzt. Aber das hilft vielleicht auch, sich daran zu erinnern, genau hinzusehen: mehr Schein als Sein, beabsichtigt bereits durch die Wahl des Esels. Es hilft, darüber nachzudenken, was Palmsonntag eigentlich bedeutet, jenseits aller Feierlichkeiten und Hosiannarufe. In der katholischen Liturgie wird am Palmsonntag zum ersten Mal die Passion gelesen. Damit wir nicht beim oberflächlichen Hosianna stehen bleiben. Ich meine: In einer Zeit, wo wir nicht real zusammenkommen können, können wir uns vielleicht sogar intensiver zusammenfinden: in dem wir getrennt, aber doch gemeinsam beten, in dem wir getrennt aber doch in der Gemeinschaft vereint den Palmsonntag feiern, in dem wir vielleicht anders aufeinander zugehen als sonst: bedingt durch die Trennung viel intensiver, viel offener, in Telefonaten, in Briefen, in dem wir die Möglichkeiten nutzen, die uns bleiben. Sorgen wir gerade heute für Gemeinschaft mit denen, die es brauchen. Dann ist bleibt unser Hosianna nicht oberfllächlich, dann feiern wir tatsächlich den, der da kommt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch allen einen gesegneten Palmsonntag.