Gedanken zum Valentinstag

Was ist Liebe? Schon Paulus hat darüber nachgedacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass ohne Liebe alles nichts ist:

1 Kor 13,4-7: Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. 5 Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. 6 Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. 7 Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. 8 Die Liebe hört niemals auf.

Der Schweizer Pfarrer und Dichter Kurt Marti (1921 – 2017), der uns so viele wunderbare Gedichte und Erkenntnisse geschenkt hat, meinte einmal: „Wüßte man, was Liebe ist, gäb’s weder Religion noch Dichtung.“ Da ist was Wahres dran. Was genau Liebe ist, weiß niemand so richtig.

Warum liebe ich meinen Mann? Die Frage kann ich nicht beantworten. Liebe ich ihn? Da sage ich bedingungslos ja. Warum bin ich mir da so sicher? Tja, auch das wieder so eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Ist es vielleicht, weil auch er mich liebt? Würde meine Liebe aufhören, wenn er mich nicht mehr lieben würde? Was ist mit den Kindern? Den Geschwistern, den Eltern?

Was genau bedeutet das: ich liebe Dich? Auch das eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich weiß, dass es verschiedene Arten der Liebe gibt:

die Liebe zu Eltern und Geschwistern bekommt man in die Wiege gelegt, und sie existiert sogar da, wo man sich zerstreitet, jedenfalls, wenn es in der Kindheit halbwegs läuft. Sogar misshandelte und mißbrauchte Kinder lieben ihre Eltern, es ist also keine Liebe, die an irgendwelchen äußerlichen Faktoren festzumachen ist.  Die Liebe zu den eigenen Kindern? Bei manchen ist sie sofort da, bei manchen entwickelt sie sich im Laufe der ersten Zeit, aber im Normalfall existiert sie, sie ist lebensnotwendig für das neugeborene Kind. Auch eine Liebe, die auch Streit und sogar Hass überdauern kann. Liebe, sozusagen biologisch begründet.

Die Liebe zum Partner ist eine völlig andere: man lernt jemanden kennen, und weil es irgendwie passt, gibt man sich miteinander ab und mit viel Glück wird aus der ersten Verliebtheit die große Liebe, die man dann aber pflegen muss, damit sie nicht erkaltet, es ist hier als eine andere Liebe als die zu biologisch Verwandten. Ähnlich gelagert ist die Liebe zu Freund:innen: sie kann genauso tief und wertvoll sein, auch sie will gepflegt werden, auch sie ist biologisch nicht begründbar.

Und dann gibt es noch die allgemeine Liebe zum Nächsten und Fernsten, die zum Mitmenschen. Die muss man lernen, die klappt auch nicht immer, es ist viel Arbeit nötig, dorthin zu kommen.

Mein Mann würde nun sagen: Liebe ist Chemie. Und ja, es laufen chemische Prozesse in unserem Körper ab, wenn wir lieben – aber das kann es nicht sein. „…und hätte aber die Liebe nicht…“ sagt Paulus, und ja, er hat recht: Liebe ist das, was unser Leben lebenswert macht.

Oder, frei nach Reinhard Mey: „Liebe ist alles, Liebe ist mehr“

Gestehen wir uns zu, zu lieben. Ohne Liebe ist alles nichts.

Tägliche Impulse zur Fastenzeit.

Trotz Corona gemeinsam unterwegs

Mit dem Aschermittwoch fängt die Fastenzeit an. 40 Tage: so lange fastete Jesus in der Wüste, so lange war Mose auf dem Berg Sinai, so lange wanderte Elija zum Berg Horem. 40 Jahre wanderte das Volk Israel durch die Wüste. 40 Tage lang bereitet die Kirche, bereiten die Gläubigen sich auf das Osterfest vor: sie machen sich auf den Weg zum Osterfest.

Dieser Weg ist nicht immer für jeden so klar und einfach vorgegeben. Überhaupt sind Lebenswege verschieden.

Die Fastenzeit könnte ein Anlass sein, den eigenen Lebensweg zu überprüfen. Zu schauen, ob die Richtung noch stimmt. Ob das Ziel noch vor Augen liegt. Vielleicht muss man nachjustieren, vielleicht auch mal die Richtung ändern oder umkehren.

Ich lade sie und Euch ein, sich gemeinsam auf den Weg zu machen zum Osterfest. Mit einen kleinem Impuls zu einem Wort, einem Satz, einen Abschnitt aus den Tagestexten:
Ihr findet sie hier:
https://st-michael-krefeld.bistumac.de/aktuell/nachrichten/a-blog/Trotz-Corona-gemeinsam-unterwegs/
Oder hier:
https://www.bistum-aachen.de/Frauenseelsorge/aktuell/nachrichten/nachricht/Trotz-Corona-gemeinsam-unterwegs/

Wer möchte kann sie auch per Mail bekommen: da brauche ich dann einen Hinweis und eine Adresse.

Gehen wir gemeinsam los und überprüfen unseren Lebensweg.

Coronablues am Rhein

Gestern stand ich am Ufer des steigenden Rheins. Und schaute so auf die gewaltigen Fluten. Und da kam mir folgender Gedanke:

Seit 30 Millionen Jahren fließt dieser Fluss Richtung Nordsee. Er hat seinen Verlauf mehrfach geändert, sein Aussehen, seine Länge, seine Wassermenge – aber er war immer da. Von den Kelten wurde er als Vater Rhein verehrt – die Bezeichnung hat sich bis heute gehalten. Der Name Rhein kommt wohl schlicht und ergreifend von fließen – und geht auf eine indogermanische Wurzel zurück, aus der sich auch das altgriechische Wort ῥέω [reo] (fließen), das lateinische Wort rivus (Fluss) und heutige Worte wie river und rio entwickelten, auch das deutsche Wort rinnen kommt wohl daher.

Der Rhein war also immer „der Fluss“. Er war ein Anlass für romantische Dichtungen und auch schon früh Touristenmagnet, zu einer Zeit, als es Touristen noch gar nicht gab.

Der Rhein war immer schon Transportstraße, er hat Menschen miteinander verbunden und auch dafür gesorgt, dass das Rheinland bunt und multikulturell wurde. Echte Rheinländer:innen haben eine buntschillernde Ahnenreihe – deshalb galt das Rheinland lange auch als sehr tolerant, Köln zumindest ist es bis heute, Krefeld nahm als religionsfreie Stadt Menschen aus aller Herren Länder auf, die wegen ihrer Religion verfolgt wurden, und die Vergangenheit war genauso bunt, wie es hoffentlich die Zukunft ist.

Der Rhein hat Menschen miteinander verbunden, aber auch voneinander getrennt: ihn zu überqueren war nicht leicht, und Brücken wurden immer mal wieder vom Hochwasser mitgerissen oder vom Feind zerstört – wie schwierig dieser Brückenbau bis heute ist, kann man an den verschiedenen Autobahnen erkennen – kaum eine Rheinbrücke, die noch in absolut Ordnung ist, jedenfalls von Koblenz aus rheinabwärts.

Der Rhein gab auch Nahrung, bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts hinein gab es Fischfang an seinen Gestaden – und jetzt, Gott sei Dank, ist er auch wieder Lebensraum für Fische geworden.

Er kann grausam sein: wenn er sein Bett verlässt, reißt er gerne mal alles mit, was ihm im Weg steht – und er kann lieblich dahinplätschern. Vor zwei Jahren war er so niedrig wie nie, die Mahnung an uns, endlich zu erkennen, wie wir mit unserer Erde umgehen, ein Zeichen von unendlicher Trockenheit.

Aber eins blieb immer gleich: der Rhein floss und fließt dahin, mal langsam, mal wild und schnell, völlig unbeeindruckt von dem, was um ihn rum passiert. Wenn der Weg verbaut wurde wie z.B. durch die Vulkane der Eifel, dann suchte er halt einen anderen. Wenn man ihm den Platz nahm, in dem man versuchte, ihn zu kanalisieren, dann nahm er ihn sich halt.

Was das mit uns zu tun hat: vielleicht gucken wir uns etwas davon ab. Vielleicht versuchen wir, weniger auf das zu achten, was uns stört, sondern konzentrieren uns aufs Wesentliche: auf den Lebensfluss. Die Welt wandelt sich, Gutes passiert, Schlimmes passiert – und wir leben weiter, Tag für Tag, Schritt für Schritt. Versuchen wir, das mit der Ruhe dieses Flusses zu tun, nicht träge, nicht im Stillstand, fließend, aber den Blick aufs Ziel gerichtet. Und vielleicht erkennen wir dann, wo der Weg gangbar wird für uns.

Hoffnung

Im Dunkel ahnt man es doch

Das Licht wird kommen

Es bricht sich Bahn

Durch die Finsternis der Nacht

Durch die Nebel der Hoffnungslosigkeit

Durch die Wolken der Angst

Auf einmal bricht es sich Bahn

Ein Strahl nur oder mehr

Ein winziges Wolkenloch

Die Sonne ist da

Auch wenn sie verdeckt ist

Man ahnt es doch

Das Licht wird kommen

2020 – kann das weg?

(Ein Rückblick aus persönlicher Sicht)

Ja. Definitiv. Wenn ich die Schlagzeilen zu den Geflüchteten lesen, wenn ich die Zustände in den Lagern bedenke, wenn ich die Kommentare dazu lese – dann hat das Jahr gar nicht erst stattgefunden. Nur dass halt jetzt noch mehr tote Geflüchtete zu beklagen sind.

Ja. Definitiv. Ich bin ein Kontaktmensch. Ein Kontaktloses Jahr hat nicht stattgefunden für mich. Diese Krankheit tötet Menschen oder hinterlässt ihnen lebenslange Andenken. Sie legt unser ganzes öffentliches Leben lahm, hier und überall auf der Welt. Sie verbreitet sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit. Kann weg, das Jahr der Pandemie.

Ja. Definitiv. Ein Jahr, in dem viele eigentlich gesunde mittelständische Betriebe in Konkurs gingen. Ein Jahr, in dem viele Menschen ihre Arbeit verloren haben. Ein Jahr, in dem Schülerinnen und Schüler, die sowieso schon schlechte Ausgangsbedingungen haben, noch mehr abgehängt wurden. In dem Femizide und häusliche Gewalt zugenommen haben. So ein Jahr kann weg.

Ja. Definitiv. Wenn ich die Berichte über die Krisenherde dieser Welt lese, über Kriege, die eigentlich vorbei sind und doch noch weitergehen wie in Syrien. Über Waffenverkäufe. Über Ausbeutung. Über nicht stattfindende, dringende Maßnahmen zum Klimaschutz, dann hat sich nichts geändert seit 2019. Dann hat das Jahr gar nicht stattgefunden.

Ja. Definitiv. Ein Jahr ohne Konzerte und Kultur. Kann weg.

Ja. Definitiv. Kirchlicherseits der Skandal um Kardinal Woelki, die unsäglichen Weihnachtspredigten über die die Tatsache, dass Frauen auf keinen Fall Priester werden können und darüber, dass Gott den Mensch als Mann und Frau erschaffen hat und nicht queer, die Predigten zur Abtreibung, die mit keinem Wort erwähnen, was in der Kirche mit den Geborenen passiert – da ist etwas eskaliert. Kann weg.

Stimmt das? Kann das Jahr weg?

Nein, kann es nicht. Wenn ich sehe, wie viele Menschen immer noch bereit sind, zu helfen. Wie viele deutsche Städte im Laufe des Jahres angeboten haben, Geflüchtete aufzunehmen jenseits aller Quoten, dass auch in diesem Jahr weitere „sichere Häfen“ dazugekommen sind, weitere Seenotretterschiffe und und und – dann macht dieses Jahr auch Hoffnung und kann bleiben.

Nein, kann es nicht. Es war auch nicht wirklich kontaktlos, dieses Jahr, Kontakte wurden nur anders gehalten. Meine Mutter z.B. spielt fast jeden Sonntag abend skypenderweise mit ihren Enkeln und hat so mehr Kontakt als vor der Pandemie. Viel lief mit viel Kreativität draußen: von der Geburtstagsfeier dreier Menschen im Garten mit 3 Paaren auf Abstand, einem Grill, den jeder für sich selbst bedienen musste und einem Geschenkehaufen mitten auf dem Rasen, einer Beerdigung, bei der nach der Beisetzung der letzte, vom Verstorbenen gekaufte, schottische Whisky ausgeschenkt wurde bei entsprechender Begleitmusik, statt Beerdigungskaffee, draußen trotz eisiger Kälte (aber der Whisky wärmte ja), natürlich auf Abstand und mit Maske, Treffen zu Wanderungen, Radtouren und Spaziergängen und sogar der eine oder andere Urlaub, wenn auch anders, als geplant: dann stelle ich fest, dass das Jahr die Kreativität, was Begegnungen angeht, geweckt hat und hoffentlich nicht alles anschließend verschwindet.

Nein, kann es nicht. Es ist viel passiert in diesem Jahr, die Pandemie hat neben der Krankheit selbst für viel Elend in der Welt gesorgt, das stimmt. Aber es gab auch das andere: spontane Bildung von Gruppen, die Menschen in Quarantäne mit Einkäufen versorgten. Solidarität überall, Hilfe für alle, jenseits von Klopapierhamstern. Wildfremde Menschen, die einander grüßen und ein paar Worte miteinander wechseln, vielleicht froh, mal einem realen Menschen gegenüber zu stehen. Auf dem Weihnachtsspaziergang ein „Fröhliche Weihnacht“ von wirklich jedem, dem man begegnet: es hat sich was verändert, zwischenmenschlich. Was positives, wie ich finde.

Nein, kann es nicht. Zwar hat sich der Frieden tatsächlich nicht weiter ausgebreitet in der Welt, und die Klimakatastrophe geht weiter. Aber eine Menge Menschen haben sich virtuell vernetzt, die einander vielleicht sonst nie über den Weg gelaufen wären. Die sich in Videokonferenzen kennen- und schätzen gelernt haben, die ihre Arbeit nun anders bündeln und so vielleicht auch mehr Erfolg haben. Menschen, die aufs Rad umgestiegen sind. Das erneuerbare Energiengesetz, das vielleicht immer noch schlecht ist, aber besser als geplant. Es muss noch viel passieren, keine Frage, aber es ist vielleicht ein Licht am Horizont erkennbar.

Nein, kann es nicht. Ja, es war ein Jahr ohne Konzerte. Aber viele haben den Eintrittspreis nicht zurückgefordert. Viele folgen nun ihren Lieblingskünstlern im Netz. Auch hier haben sich mit viel Kreativität Formen gefunden, die es vorher so noch nicht gab – das gibt Hoffnung, dass da das eine oder andere auch bleibt.

Nein, kann es nicht. Ein Vorsitzender der Bischofskonferenz, der sich positiv zur Frauenweihe äußert. Pfarrer, die sich trauen, ihren Kardinal zu kritisieren. Priester, die mit ihrer Meinung, es müsse was passieren, nicht mehr hinterm Berg halten. Es tut sich was. Es gibt Hoffnung.

Was nun mein Jahr angeht, war auch nicht alles schlecht. Ich habe angefangen zu studieren, langsamer zwar als geplant, aber es geht. Online. Und hab darüber tatsächlich schon Menschen kennengelernt, deren Bekanntschaft ich nicht mehr missen möchte. Ich hatte einen wunderschönen Urlaub mit Kindern, Geschwistern, Neffen und Nichten in meiner zweiten Heimat Osttirol, auf Abstand, aber das Wetter war ja schön… Statt Slowenien waren wir an der Ostsee und auf Usedom, im Oktober, und sind da viel Rad gefahren – Abstand war eigentlich überall möglich. Ich durfte neue Menschen kennenlernen. Wir sind uns näher gekommen, mein Mann und ich – aber auch meine Eltern und ich noch einmal auf eine andere Art und Weise, dadurch, dass wir ja die einzigen Realkontakte sind, die wir regelmäßig haben, weil wir zusammenwohnen. Ein befreundetes Ehepaar, das in der Nachbarschaft wohnte, meinte sogar: durch den Abstand sind wir uns näher gekommen und ja, da ist was dran. Mit den Kindern spielen wir online und haben dadurch regelmäßigeren Kontakt als vorher. Und es steigt die Vorfreude und die Hoffnung auf bessere Zeiten.

Es war sicher kein gutes Jahr, das Jahr 2020. Aber wenn man genau hinschaut, dann findet man ganz viele positive Ansätze…

Weihnachten 2020

Wir erwarten Gottes Sohn
wir erwarten den Friedensfürst
wir erwarten die Hoffnung für die Welt

Weihnachten in Deutschland
Besuch kommt – nicht
die Pflegeheime – mehr oder weniger abgeschottet
vielerorts nur ein*e Besucher*in, wenn überhaupt
Singen unterm Tannenbaum
– nur, wenn man alleine ist
Geschenkeaustausch – fällt aus
oder per Post, vielleicht vor der Haustür
kein Familienfest, kein Familienfriede
Kontaktverbot, Quarantäne
Hoffnungslosigkeit überall
Einsamkeit breitet sich aus

Weihnachten an Europas Rändern
im Lager nicht genügend Wasser
kein Zugang zu Hygiene und Gesundheit
Kein Schutz vor Kälte
Auf dem Meer keine Rettung
keine Zukunft
Hoffnungslosigkeit überall
Angst breitet sich aus

Weihnachten in den Krisengebieten dieser Welt
Bomben fallen, Schüsse sind Alltag
Krieg, Hungersnot, Vertreibung
Klimawandel macht Heimat unbewohnbar
Keine Zukunft
Hoffnungslosigkeit überall
Angst breitet sich aus

Wir erwarten Gottes Sohn
wir erwarten den Friedensfürst
wir erwarten die Hoffnung der Welt

Er wird geboren
bei den Einsamen
im Lager
im Schlauchbot
im Krisengebiet

Gott hat keine anderen Hände als die unseren:
Machen wir sein Kommen sichtbar
Dann wird es Weihnachten werden


© Edith Furtmann 12/2020

Corona-Maßnahmen: Chancen?

Gedanken zur Kontaktreduzierung in Coronazeiten

Überlegungen zur (Trauer-)seelsorge und Beerdigungskultur und darüber hinaus.

Gerade verändern wir alle unseren Umgang mit anderen Menschen.

Und ich frage mich: Trauerseelsorge in Zeiten von Corona – geht das? Wie geht das?

Ein Trauergespräch am Telefon stellt mich vor ganz andere Voraussetzungen als in der realen Begegnung, es ist anstrengender, aber es gibt auch eine Chance: ich muss noch mehr auf Zwischentöne hören, auf das, was ungesagt bleibt, ich merke, dass ich mich deutlich mehr konzentrieren muss auf meine Gesprächspartner. Ich muss auch – bei mehreren Hinterbliebenen – möglicherweise mehrere Telefongespräche führen, die sich vielleicht an der ein- oder anderen Stelle doppeln, die aber den Charme haben, dass man vielleicht freier reden kann über die Oma, wenn die Mutter nicht dabei ist, über den Vater, wenn dessen Lieblingskind (oder aber das schwarze Schaf) nicht neben einem sitzen…

Wie begrüße ich als Beerdigungsdienstleiterin die Menschen vor der Trauerhalle, denen ich sonst die Hand gedrückt hätte, richtig? Es ist anders, aber auch eine Chance – manchmal gibt man den Menschen die Hand und ist doch schon in Gedanken beim nächsten – das geht jetzt nicht. Ich muss den Menschen in die Augen gucken, sie ehrlich anlächeln – so, dass auch meine Augen mitlächeln, falls ich eine Maske trage. Das heißt, ich muss mich dem Menschen, den ich begrüße, deutlich mehr zuwenden…

Generell ist die Frage, wie man zu fremden, aber vielleicht auch zu vertrauteren Menschen einen Kontakt aufnehmen kann, wenn man Abstand halten muss und Maske tragen, der über einen schnellen Gruß.

Ich glaube, wir sind in unserer schnelllebigen, bunten Welt gar nicht mehr darauf gepolt, uns ganz auf unser Gegenüber zu konzentrieren, wir sind schnell mal abgelenkt, weil wir gewohnt sind, dass die Welt um uns so funktioniert: Dauernd ändert sich was, dauernd müssen wir neue Sinneseindrücke verkraften, das Handy piept, Schnellnachrichten, mal eben gucken…
Ich lerne gerade neu, mich auf einen Menschen zu konzentrieren. Natürlich habe ich auch früher schon zugehört, mich auf die Menschen eingelassen. Aber es ist nun deutlich anders: eine kleine Ablenkung beim Telefonat, und man verliert den Faden. Wenn das Lächeln die Augen nicht erreicht, erkennt man es bei Maskenträgern nicht. Eine Begrüßung funktioniert nur noch, wenn man sich drauf konzentriert und nicht schon in Gedanken beim nächsten ist. Das alles ist auch eine Chance, finde ich: man muss mehr Antennen ausstrecken, um mitzukriegen, was der oder die andere fühlt, was zwischen den Zeilen steht – und das ist eine Wohltat. Es tut gut, wenn Menschen sich konzentrieren auf den oder die eine Gesprächspartner*in, die gerade wichtig sind – man fühlt sich deutlich anders wahrgenommen. Und es reicht nicht mehr, oberflächlich zu agieren, nur mit dem Mund zu lächeln – wenn Mimik wegfällt, werden die Augen noch mehr zum Spiegel der Seele.

Vielleicht hilft uns das, wieder authentischer zu werden, inne zu halten, konzentrierter bei der Sache zu sein – es wäre schön, wenn das über die Krise hinaus hielte.

November 2020

„Im Nebel ruhet noch die Welt“ – so beginnt ein Herbstlied, dass ich im Schulchor kennengelernt habe. November, Novembernebel, Herbststürme, frühe Dunkelheit – der November ist nicht unbedingt mein Lieblingsmonat. Aber es gibt Highlights: Martinsumzüge, Weihnachtsbasare, vielleicht auch schon ein Weihnachtsmarktbesuch, gemütliche Abende mit Glühwein, Kerzenschein und guten Freunden …

So könnte dieser Artikel anfangen, wenn nicht, ja wenn es nicht der November 2020 wäre, der heute beginnt. Lockdown light oder wie immer man das nennen will: extreme Kontaktbeschränkungen, Gastronomie, Museen, Theater, Kinos und „Vergnügungsstätten“ geschlossen, Martinszüge abgesagt, Weihnachtsmärkte ebenfalls.

Also nochmal von vorne: „Im Nebel ruhet noch die Welt“, so beginnt ein Herbstlied, dass ich im Schulchor kennengelernt habe. November, Novembernebel, Herbststürme, frühe Dunkelheit – schon unter normalen Umständen ist der November nicht unbedingt mein Lieblingsmonat. Aber das Lied geht weiter: „bald siehst Du, wenn der Schleier fällt…“ Wir wissen alle: es gibt im November Tage, da fällt der Schleier nicht. Da ist es den Tag über dämmrig, man sieht nix, und ohne elektrisches Licht geht gar nix. Es ist der Monat des Totengedenkens, der Volkstrauertage – irgendwie alles ziemlich trübe. Und in diesem Jahr sicher deutlich trüber als sonst. Aber: irgendwann fällt er doch, der Schleier. Irgendwann sieht man sie doch, die Sonne, manchmal nur ein kleiner blauer Himmelsfleck, ein paar Strahlen durch ein Wolkenloch, manchmal auch deutlich mehr – und die muss man dann genießen, diese Aufheiterungen.

Und so sollten wir es jetzt machen: Wolkenlöcher suchen. Manche kann man selbst herstellen: Endlich mal Zeit, auf dem Sofa zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen. Ein Telefonat mit der besten Freundin, während man mit heißem Tee in eine Decke gewickelt auf dem Sofa sitzt. Oder man ruft jemanden an, von dem man weiß, er oder sie hat drauf gewartet – dann ist man selbst Wolkenloch für andere. Wenn man spazieren geht, findet man vielleicht ein besonders hübsches Herbstblatt. Oder, wie früher als Kinder, Kastanien, die mit ihrer glatten Haut auch als Handschmeichler durchgehen. Vielleicht nutzen wir die moderne Technik, um das, was uns fehlt zu kompensieren: Eine Skype Verabredung, gerne zum virtuellen Kaffee- oder Glühweintrinken, damit man sich sieht beim Ausquatschen. Man kann übers Internet zusammen spielen: Sonntags abends treffen sich in unserer Familie Kinder und Enkelkinder mit der Oma, um über Skype 2 Stunden Stadt-Land-Fluss zu spielen, und sie hat so Kontakt zu den Enkeln, die sie wegen Corona nicht besuchen können. Vielleicht lächeln wir beim Spaziergang jemanden an – und der lächelt überrascht zurück. Das wärmt das eigene Herz ungemein.

Ich bin sicher, es gibt noch ganz viele andere Wolkenlöcher, für jeden und jede ganz individuell. Das erste Lächeln des Tages bekomme ich von mir selbst, morgens, im Badezimmerspiegel, auch wenn’s manchmal schwerfällt. Das hebt die Laune schon ungemein. Und dann gibt es einen ganz einfachen Trick, sich selbst zu zeigen, dass es positive Momente gibt: Man nehme 7 Bohnen oder Murmeln oder was auch immer und stecke sie in die linke Hosentasche. Immer, wenn einem etwas Schönes begegnet, und sei es auch noch so winzig, wechselt man dann eine Bohne auf die andere Seite. Man wird aufmerksamer, denn Ziel ist es natürlich, möglichst viel Bohnen in die andere Tasche zu tun. Abends kann man sie zählen und merkt: ganz so nebelig war es nicht, es gab Wolkenlöcher. Vielleicht unterstützt man das Ganze mit einem Positivtagebuch. Oder, wenn man kann, mit einem Dankbarkeitsgebet.

„…herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde fließen“ – ich wünsche Euch/Ihnen und mir, dass wir das sehen können, jeden Tag, auch in diesem November. Versuchen wir’s. Gutes Gelingen.

Mal was für die Ohren

Ich bin fürs Domradio interviewt worden, vor zwei Wochen, in meinem Urlaub, wurde es gesendet:

https://www.domradio.de/audio/edith-furtmann-die-welt-besser-verlassen-als-vorfinden

11.10.2020 – 18:00

Die Welt besser verlassen als vorfinden Edith Furtmann

Das sei ein Irrtum. Gott berufe keine Frauen, stellte der Pfarrer gegenüber der jugendlichen Edith Furtmann klar. Diese wurde dann Juristin. Seit Maria 2.0 studiert sie jetzt doch Theologie und schaut, was das Leben noch mit sich bringt.

Bis vor zwei Jahren hatte Edith Furtmann diese so wegweisende Szene mit ihrem verehrten Heimatpfarrer komplett vergessen. Gesprochen hatte sie all die Jahre mit niemandem darüber. „Dabei ging es mir gar nicht darum, dass ich nicht Priester werden konnte. Das war mir ja klar, das wusste ich. Aber das Gott mich nicht berufen hatte, das war ein Schock.“

Richterin? Wir werden verhindern, dass eine Mutter einem Mann den Platz wegnimmt

Der Schock war so groß, dass Edith Furtmann mit keiner Menschenseele sprach, sondern sich gleich eine neue Lebensaufgabe suchte. Richterin. Auch gut, dann wollte sie auf diese Weise für mehr Gerechtigkeit in der Welt sorgen.

Nicht gewappnet war sie allerdings auf die Sprüche, die ihr der vorsitzende Prüfer im Vieraugengespräch unverholen mitgab – und die jede Aussicht auf das Richteramt zerstörten. Was passiert ist, hören Sie in der Sendung.

Bürgermeisterkandidatin und ehrenamtliche Gemeindeleitung

Zusammen mit ihrem Mann änderte Edith Furtmann ihre Pläne: statt wie geplant bei den Kindern zu bleiben, suchte nun ihr Mann eine Stelle. Edith Furtmann engagierte sich politisch und kirchlich. Wurde am Niederrhein Bürgermeisterkandidatin und sammelte Erfahrung in der Kommunalpolitik und der ehrenamtlichen Gemeindeleitung.

Warum dann eine Lesung zum „Weiberaufstand“ von Christiane Florin noch mal alles änderte und wie in einem Mosaik heute alle Erfahrungen in einem neuen Bild zusammen kommen, davon erzählt Edith Furtmann mal stoisch, mal leidenschaftlich und immer spannend.