Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch

Seit einiger Zeit verfolge ich in der Presse die Art und Weise, wie von Radfahrunfällen berichtet wird – insbesondere die Rechtsabbiegerunfälle mit PKW und LKW nehmen, zumindest in meiner Wahrnehmung, drastisch zu, und das in einer Zeit, in der es doch immer wichtiger wird, dass immer mehr Menschen aufs Rad umsteigen. Da heißt es dann: Der Radfahrer „verletzte sich“ schwer, der LKW-Fahrer „übersah“ den Radler und ähnliche Formulierungen. Insbesondere stoße ich in dem Zusammenhang dann immer auf „aus ungeklärter Ursache“, dabei ist diese gerade bei solchen Unfällen in der Regel eindeutig: der KFZ-Fahrer, der LKW-Fahrer nimmt dem Radfahrer die Vorfahrt, warum auch immer. Aber diese Wortwahl setzt den verletzten oder getöteten Radler irgendwie ins Unrecht, schiebt ihm eine Mitschuld zu, verringert die eigentliche Schuld des anderen.

Und dabei fällt mir auf: ganz oft setzt schon allein unsere Wortwahl eine Interpretation fest. Insbesondere in der Diskussion um Flüchtlinge, Asylbewerber, Migranten etc fällt mir das auf. Ich meine jetzt nicht die Entmenschlichung durch Worte wie Flüchtlingswelle oder ähnliches – da ist es ja relativ eindeutig. Ich meine das, was wir wahrscheinlich alle tun, und was auch im Fernsehen und den seriösen Medien immer wieder festzustellen ist: Wir reden von uns – und von denen. Dadurch stellen wir eine Gegensätzlichkeit her, die man entweder überwinden kann oder eben nicht, je nachdem, aus welcher politischen Richtung man kommt. Wenn ich darüber spreche, dass Migranten einen größeren Beitrag zum Sozialsystem leisten, als sie daraus bekommen, so stelle ich Menschen als gewisse Bevölkerungsgruppe dar: als die, deren Eltern/Großeltern/Urgroßeltern nicht in Deutschland geboren sind, unabhängig davon, ob sie vielleicht Deutsche sind oder nicht.

Ich bin Niederrheinerin. Wenn mich jemand fragt, bin ich Deutsche (und Europäerin, aber das wieder ist eine andere Diskussion). Trägt jemand einen nicht so deutsch klingenden Namen, so geht in unseren Köpfen sofort die Schublade „Migrant“ auf, erst recht, wenn er nicht so aussieht, wie man sich einen Deutschen vorstellt. Und da kann er noch so Deutscher sein wie ich, er ist immer auch „einer von den anderen“. Und damit ist er derjenige, der die Bringschuld hat: er muss sich integrieren, und es spielt keine Rolle, ob ich da einen weiten oder engen Integrationsbegriff bis hin zur Assimilation verfolge. Ein deutscher Jude bleibt immer auch Jude und damit irgendwie nicht richtig deutsch, obwohl seine Vorfahren vielleicht trotz aller Widrigkeiten schon immer in Deutschland gelebt haben, das gleiche gilt erst recht für einen deutschen Muslim, so er nicht als Deutscher zum Islam konvertiert ist. Dabei interessiert auch nicht, ob sie in Wirklichkeit religiös sind oder eher nicht. Ich dagegen muss mich nie als Christin outen und werde es auch nicht, wenn ich es will.

Wir machen da, ob wir es wollen oder nicht, Unterschiede, und diese Unterschiede führen dazu, dass wir unterschiedliche Erwartungen haben und Eindrücke, egal, ob wir wohlwollend oder bösgläubig sind. Sie führen dazu, dass wir das Gegenüber nicht einfach als Menschen wahrnehmen, sondern in Kategorien einordnen, die im Kontext eigentlich gar keine Rolle spielen, diesen aber verändern.

Und das fällt dann auf, wenn wir plötzlich von Jugendlichen, deren Vorfahren etwa aus der Türkei stammen, erwarten, dass sie sich hier wie „Gäste“ verhalten und daher höhere Ansprüche an sie stellen als an von uns als Deutsche erkannte Gleichaltrige, die ja genauso wenig alle Engel sind.

Ich meine, das ist genau das, was wir überwinden müssen. Jeder Mensch ist einzigartig, sicher nicht aus seinem kulturellen Kontext zu lösen, aber mit den gleichen Rechten zu leben ausgestattet. Auch mit den gleichen Pflichten, natürlich. Aber eben mit exakt denselben. Nicht mit mehr, nur weil sein Name unseren Ohren fremd klingt, oder sein Aussehen nicht vertraut ist.

Hören wir auf, die Menschen einzuteilen. Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch.

Was ihn ausmacht, ist sein Charakter. Und nur darauf kommt es an. Und dann stellen wir fest: es gibt überall sonne und solche.

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