Tag der Menschenrechte im Advent 2021

Europa – und allen voran Deutschland – bekennen sich zu den Menschenrechten. Dazu gehören verschiedene bürgerliche und politische Freiheitsrechte und Beteiligungsrechte sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Unter anderem hat jeder Mensch ein Recht auf Leben, Gesundheit, Arbeit und Wohnen, auf Bildung, auf Gleichheit vor dem Gesetz, hinzu kommen das Verbot der Folter und die Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und die Religionsfreiheit. Seit 2010 ist auch Zugang zu sauberem Wasser ein Menschenrecht. Zurzeit wird diskutiert, ob es ein Recht darauf geben soll, in sauberer Umwelt zu leben.

So weit, so gut. Gleichzeitig spielen sich an Europas Außengrenzen Dramen ab, bei denen alle diese Rechte, allen voran das Recht auf Leben, mit Füßen getreten werden: an der Grenze zwischen Polen und Belarus, in den griechischen Lagern, auf dem Mittelmeer: überall sterben Menschen, erfrieren, ertrinken, verhungern, sterben an fehlenden Zugang zur Gesundheitsfürsorge und an vermeidbaren Erkrankungen, die auf mangelnde oder gar nicht erst vorhandene sanitäre Einrichtungen etc. zurückgehen.
Von Arbeit, Wohnen, Bildung und so weiter gar nicht erst zu reden. Auch die Pressefreiheit wird mit Füßen getreten und Journalisten die Berichterstattung gewährt.

Und wir? Wir bereiten uns auf Weihnachten vor, auf das Fest des Friedens, der Familie, auf das Fest, an dem der Erlöser und Friedensfürst, wie Christen glauben, Mensch wird.

Aber was können wir tun, werden Sie und Ihr jetzt zurecht fragen. Mir fällt da gerade so einiges ein: Organisationen unterstützen, die vor Ort Hilfe leisten wie z.B. Sea-Watch oder Ärzte ohne Grenzen. Petitionen unterschreiben. Unterschriften sammeln. Mails und Briefe an Entscheidungsträger schicken.

Und, ganz wichtig: den Mund aufmachen, wenn Menschen richtig finden, was da passiert, wenn sie von „selbst schuld“ reden, von Sozialtourismus und ähnlichen Dingen: Kein Mensch begibt sich in Lebensgefahr um zwei Cent mehr in der Tasche zu haben. Diese Menschen wollen nichts anderes als das, was ihnen zusteht: die Wahrung ihrer Menschenrechte, ein Recht auf Leben und Gesundheit, Arbeit und Wohnen, auf Bildung, Gleichheit vor dem Gesetz, kurz gesagt auf eine menschenwürdige Zukunft.

Wenn wir den Mund aufmachen, nicht um jemanden niederzuschreien, sondern mit sachlichen Argumenten, wenn wir denen hörbar entgegentreten, denen das Schicksal der Geflüchteten bestenfalls egal ist und die oft auch mit falschen Fakten agieren, dann tragen wir dazu bei, dass mehr Menschen ein Lebensrecht bekommen.

Und wenn wir unseren Lebensstandard und unsere Gewohnheiten daraufhin überprüfen, welche negative Auswirkung auf das Leben anderer Menschen dadurch bedingt sind und wie wir das ein oder andere ändern können, dann ist das ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Dann tragen wir mit dazu bei, dass die Menschheit das verwirklicht, wozu sie sich bekannt hat: zur Einhaltung der Menschenrechte.

Gedanken zu St.Martin

Niederrhein. Heute ist St. Martin. Überall ziehen, zumindest in diesen Breiten hier, Martinszüge durch die Städte, und die Story vom Teilen wird Kindern nahegebracht: trotz Eiseskälte hat St. Martin seinen Mantel geteilt mit dem armen Bettler am Straßenrand (man kann darüber diskutieren, ob er es durfte oder ob es ihm sogar leicht viel, weil der Mantel seinem Arbeitgeber gehörte, aber sei es drum 😉 ).

Marin von Tours hat es wirklich gegeben – wieviele der Geschichten, die über ihn erzählt werden, einen Wahrheitsgehalt haben, weiß niemand so genau. Sulpicius Severus, einer seiner Weggefährten, schrieb einige Begebenheiten seines Lebens nieder. Sicher ist: Martin war vor Ablauf seiner Soldatenzeit ein hochrangiger Militär und hat, als er Christ wurde, versucht, vorzeitig aus dem Armeedienst auszusteigen. Sein Ziel: den Menschen zu helfen.

Ortswechsel: Grenze zwischen Polen und Belarus. Viele verzweifelte Menschen versuchen, an der Grenze in die EU zu gelangen, um einen Asylantrag stellen zu können. Sie kommen aus Afghanistan, aus dem Irak, und sie wollen eins: in Sicherheit leben können. Polen tut alles, die Flüchtlinge zu vertreiben, und geht dabei noch weiter, als es bisher üblich ist: neben illegalen Pushbacks, die von Amnesty International dokumentiert sind, wird ihnen Wasser und Nahrungsmittel verweigert und insbesondere auch die ärztliche Versorgung. Die Dokumentation vor Ort ist schwierig, weil auch Anwält:innen und Journalist:innen der Zugang blockiert wird, trotz einer eindeutigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Aber manches dringt eben doch durch: Anwohner der dünnbesiedelten Zone erzählen von verhungernden Menschen, von dünnen Pullovern in Eiseskälte und schrecklichen Zuständen. Einer der Toten war Gailan Ismail, 26 Jahre alt, aus dem Irak: er starb, weil ihm medizinische Hilfe verweigert wurde. Er war auf dem Weg zu Verwandten nach Krefeld, wo er ein neues, sicheres Leben anfangen wollte.

Ortswechsel: EU. Die Politikerinnen und Politiker der EU gucken nicht weg. Sie schauen hin, debattieren und stellen dann fest: Polen soll fest bleiben, Lukaschenko soll aufhören, die Flüchtlinge zu schicken, und auf keinem Fall will man sich von ihm erpressen lassen. Das die Menschenrechte auch von Polen und somit von der EU mißachtet werden, dass das europäische Asylrecht ausgehebelt wird, wenn man die Menschen mit Gewalt davon abhält, europäischen Boden zu betreten – wen interessierts? Menschen werden zum Spielball politischer Kräfte. Sie werden quasi entmenschlicht, die Sprache, auch in den Medien, ist schon wieder entsprechend: von Flüchtlingsströmen ist die Rede, von Ansturm, von Durchbruch…

St. Martin teilt den Mantel mit dem Bettler. Das christliche Europa feiert ihn, heute. Während dessen lassen wir Menschen an unseren Grenzen erfrieren. Und die, die, zumindest im Internet, laut schreien, dass St. Martin St.Martin bleiben muss, tönen mit Blick auf die frierenden Menschen dort an der Grenze: „Wer sich in Gefahr begibt kommt darin um“.

Die Botschaft von St. Martin spielt da keine Rolle mehr: wir beschränken Teilen und Mitgefühl auf Folklorefeste.

(Quellen: z.B. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/polen-belarus-migranten-durchbruch-grenzsicherung-russland-100.html; https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-belarus-123.html; https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/polen-belarus-afghanische-asylsuchende-rechtswidrige-push-backs; Seebrücke Krefeld)

Worte statt Wörtern

Ich bin ja Christin. Und ich befasse mich regelmäßig mit den Texten der katholischen Sonntagsliturgie. Letzen Sonntag war das Evangelium an der Reihe, in dem Jesus einen Taubstummen heilt. Der Schlüsselsatz in meinen Augen ist folgender: „Jesus seufzte und sagte zu ihm Effata, das heißt: öffne Dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden“ (Mk 7,34bf)

Mir kam in den Kopf, dass ich immer wieder feststelle: wenn mir die Worte fehlen (und die Ereignisse der letzten Zeit: der Blick nach Afghanistan, auf den Klimawandel, auf den Wahlkampf und Querdenker, z.B. führen dazu), wenn ich nichts mehr hören oder lesen will weil ich es nicht ertrage, dann prodziere ich Wörter – weil ich eigentlich sprachlos bin.

Mit diesen Gedanken habe ich folgenden Text geschrieben:

Wenn mir Worte fehlen
stürze ich mich auf Wörter
Wenn mir alles zu viel wird
verschließe ich meine Ohren
Ich will nichts mehr hören
Ich kann nichts mehr sagen
Hilflos drifte ich durch die laute Stille


Aus meinen Wörtern
sollen Worte werden
Meine Ohren will ich öffnen
hinhören und zuhören
Meine Augen nicht verschließen
sondern hinsehen


Dann wird meine Hilflosigkeit
sich wandeln
ich werde hören und sehen
wo Hilfe nottut
ich werde Worte finden
die aufrütteln
trösten
helfen  



Antikriegstag

1. September 1939 (also heute vor 72 Jahren): Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen hieß es – und hinter dieser Floskel verbarg sich der Angriff auf Polen.
Heute ist Antikriegstag in Deutschland. Ein Anlass, mal wieder über den Frieden nachzudenken: „Frieden (von althochdeutsch fridu „Schonung“, „Freundschaft“) ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg. Frieden ist das Ergebnis der Tugend der „Friedfertigkeit“ und damit verbundener Friedensbemühungen. Friede ist im heutigen Sprachgebrauch der allgemeine Zustand zwischen Menschen, sozialen Gruppen oder Staaten, in dem bestehende Konflikte in rechtlich festgelegten Normen ohne Gewalt ausgetragen werden. Der Begriff bezeichnet einen Zustand in der Beziehung zwischen Völkern und Staaten, der den Krieg zur Durchsetzung von Politik ausschließt.“ (Auszug aus Wikipedia)

Was bedeutet das für uns hier in Deutschland und in der ganzen Welt? Nun, seit Kriegsende hat es auf deutschem Boden keinen Krieg mehr gegeben. Ob man die Zustände in der ehemaligen DDR unter obige Definition packen kann, darüber maße ich mir kein Urteil an: die damalige Staatsführung jedenfalls hat es wohl so gehalten. Allerdings ist Frieden ja deutlich mehr als nur die Abwesenheit von Krieg – und da sehe ich die Querdenkerdemos auf unseren Straßen, höre die Menschen, die sich diskriminiert fühlen, weil sie sich nicht impfen lassen möchten, und sehe den Hass auf Geflüchtete (und ja, auch Krawalle des sogenannten schwarzen Blockes, wenn auch meist weniger lebensgefährlich für einzelne Menschen, schließe ich da bewusst nicht aus).

Die Sprache wird rauer, in den sozialen Netzwerken, aber auch im realen Leben. Im Bundestag sitzen Menschen, die allen Ernstes behaupten, wir lebten in einer Diktatur. Es gibt den strukturellen Rassismus, und er fällt uns gar nicht immer auf. Dies und viele weitere Anzeichen deuten darauf hin, dass es mit dem Frieden noch nicht so richtig klappt bei uns.

Der Blick in die Welt zeigt dann dramatisch: friedlich ist sie nirgends. Und immer noch werden Vorwände genutzt, um Krieg zu führen, und die eigentlichen Gründe (die meist aus Machtstreben, Zugang zu strategisch wichtigen Orten oder Bodenschätzen bestehen) werden so vorsichtig verschleiert.

Was aber kann ich tun (außer vielleicht beten?). Nun, ich kann, so kurz vor der Bundestagswahl, Wahlprogramme und Kandidatinnen und Kandidaten darauf abklopfen, ob ihre Vorstellungen und politischen Werte friedensfördernd sind (Stichworte: Klimawandel, soziale Gerechtigkeit, Migration…)

Und ich kann mein eigenes Leben überprüfen: trage ich zum Frieden in meinem Umfeld bei? Oder hab auch ich Gewohnheiten, die dem entgegenstehen. Wie begegne ich meinem oder meiner Nächsten, und zwar nicht nur denen, die ich mag oder mit denen ich mehr oder weniger notgedrungen auskommen muss sondern auch denen, die ich nicht leiden kann. Oder die mein Leben stören – gefühlt oder aber auch real…

Friede kann ausstrahlen und sich weiter fortsetzen. Grundlage für alles ist die Liebe zu den Menschen. Studien haben herausgefunden (aber da braucht man eigentlich keine Studien zu) dass aus Kindern, die sich geliebt fühlen dürfen, meist emphatischere und den Menschen zugewandtere Erwachsene werden als aus Kindern, die diese Liebe nicht oder nur sehr selten spüren. Bei Liebe und Frieden funktioniert das Schneeballsystem durchaus. 

Das Bild zeigt die – reparaturbedürftige – Friedensglocke in Mösern in Tirol

7

in Worten: sieben

Die Zahl des Tages

Ich bin sprachlos

Menschen rennen um ihr Leben

hängen sich an Flugzeuge

fallen runter, sterben.

640 im überfüllten US-Transportflugzeug

Die Bundeswehr rettet 7

Die waren berechtigt

Auffüllen mit denen die da sind?

Es braucht Visa

Und den richtigen Arbeitgeber

Deutschland kann nicht alle retten

Und wer überhaupt schafft es noch

Der Flugplatz ist fast nicht mehr zu erreichen

Wer für Deutsche gearbeitet hat

Wird als Verräter angesehen

Verrätern droht die Todesstrafe

Deutschland lässt sie sterben

Ich bin sprachlos

Die Zahl des Tages

7

Was ist eigentlich Hoffnung?

Worauf hoffen Sie? So fragt public forum in Heft 12/21 auf Seite 50 die Leserinnen und Leser unter dem Titel „Hoffen über die Pandemie hinaus“. Ein Satz sprang mir ins Auge: „Wann immer jemand mit der Realität überfordert war… musste eben mehr oder weniger untätig gehofft werden“ – und der stieß mir auf, habe ich doch selbst Anfang des Jahres „Hoffnungsbriefe“ verschickt an Menschen, die ich kenne, nach dem Losprinzip. Grund genug für mich also, mich dem Thema Hoffnung zu widmen.

Was ist Hoffnung eigentlich? „Hoffnung ist eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung, gepaart mit einer positiven Erwartungs­haltung, dass etwas Wünschenswertes eintreten wird, ohne dass wirkliche Gewissheit darüber besteht. Das kann ein bestimmtes Ereignis sein, aber auch ein grundlegender Zustand wie etwa anhaltende Gesundheit oder finanzielle Absicherung. Hoffnung ist die umfassende emotionale und unter Umständen handlungsleitende Ausrichtung des Menschen auf die Zukunft. Hoffend verhält sich der Mensch optimistisch zur Zeitlichkeit seiner Existenz“ finde ich als Definition bei WikiPedia. Ah ja. Also doch etwas Positives? Oder eher eine Art Resignation?
Manche erinnern sich vielleicht an meinen Text hier vor ein paar Monaten, in dem ich versuchte, etwas Aufmunterndes zu schreiben in einer Zeit, irgendwann vor Ostern, als alles nur noch schlimmer wurde. Ich schrieb am Ende:“ Mehr kann ich Euch heute nicht geben. Mehr habe ich selbst nicht.“ Das scheint mir die Hoffnung, die die Dame aus dem Zitat gemeint hat – die Hoffnung, dass es, wider Erwarten, besser werden kann, ganz ohne konkrete Anhaltspunkte. Und für mich war es genau diese Hoffnung, die dafür gesorgt hat, dass ich nicht ganz unterging im Tal der Tränen – der Grat war schmal, ich hatte Glück, ich bin nicht abgerutscht. Eine Hoffnung, die auf nichts beruht außer dem Gefühl, dass es einfach irgendwann besser werden muss. Eine Hoffnung, die sich auf nichts gründet, auf keiner noch so vagen Gewissheit, die aber dennoch trägt.

Also mich. In meinem Leben habe ich die Erfahrung gemacht, dass so viel dran ist an dieser Liedzeile „life happens when you’re making plans“ (One Republic, Wild Life): das Leben passiert, noch während wir Pläne machen. Und nicht immer geht, bei aller Hoffnung, am Ende alles gut aus. Spätestens als mein Kind trotz all meiner, all unserer Hoffnung vor der Geburt gestorben war, wusste ich, dass das so ist. Wir alle haben wahrscheinlich den einen oder anderen Schicksalsschlag erlebt, haben gehofft und doch verloren. Haben vielleicht am Krankenbett von Freund:innen oder Verwandten gesessen, gehofft, vielleicht gebetet – aber der Tod war stärker. Wie kann jemand, der so etwas erlebt hat, noch hoffen? Im März war ich sehr nah dran an der Hoffnungslosigkeit – aber ich habe drauf vertraut, dass sie wiederkehrt, die Hoffnung. Nun ist sie wieder da, vorsichtig, aber doch ja.
Was ist also Hoffnung? Die Hoffnung stirbt zuletzt, wird immer gesagt. Hoffnung ist das Vertrauen darauf, dass nicht alles vorbei ist. Das Vertrauen darauf, dass es weitergeht, vielleicht nicht so bequem, vielleicht anders, aber weiter geht.
Worauf ich hoffe: dass wir die Hoffnung nicht wieder verlieren. Dass immer zumindest ein kleine Fünkchen bleibt, kein „es hät noch immer jut jejange“, aber doch: bisher ging es immer irgendwie weiter. Eine Hoffnung, die uns nicht resignieren lässt, sondern die uns fähig macht zu Handeln und mitzuarbeiten an einer besseren Zukunft.

Gedanken an einem Sonntag im Mai 2021

Muttertag. Der Tag nach dem 8. Mai – Tag der Befreiung. Der Tag, an dem die Kontaktsperren und Ausgangssperren für Geimpfte aufgehoben wurden und die Testpflicht.

Mai. Der Monat, in dem die Natur explodiert. Der Monat, in dem die Kirche Maria, die Mutter Gottes ehrt – und in dem Maria 2.0 ihren Ausgangspunkt nahm. Der Monat, der in so vielen Liedern herbeigefleht wird: „Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün“ und lobend besungen „der Mai, und der war grüne…“.

Und ich sitze hier, an meinem Schreibtisch, vor dem offenen Fenster und hoffe auf den Frühlingstag, der uns versprochen wurde, und mache mir so meine Gedanken. Der Gottesdienst war, wie immer seit über einem Jahr, ein Hausgottesdienst, und das Evangelium endete mit den Worten: Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt (Joh 15,17).

Und mir geht durch den Kopf, dass das der Schlüssel ist. Menschen, die sich lieben, die sich wirklich lieben, tun einander nichts. Es geht um echte, selbstlose Liebe, nicht um die „wenn Du mich liebst dann…“- Liebe und auch nicht um die Liebe, die eine Gegengabe fordert.

Wenn wir Menschen einander lieben würden, dann gäbe es keine Kriege mehr. Wenn wir einander lieben würden, dann würden wir uns freuen für die, die jetzt wieder mehr dürfen. Und die wiederum, so sie ebenfalls ihre Mitmenschen lieben würden, agierten mit Augenmaß, so, dass sie uns nicht neidisch machen.

Wenn wir Menschen einander lieben würden, dann könnten Meinungen nebeneinander stehen bleiben, denn sie alle wären, so verschieden ihr Inhalt auch sein möge, als von der Menschenliebe getragen akzeptierbar. Wir würden nicht mehr Religionen gegeneinanderhetzen und in der Kirche mit Machtworten agieren müssen.

Von der Liebe getragen, könnten wir auch die verschiedenen Lebensweisen und Traditionen gut nebeneinanderstehen lassen – denn auch sie wären ja von der Liebe getragen.

Eine ideale Welt, die es so nicht gibt, das weiß ich auch. Aber für mich kann ich daraus ziehen: jeder Mensch hat ein Lebensrecht, ein Recht auf anderssein, ein Recht auf eigene Meinung, auf anderes Denken und andere Traditionen. Solange das nicht menschenverachtend wird, kann ich diskutieren, mich daran reiben, Argumente bringen: aber sachlich und höflich, denn auch der oder die andere hat ein Recht darauf, mir gegenüber wiederum Argumente zu bringen, meine Argumente zu widerlegen. Es ist wichtig, dass wir dies (wieder) lernen. Und ich bin überzeugt: auch wenn ich nur in meiner kleinen Umwelt agieren kann, so ist es doch so, wie Dom Helder Camara, der brasilianische Erzbischof und Befreiungstheologe (1909-1999) gesagt hat: „Wenn eine allein träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, ist das der Anfang einer neuen Wirklichkeit.“ Lassen wir uns also von der Liebe tragen, lassen wir sie wachsen, wie die Natur wächst in diesen Tagen – lassen wir uns vom Mai inspirieren.

Wie gehen wir miteinander um?

Bischof Oster sorgt sich um die Debattenkultur. Weil niemand kapiert, dass das Lehramt das letzte Wort hat. Das habe ich gerade gelesen und ich habe gedacht: ja, Sorge um unsere Debattenkultur habe ich auch. Allerdings deutlich andere als dieser Passauer Bischof.

Wie viele wissen, bin ich ja Mitglied bei #ichbinhier, einer Gruppierung, die versucht, Hass und Hetze aus den Kommentaren im Internet zu vertreiben. Es sind Menschen aller – na ja, fast aller – politischen Hintergründe, Extremisten mal ausgenommen – und es geht nicht darum, politische Meinungen zu verbreiten, sondern eine bessere Debattenkultur im Internet.

Durch meinen Einsatz für dieses Thema bin ich es gewohnt, beschimpft zu werden – wer keine Argumente hat, der muss ja irgendwie klarkommen – es macht mir in der Regel nicht mehr viel aus. Aber seit einem Jahr merke ich eine Veränderung: die Debatten, egal, worum es geht, werden immer holzschnittartiger, es gibt nur noch schwarz und weiß. Wer differenzierte Meinungen zu bestimmten Themen hat, der wird halt von beiden Seiten beschimpft: weist man darauf hin, dass Kinder unter den Schulschließungen leiden, ist man Querdenker, verteidigt man AHA-Regeln ist man Schlafschaf – und das passiert mir immer häufiger. Wer differenziert schreibt gehört auf jeden Fall zu den Gegnern und wird beschimpft, so oder so.

Wenn ich im Kommunionunterricht mit den Kindern über den Friedensgruß sprach, habe ich immer erklärt, dass man sich dabei in die Augen sehen muss, wenn der Friede überspringen soll – jetzt, wo man sich die Hand nicht mehr geben kann, gilt das noch mehr. Und das kommt mir bei der ganzen Diskussion in den Sinn: wenn wir kommentieren, schreiben wir dann etwas, was wir auch so sagen würden, wenn wir der oder dem anderen dabei in die Augen schauen müssten? Ist das ein reines Internetproblem oder spielt sich das auch im realen Leben ab? Was geht da in uns vor?

Wenn wir der oder dem anderen in die Augen schauen und genau zuhören, so scheint mir, wird das Gespräch in der Regel sachlicher. Weil man den oder die andere wahrnimmt und das, was sie oder er sagt. Im realen Leben kann man das ausprobieren. Fürs Internet bleibt, es sich vorzustellen. Vielleicht hilft das, genauer zu lesen, was der oder die andere meint und Zwischentöne zu erkennen. Debatte heißt: zuhören und antworten auf das, was mein Gegenüber sagt. Und nicht: Ende der Debatte, Holzhammer, nur ich hab recht und Du bist doof.

Ich würde mir wünschen, dass wieder hinkriegen. Weil ich sonst Angst habe vor dem, was bleibt, wenn dieser ganze Mist vorbei ist.

Denkt mal drüber nach und bleibt gesund – und debattiert ruhig mit mir 😉

Ostern 2021

Licht und Schatten
Rassismus greift um sich,
verdeckt und ganz offen
Einer stellt sich dem entgegen
Erkenntnis ist der erste Schritt
durch Dunkelheit zum Licht
Durch Deine Auferstehung führe uns zum Leben

Nur schwarz und weiß
Fronten verhärten
Freundschaften zerbrechen
Einer streckt die Hand aus
Erkenntnis ist der erste Schritt
durch Dunkelheit zum Licht
Durch Deine Auferstehung führe uns zum Leben

Dunkelheit rundum
kein Aushalten mehr
Ehen und Familien zerbrechen
Einer vermittelt
Erkenntnis ist der erste Schritt
durch Dunkelheit zum Licht
Durch Deine Auferstehung führe uns zum Leben

Kein Licht am Ende des Tunnels
geschlossene Grenzen
Menschen flüchten und scheitern
Einer öffnet die Türe
Erkenntnis ist der erste Schritt
durch Dunkelheit zum Licht
Durch Deine Auferstehung führe uns zum Leben

Durchs Dunkel zum Licht
Kreuz und Auferstehung
Ohnmacht und Macht
Einer hat die Finsternis überwunden
Erkenntnis ist der erste Schritt
Christus ist wahrhaft auferstanden
Durch Deine Auferstehung führe uns zum Leben

Hoffnung

Für eine von mir mitbetreute Facebookgruppe, in der es darum geht, sich in diesen Zeiten gegenseitig zu helfen, wurde ich gebeten, nach dem Ergebnis der Ministerkonferenz etwas aufmunterndes zu schreiben, vielleicht mit Blick auf die Bibel.
Ich habe den Stab mal aufgenommen – auch, um meine eigenen Gedanken zu sortieren. Ich bin und war wütend, wütend auf die Regierung, wütend auf Politiker, die solche Katastrophen wie Kassel zulassen und denen nichts anderes einfällt als eine Notbremse zu ziehen, die den Namen nicht verdient, da sie eine Kollision nicht verhindern wird: Notbremsen zieht man sofort, meinetwegen mit kurzem Vorlauf, aber nicht erst in anderthalb Wochen.

Und dann kommt mir jemand mit der Bibel…

Ich habe also versucht, runterzukommen. Und lande dann bei drei Texten, die mir persönlich was bedeuten. Das eine ist, etwas verfrüht, ein Auferstehungsevangelium: „Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. (…)“ (Joh 20,11ff) Hoffnungslosigkeit pur. Keine Aussicht auf irgendwas. Schon der Tod Jesu lässt alle Träume enden, und nun, als sie ihm die letzten Dienste tun will, ist der Leichnam auch noch gestohlen. Und dann kommt es völlig anders, als sie es sich auch nur geträumt hätte:

Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du?Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen. Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.“

Aus der tiefsten Hoffnungslosigkeit wird sie herausgeholt. Und ich denke, dass kennen wir auch in unserem Leben: wenn es total finster aussieht, und wir nicht mehr ein und aus wissen, dann kommt oft irgendwo ein Lichtlein her, dass zwar nicht unbedingt alles wieder ins rechte Lot setzt, dass uns aber doch wenigstens die Hoffnung zurückgibt. Und ja, ich weiß, wovon ich rede, diese totale Finsternis habe ich in meinem Leben selbst schon erlebt.

Die zweite Stelle, die mir einfällt, ist der Gang der Jünger nach Emmaus: auch da totale Hoffnungslosigkeit, auch da ein Erkennen.

Und dann, das war mein erster Gedanke: Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Meine Lebenskraft bringt er zurück. Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen. Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich. Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, übervoll ist mein Becher. Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang und heimkehren werde ich ins Haus des Herrn für lange Zeiten.“

Wenn wir uns also abgeregt haben, wenn wir neu schauen, wie es weitergehen kann, dann denke ich, wird sie auch wieder erscheinen, die Hoffnung:

Hoffnung
Im Dunkel ahnt man es doch
Das Licht wird kommen
Es bricht sich Bahn
Durch die Finsternis der Nacht
Durch die Nebel der Hoffnungslosigkeit
Durch die Wolken der Angst
Auf einmal bricht es sich Bahn
Ein Strahl nur oder mehr
Ein winziges Wolkenloch
Die Sonne ist da
Auch wenn sie verdeckt ist
Man ahnt es doch
Das Licht wird kommen

Mehr kann ich Euch heute nicht geben. Mehr habe ich selbst nicht.