Hoffnung

Im Dunkel ahnt man es doch

Das Licht wird kommen

Es bricht sich Bahn

Durch die Finsternis der Nacht

Durch die Nebel der Hoffnungslosigkeit

Durch die Wolken der Angst

Auf einmal bricht es sich Bahn

Ein Strahl nur oder mehr

Ein winziges Wolkenloch

Die Sonne ist da

Auch wenn sie verdeckt ist

Man ahnt es doch

Das Licht wird kommen

2020 – kann das weg?

(Ein Rückblick aus persönlicher Sicht)

Ja. Definitiv. Wenn ich die Schlagzeilen zu den Geflüchteten lesen, wenn ich die Zustände in den Lagern bedenke, wenn ich die Kommentare dazu lese – dann hat das Jahr gar nicht erst stattgefunden. Nur dass halt jetzt noch mehr tote Geflüchtete zu beklagen sind.

Ja. Definitiv. Ich bin ein Kontaktmensch. Ein Kontaktloses Jahr hat nicht stattgefunden für mich. Diese Krankheit tötet Menschen oder hinterlässt ihnen lebenslange Andenken. Sie legt unser ganzes öffentliches Leben lahm, hier und überall auf der Welt. Sie verbreitet sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit. Kann weg, das Jahr der Pandemie.

Ja. Definitiv. Ein Jahr, in dem viele eigentlich gesunde mittelständische Betriebe in Konkurs gingen. Ein Jahr, in dem viele Menschen ihre Arbeit verloren haben. Ein Jahr, in dem Schülerinnen und Schüler, die sowieso schon schlechte Ausgangsbedingungen haben, noch mehr abgehängt wurden. In dem Femizide und häusliche Gewalt zugenommen haben. So ein Jahr kann weg.

Ja. Definitiv. Wenn ich die Berichte über die Krisenherde dieser Welt lese, über Kriege, die eigentlich vorbei sind und doch noch weitergehen wie in Syrien. Über Waffenverkäufe. Über Ausbeutung. Über nicht stattfindende, dringende Maßnahmen zum Klimaschutz, dann hat sich nichts geändert seit 2019. Dann hat das Jahr gar nicht stattgefunden.

Ja. Definitiv. Ein Jahr ohne Konzerte und Kultur. Kann weg.

Ja. Definitiv. Kirchlicherseits der Skandal um Kardinal Woelki, die unsäglichen Weihnachtspredigten über die die Tatsache, dass Frauen auf keinen Fall Priester werden können und darüber, dass Gott den Mensch als Mann und Frau erschaffen hat und nicht queer, die Predigten zur Abtreibung, die mit keinem Wort erwähnen, was in der Kirche mit den Geborenen passiert – da ist etwas eskaliert. Kann weg.

Stimmt das? Kann das Jahr weg?

Nein, kann es nicht. Wenn ich sehe, wie viele Menschen immer noch bereit sind, zu helfen. Wie viele deutsche Städte im Laufe des Jahres angeboten haben, Geflüchtete aufzunehmen jenseits aller Quoten, dass auch in diesem Jahr weitere „sichere Häfen“ dazugekommen sind, weitere Seenotretterschiffe und und und – dann macht dieses Jahr auch Hoffnung und kann bleiben.

Nein, kann es nicht. Es war auch nicht wirklich kontaktlos, dieses Jahr, Kontakte wurden nur anders gehalten. Meine Mutter z.B. spielt fast jeden Sonntag abend skypenderweise mit ihren Enkeln und hat so mehr Kontakt als vor der Pandemie. Viel lief mit viel Kreativität draußen: von der Geburtstagsfeier dreier Menschen im Garten mit 3 Paaren auf Abstand, einem Grill, den jeder für sich selbst bedienen musste und einem Geschenkehaufen mitten auf dem Rasen, einer Beerdigung, bei der nach der Beisetzung der letzte, vom Verstorbenen gekaufte, schottische Whisky ausgeschenkt wurde bei entsprechender Begleitmusik, statt Beerdigungskaffee, draußen trotz eisiger Kälte (aber der Whisky wärmte ja), natürlich auf Abstand und mit Maske, Treffen zu Wanderungen, Radtouren und Spaziergängen und sogar der eine oder andere Urlaub, wenn auch anders, als geplant: dann stelle ich fest, dass das Jahr die Kreativität, was Begegnungen angeht, geweckt hat und hoffentlich nicht alles anschließend verschwindet.

Nein, kann es nicht. Es ist viel passiert in diesem Jahr, die Pandemie hat neben der Krankheit selbst für viel Elend in der Welt gesorgt, das stimmt. Aber es gab auch das andere: spontane Bildung von Gruppen, die Menschen in Quarantäne mit Einkäufen versorgten. Solidarität überall, Hilfe für alle, jenseits von Klopapierhamstern. Wildfremde Menschen, die einander grüßen und ein paar Worte miteinander wechseln, vielleicht froh, mal einem realen Menschen gegenüber zu stehen. Auf dem Weihnachtsspaziergang ein „Fröhliche Weihnacht“ von wirklich jedem, dem man begegnet: es hat sich was verändert, zwischenmenschlich. Was positives, wie ich finde.

Nein, kann es nicht. Zwar hat sich der Frieden tatsächlich nicht weiter ausgebreitet in der Welt, und die Klimakatastrophe geht weiter. Aber eine Menge Menschen haben sich virtuell vernetzt, die einander vielleicht sonst nie über den Weg gelaufen wären. Die sich in Videokonferenzen kennen- und schätzen gelernt haben, die ihre Arbeit nun anders bündeln und so vielleicht auch mehr Erfolg haben. Menschen, die aufs Rad umgestiegen sind. Das erneuerbare Energiengesetz, das vielleicht immer noch schlecht ist, aber besser als geplant. Es muss noch viel passieren, keine Frage, aber es ist vielleicht ein Licht am Horizont erkennbar.

Nein, kann es nicht. Ja, es war ein Jahr ohne Konzerte. Aber viele haben den Eintrittspreis nicht zurückgefordert. Viele folgen nun ihren Lieblingskünstlern im Netz. Auch hier haben sich mit viel Kreativität Formen gefunden, die es vorher so noch nicht gab – das gibt Hoffnung, dass da das eine oder andere auch bleibt.

Nein, kann es nicht. Ein Vorsitzender der Bischofskonferenz, der sich positiv zur Frauenweihe äußert. Pfarrer, die sich trauen, ihren Kardinal zu kritisieren. Priester, die mit ihrer Meinung, es müsse was passieren, nicht mehr hinterm Berg halten. Es tut sich was. Es gibt Hoffnung.

Was nun mein Jahr angeht, war auch nicht alles schlecht. Ich habe angefangen zu studieren, langsamer zwar als geplant, aber es geht. Online. Und hab darüber tatsächlich schon Menschen kennengelernt, deren Bekanntschaft ich nicht mehr missen möchte. Ich hatte einen wunderschönen Urlaub mit Kindern, Geschwistern, Neffen und Nichten in meiner zweiten Heimat Osttirol, auf Abstand, aber das Wetter war ja schön… Statt Slowenien waren wir an der Ostsee und auf Usedom, im Oktober, und sind da viel Rad gefahren – Abstand war eigentlich überall möglich. Ich durfte neue Menschen kennenlernen. Wir sind uns näher gekommen, mein Mann und ich – aber auch meine Eltern und ich noch einmal auf eine andere Art und Weise, dadurch, dass wir ja die einzigen Realkontakte sind, die wir regelmäßig haben, weil wir zusammenwohnen. Ein befreundetes Ehepaar, das in der Nachbarschaft wohnte, meinte sogar: durch den Abstand sind wir uns näher gekommen und ja, da ist was dran. Mit den Kindern spielen wir online und haben dadurch regelmäßigeren Kontakt als vorher. Und es steigt die Vorfreude und die Hoffnung auf bessere Zeiten.

Es war sicher kein gutes Jahr, das Jahr 2020. Aber wenn man genau hinschaut, dann findet man ganz viele positive Ansätze…

Weihnachten 2020

Wir erwarten Gottes Sohn
wir erwarten den Friedensfürst
wir erwarten die Hoffnung für die Welt

Weihnachten in Deutschland
Besuch kommt – nicht
die Pflegeheime – mehr oder weniger abgeschottet
vielerorts nur ein*e Besucher*in, wenn überhaupt
Singen unterm Tannenbaum
– nur, wenn man alleine ist
Geschenkeaustausch – fällt aus
oder per Post, vielleicht vor der Haustür
kein Familienfest, kein Familienfriede
Kontaktverbot, Quarantäne
Hoffnungslosigkeit überall
Einsamkeit breitet sich aus

Weihnachten an Europas Rändern
im Lager nicht genügend Wasser
kein Zugang zu Hygiene und Gesundheit
Kein Schutz vor Kälte
Auf dem Meer keine Rettung
keine Zukunft
Hoffnungslosigkeit überall
Angst breitet sich aus

Weihnachten in den Krisengebieten dieser Welt
Bomben fallen, Schüsse sind Alltag
Krieg, Hungersnot, Vertreibung
Klimawandel macht Heimat unbewohnbar
Keine Zukunft
Hoffnungslosigkeit überall
Angst breitet sich aus

Wir erwarten Gottes Sohn
wir erwarten den Friedensfürst
wir erwarten die Hoffnung der Welt

Er wird geboren
bei den Einsamen
im Lager
im Schlauchbot
im Krisengebiet

Gott hat keine anderen Hände als die unseren:
Machen wir sein Kommen sichtbar
Dann wird es Weihnachten werden


© Edith Furtmann 12/2020

Corona-Maßnahmen: Chancen?

Gedanken zur Kontaktreduzierung in Coronazeiten

Überlegungen zur (Trauer-)seelsorge und Beerdigungskultur und darüber hinaus.

Gerade verändern wir alle unseren Umgang mit anderen Menschen.

Und ich frage mich: Trauerseelsorge in Zeiten von Corona – geht das? Wie geht das?

Ein Trauergespräch am Telefon stellt mich vor ganz andere Voraussetzungen als in der realen Begegnung, es ist anstrengender, aber es gibt auch eine Chance: ich muss noch mehr auf Zwischentöne hören, auf das, was ungesagt bleibt, ich merke, dass ich mich deutlich mehr konzentrieren muss auf meine Gesprächspartner. Ich muss auch – bei mehreren Hinterbliebenen – möglicherweise mehrere Telefongespräche führen, die sich vielleicht an der ein- oder anderen Stelle doppeln, die aber den Charme haben, dass man vielleicht freier reden kann über die Oma, wenn die Mutter nicht dabei ist, über den Vater, wenn dessen Lieblingskind (oder aber das schwarze Schaf) nicht neben einem sitzen…

Wie begrüße ich als Beerdigungsdienstleiterin die Menschen vor der Trauerhalle, denen ich sonst die Hand gedrückt hätte, richtig? Es ist anders, aber auch eine Chance – manchmal gibt man den Menschen die Hand und ist doch schon in Gedanken beim nächsten – das geht jetzt nicht. Ich muss den Menschen in die Augen gucken, sie ehrlich anlächeln – so, dass auch meine Augen mitlächeln, falls ich eine Maske trage. Das heißt, ich muss mich dem Menschen, den ich begrüße, deutlich mehr zuwenden…

Generell ist die Frage, wie man zu fremden, aber vielleicht auch zu vertrauteren Menschen einen Kontakt aufnehmen kann, wenn man Abstand halten muss und Maske tragen, der über einen schnellen Gruß.

Ich glaube, wir sind in unserer schnelllebigen, bunten Welt gar nicht mehr darauf gepolt, uns ganz auf unser Gegenüber zu konzentrieren, wir sind schnell mal abgelenkt, weil wir gewohnt sind, dass die Welt um uns so funktioniert: Dauernd ändert sich was, dauernd müssen wir neue Sinneseindrücke verkraften, das Handy piept, Schnellnachrichten, mal eben gucken…
Ich lerne gerade neu, mich auf einen Menschen zu konzentrieren. Natürlich habe ich auch früher schon zugehört, mich auf die Menschen eingelassen. Aber es ist nun deutlich anders: eine kleine Ablenkung beim Telefonat, und man verliert den Faden. Wenn das Lächeln die Augen nicht erreicht, erkennt man es bei Maskenträgern nicht. Eine Begrüßung funktioniert nur noch, wenn man sich drauf konzentriert und nicht schon in Gedanken beim nächsten ist. Das alles ist auch eine Chance, finde ich: man muss mehr Antennen ausstrecken, um mitzukriegen, was der oder die andere fühlt, was zwischen den Zeilen steht – und das ist eine Wohltat. Es tut gut, wenn Menschen sich konzentrieren auf den oder die eine Gesprächspartner*in, die gerade wichtig sind – man fühlt sich deutlich anders wahrgenommen. Und es reicht nicht mehr, oberflächlich zu agieren, nur mit dem Mund zu lächeln – wenn Mimik wegfällt, werden die Augen noch mehr zum Spiegel der Seele.

Vielleicht hilft uns das, wieder authentischer zu werden, inne zu halten, konzentrierter bei der Sache zu sein – es wäre schön, wenn das über die Krise hinaus hielte.

November 2020

„Im Nebel ruhet noch die Welt“ – so beginnt ein Herbstlied, dass ich im Schulchor kennengelernt habe. November, Novembernebel, Herbststürme, frühe Dunkelheit – der November ist nicht unbedingt mein Lieblingsmonat. Aber es gibt Highlights: Martinsumzüge, Weihnachtsbasare, vielleicht auch schon ein Weihnachtsmarktbesuch, gemütliche Abende mit Glühwein, Kerzenschein und guten Freunden …

So könnte dieser Artikel anfangen, wenn nicht, ja wenn es nicht der November 2020 wäre, der heute beginnt. Lockdown light oder wie immer man das nennen will: extreme Kontaktbeschränkungen, Gastronomie, Museen, Theater, Kinos und „Vergnügungsstätten“ geschlossen, Martinszüge abgesagt, Weihnachtsmärkte ebenfalls.

Also nochmal von vorne: „Im Nebel ruhet noch die Welt“, so beginnt ein Herbstlied, dass ich im Schulchor kennengelernt habe. November, Novembernebel, Herbststürme, frühe Dunkelheit – schon unter normalen Umständen ist der November nicht unbedingt mein Lieblingsmonat. Aber das Lied geht weiter: „bald siehst Du, wenn der Schleier fällt…“ Wir wissen alle: es gibt im November Tage, da fällt der Schleier nicht. Da ist es den Tag über dämmrig, man sieht nix, und ohne elektrisches Licht geht gar nix. Es ist der Monat des Totengedenkens, der Volkstrauertage – irgendwie alles ziemlich trübe. Und in diesem Jahr sicher deutlich trüber als sonst. Aber: irgendwann fällt er doch, der Schleier. Irgendwann sieht man sie doch, die Sonne, manchmal nur ein kleiner blauer Himmelsfleck, ein paar Strahlen durch ein Wolkenloch, manchmal auch deutlich mehr – und die muss man dann genießen, diese Aufheiterungen.

Und so sollten wir es jetzt machen: Wolkenlöcher suchen. Manche kann man selbst herstellen: Endlich mal Zeit, auf dem Sofa zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen. Ein Telefonat mit der besten Freundin, während man mit heißem Tee in eine Decke gewickelt auf dem Sofa sitzt. Oder man ruft jemanden an, von dem man weiß, er oder sie hat drauf gewartet – dann ist man selbst Wolkenloch für andere. Wenn man spazieren geht, findet man vielleicht ein besonders hübsches Herbstblatt. Oder, wie früher als Kinder, Kastanien, die mit ihrer glatten Haut auch als Handschmeichler durchgehen. Vielleicht nutzen wir die moderne Technik, um das, was uns fehlt zu kompensieren: Eine Skype Verabredung, gerne zum virtuellen Kaffee- oder Glühweintrinken, damit man sich sieht beim Ausquatschen. Man kann übers Internet zusammen spielen: Sonntags abends treffen sich in unserer Familie Kinder und Enkelkinder mit der Oma, um über Skype 2 Stunden Stadt-Land-Fluss zu spielen, und sie hat so Kontakt zu den Enkeln, die sie wegen Corona nicht besuchen können. Vielleicht lächeln wir beim Spaziergang jemanden an – und der lächelt überrascht zurück. Das wärmt das eigene Herz ungemein.

Ich bin sicher, es gibt noch ganz viele andere Wolkenlöcher, für jeden und jede ganz individuell. Das erste Lächeln des Tages bekomme ich von mir selbst, morgens, im Badezimmerspiegel, auch wenn’s manchmal schwerfällt. Das hebt die Laune schon ungemein. Und dann gibt es einen ganz einfachen Trick, sich selbst zu zeigen, dass es positive Momente gibt: Man nehme 7 Bohnen oder Murmeln oder was auch immer und stecke sie in die linke Hosentasche. Immer, wenn einem etwas Schönes begegnet, und sei es auch noch so winzig, wechselt man dann eine Bohne auf die andere Seite. Man wird aufmerksamer, denn Ziel ist es natürlich, möglichst viel Bohnen in die andere Tasche zu tun. Abends kann man sie zählen und merkt: ganz so nebelig war es nicht, es gab Wolkenlöcher. Vielleicht unterstützt man das Ganze mit einem Positivtagebuch. Oder, wenn man kann, mit einem Dankbarkeitsgebet.

„…herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde fließen“ – ich wünsche Euch/Ihnen und mir, dass wir das sehen können, jeden Tag, auch in diesem November. Versuchen wir’s. Gutes Gelingen.

Mal was für die Ohren

Ich bin fürs Domradio interviewt worden, vor zwei Wochen, in meinem Urlaub, wurde es gesendet:

https://www.domradio.de/audio/edith-furtmann-die-welt-besser-verlassen-als-vorfinden

11.10.2020 – 18:00

Die Welt besser verlassen als vorfinden Edith Furtmann

Das sei ein Irrtum. Gott berufe keine Frauen, stellte der Pfarrer gegenüber der jugendlichen Edith Furtmann klar. Diese wurde dann Juristin. Seit Maria 2.0 studiert sie jetzt doch Theologie und schaut, was das Leben noch mit sich bringt.

Bis vor zwei Jahren hatte Edith Furtmann diese so wegweisende Szene mit ihrem verehrten Heimatpfarrer komplett vergessen. Gesprochen hatte sie all die Jahre mit niemandem darüber. „Dabei ging es mir gar nicht darum, dass ich nicht Priester werden konnte. Das war mir ja klar, das wusste ich. Aber das Gott mich nicht berufen hatte, das war ein Schock.“

Richterin? Wir werden verhindern, dass eine Mutter einem Mann den Platz wegnimmt

Der Schock war so groß, dass Edith Furtmann mit keiner Menschenseele sprach, sondern sich gleich eine neue Lebensaufgabe suchte. Richterin. Auch gut, dann wollte sie auf diese Weise für mehr Gerechtigkeit in der Welt sorgen.

Nicht gewappnet war sie allerdings auf die Sprüche, die ihr der vorsitzende Prüfer im Vieraugengespräch unverholen mitgab – und die jede Aussicht auf das Richteramt zerstörten. Was passiert ist, hören Sie in der Sendung.

Bürgermeisterkandidatin und ehrenamtliche Gemeindeleitung

Zusammen mit ihrem Mann änderte Edith Furtmann ihre Pläne: statt wie geplant bei den Kindern zu bleiben, suchte nun ihr Mann eine Stelle. Edith Furtmann engagierte sich politisch und kirchlich. Wurde am Niederrhein Bürgermeisterkandidatin und sammelte Erfahrung in der Kommunalpolitik und der ehrenamtlichen Gemeindeleitung.

Warum dann eine Lesung zum „Weiberaufstand“ von Christiane Florin noch mal alles änderte und wie in einem Mosaik heute alle Erfahrungen in einem neuen Bild zusammen kommen, davon erzählt Edith Furtmann mal stoisch, mal leidenschaftlich und immer spannend.

Tag der deutschen Einheit: Betrachtung meines ganz persönlichen Lebens und Erlebens in Deutschland

30 Jahre Deutsche Einheit. Im Umkehrschluss für mich: 27 Jahre meines Lebens war Deutschland geteilt, für mich war, wie Reinhard Mey das mal besungen hat, Leipzig weiter weg als Rom (eine meiner Lieblingsstädte) oder New York (wo ich auch erst vor 2 Jahren war). Einfach exotischer als der Rest der für mich zugänglichen Welt.

Und dann kam der 9. November vor 31 Jahren, für mich der eigentliche Feiertag: die Mauer fiel.

Ein Jahr vorher waren wir noch mit dem Auto nach Berlin gefahren, voller Angst über die Transitautobahn, nach dem wir wegen eines Passfotos Stunden an der Grenze verbracht hatten (eine Mitfahrerin hatte an dem Tag einen Pferdeschwanz statt der Zöpfe vom Passbild). Auf der Fahrt nach Ostberlin wurde mein Bruder am U-Bahnhof stundenlang festgehalten, weil er sich einen Bart hatte wachsen lassen – die Angst fuhr also immer mit.  Vor dem Berliner Dom wurde mein Mann gebeten, doch seine Jeans auszuziehen, er könne dafür mehrere Dosen echten russischen Kaviar bekommen – was er natürlich nicht getan hat, uns aber sehr fasziniert.

Bereits Ende der 70er war ich einmal in Berlin gewesen – mit der Klasse – und hatte mein Geld in Noten investiert und war den Zwangsumtausch doch nicht losgeworden…

Das waren meine einzigen Berührungen mit der DDR, bis dahin – und das Ostberlin, dass ich kennengelernt habe (einschließlich mit: wir haben keinen Platz in offensichtlich leeren Cafés) irgendwie strange, aber sicher nicht repräsentativ.

Wir reisen gerne, auch innnerhalb Deutschlands. In den Folgejahren sind wir immer mal in den „neuen“ Bundesländern gewesen, weil es uns dort landschaftlich ungeheuer gut gefällt. Und haben eine Entwicklung beobachten können: vom teilweisen totalen Verfall bis hin zu Städten und Dörfern, die mit sanierten Häusern und Straßen sich durchaus sehen lassen können. Parallel dazu konnten wir beobachten, dass es im Westen immer mehr Verfall gab, weil es den Städten an Geld fehlt – und aus meiner Arbeit im Stadtrat weiß ich, dass der Soli zumindest mit schuld daran ist. All das sind aber persönliche Eindrücke, keine generellen Erfahrungen.

Jetzt, nach dreißig Jahren, frage ich mich durchaus: warum gibt es immer noch dieses Lohngefälle? Aber das frage ich mich nach über 70 Jahren, in denen der Gleichheitsgrundsatz ins Grundgesetz eingeführt wurde, auch bezüglich der Bezahlung Männer/Frauen) Aber auch: warum gibt es dieses Infrastrukturgefälle teilweise andersrum? Und wenn ich dann genau hinsehe, merke ich: es gibt diese Unterschiede überall in Deutschland, es gibt überall strukturschwächere und strukturstärkere Gegenden – diesbezüglich gibt es keine Einheit, aber die Grenze ist nicht mehr Ost/West, sie geht bunt durch unser Land. Das ist bedauerlich und muss dringend angepackt werden – ist aber keine Frage der Einheit an sich.

Ich glaube, manche Menschen verwechseln Einheit mit Gleichmacherei. Aber das, was wir heute Deutschland nennen, ist, wie das, was wir vorher Bundesrepublik nannten, ein Konglomerat von ganz verschiedenen Einzelteilen – schon Rheinländer*innen und Westfalen sind ziemlich unterschiedlich, wenn man pauschalisieren will (ich kann das beurteilen, ich lebe am Niederrhein mit einem Westfalen, der ziemlich westfälisch ist bzw. zumindest mal war). Und der Niederrheiner an sich ist nicht mit dem Kölner gleichzusetzen. Bayern sind keine Preussen und und und. Vielleicht ist der Ansatz einfach falsch.

Wenn wir begreifen, dass wir alle Menschen sind, die in diesem Land leben, unterschiedlich wie Menschen nun mal sind, der ein oder die andere so oder anders geprägt, egal, wo unsere Wurzeln auch immer liegen (als Rheinländerin weiß ich, dass wir Deutschen gar nicht so deutsch sind, wie manche das gerne hätten), und dass unsere Regionen ebenfalls unterschiedlich sind, Bayern ist nicht Mecklenburg Vorpommern und Mittelgebirge sind keine Alpen, der Rhein ist nicht die Elbe und der Meeresstrand liegt nicht am Baggersee) und daher verschieden geprägt sind und auch verschiedene Voraussetzungen haben: wenn wir das kapieren, dass es nur eine Einheit in der Vielfalt geben kann, dann können wir uns, vorbehaltlos, über die Deutsche Einheit freuen.

Ehesegen

(Den nun folgenden Ehesegen habe ich geschrieben anlässlich der Hochzeit meines Patenkindes Anna am vergangenen Wochenende – aus meiner Erfahrung nach fast 35 Jahren Ehe zwischen einer Rheinländerin vom Niederrhein und einem Westfalen.
Er darf gerne – mit Urheberangabe – genutzt werden.)

Ja zu sagen für immer
vor Gott
in guten und in schlechten Tagen

Ein Wagnis

Ihr geht es ein
Ihr traut Euch
und Er traut Euch das zu

Wenn das Leben einfach nur schön ist
freue Gott sich mit Euch

Wenn es Streit gibt
zeige Er Wege der Versöhnung

Wenn Euch alles gelingt
habe Er seine Freude daran

In Dunkelheit
zünde Er ein Licht für Euch an

Wenn Eure Pläne aufzugehen scheinen
sei er Euer Wegbegleiter

Wenn das Leben ausweglos erscheint
zeige Er Auswege auf

Wenn Ihr den Überschwang Eurer Liebe
weitergeben könnt
sei Er in ihr.

Wenn Ihr selbst hilflos seid
sende Er Euch Helfer

In guten und in schlechten Tagen
sei Er an Eurer Seite

Und wenn gar nichts mehr geht
trage Er Euch auf Händen

Möge Euer Wagnis gelingen
mit der Hilfe des Herrn
der heute
der Dritte in Eurem Bunde sein will

So sei Euer Eheweg
vielleicht nicht immer gerade und glatt
aber immer gangbar
mit seiner Hilfe.

Weltfriedenstag 2020

Was ist das eigentlich, Weltfrieden? Unsere Kommunionkinder erwähnen ihn, ganz in Anlehnung an die „Großen“, immer in den Fürbitten. Den Weltfrieden, den alle sich so ersehenen, und den wir doch nicht herstellen können.

Was ist Frieden? Ist Frieden einfach nur die Abwesenheit vom Krieg? Dann sind die meisten von uns ja fein raus – wir zetteln keine Kriege an, verkaufen keine Waffen, wir leben in einem Land, in dem es seit 75 Jahren Frieden gibt, die allermeisten kennen Krieg überhaupt nur aus dem Fernsehen.

Wiki schreibt: „Frieden oder Friede (von althochdeutsch fridu „Schonung“, „Freundschaft“) ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg. Frieden ist das Ergebnis der Tugend der „Friedfertigkeit“ und damit verbundener Friedensbemühungen.“ Abwesenheit von Krieg ist es also nicht alleine. Ich gehe noch weiter: Friede muss bei jedem selbst anfangen.

Da gibt es den inneren Frieden, den Seelenfrieden, wenn jemand den erreicht hat, dann strahlt das aus in seine Umgebung, dann wird es in seinem Umkreis weniger Hektik und weniger Streit und Stress geben, denn wer den inneren Frieden erreicht hat, der ist mit sich selbst im Reinen, der braucht sich nicht mehr wild rumzustreiten um Nichtigkeiten.

Dann gibt es den Frieden in meinem Familien- und Freundeskreis – fast genau so schwer zu erlangen, es gibt doch immer Situationen, wo ich finde, ungerecht beurteilt oder behandelt worden zu sein, wo mir jemand vermeintlich Unrecht tut und ich es ihm übelnehme oder vielleicht sogar heimzahle…

Der innergesellschaftliche Friede ist deutlich schwerer herzustellen: struktureller Rassismus, Bildungsgefälle, fehlende Gleichberechtigung, die Angst vor dem Abstieg und die Suche nach Schuldigen…

Und der zwischen Staaten – den gibt es nicht, den hat es nicht gegeben, vielleicht wird es ihn nie geben.

Damit ist das Thema durch: Frieden, etwas Utopisches, nicht zu erlangen, darum kann man ihn in das Reich der Wünsche und Träume verbannen…

Und doch ist es damit nicht getan. Den inneren Frieden erlange ich nur, wenn ich aufhöre, mit mir zu hadern. Das heißt nicht, dass ich mich kritiklos nehmen muss, wie ich bin, dass ich nicht bereit sein kann, mich zu ändern, wo es notwendig wäre. Das heißt nur: erst einmal bin ich gut so, wie ich bin, so hat Gott mich geschaffen. Und dann kann ich mich bemühen, nach meinen Werten und Maßstäben zu leben, in dem Bewusstsein, dass niemand perfekt ist und es auch nie jemand sein wird, auch wenn es für mich manchmal so aussieht: und dass daher ehrliches Bemühen immer ausreicht.

Das strahlt dann aus: den das, was für mich gilt, gilt ja auch für die Menschen meiner Umgebung: erst mal muss ich davon ausgehen, dass sie so, wie sie sind, gut sind. Und dann kann ich Differenzen sachlich betrachten: ist meine Sicht vielleicht einseitig? Kann ich mich in den oder die andere hineinfühlen oder meine ich zu wissen, was er wie meint und warum sie so oder so reagiert? Gehe ich an Streitigkeiten mit Wohlwollen gegenüber dem Menschen, der mir gegenübersteht, heran, oder habe ich von Vornherein schon mein (Vor-)Urteil gebildet? Ist das, was mich aufregt, es wert, dass ich mich aufrege und Unfrieden verbreite? Oder ist es vielmehr eine Nichtigkeit, beruht auf meiner gekränkten Eitelkeit, darauf, dass ich meiner selbst vielleicht nicht so sicher bin, wie ich es gerne wäre? Ich gebe zu, es ist äußerst schwierig. Man muss sich selbst immer wieder den Spiegel vorhalten, es ist anstrengend und mühsam. Aber ich glaube, es lohnt sich: wenn in meinem Umkreis mehr Frieden herrscht, kann ich selbst auch friedlicher werden.

Und das muss sich dann so weiter fortsetzen. Auf der Ebene, auf der ich mich befinde. Der Plan ist, ohne naiv zu sein davon auszugehen, dass die Menschen mir nix wollen. Und das ein Mensch, mit dem ich vielleicht streite, als Mensch erst einmal wertgeschätzt werden will – das erwarte ich im Gegenzug ja auch.

Wenn ich aber meinem Gegenüber aber vorurteilsfrei begegne, sie oder ihn erst mal wertschätze, bevor ich mich sachlich mit Inhalten auseinandersetze, dann ist ganz viel gewonnen: es geht jetzt nicht mehr um Frieden oder Unfriede, es geht um ein Thema, über das man ja vielleicht geteilter Meinung sein kann – und das man im besten Fall so diskutieren kann, dass es vielleicht sogar ein Ergebnis gibt und sei es nur: ok, das sehen wir halt verschieden. Oder gar einen Kompromiss. Und schon ist ein bisschen Frieden mehr in der Welt.

Klingt utopisch? Ja schon, wer weiß das, wenn nicht ich. Aber es geht ja auch, wie gesagt, nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, sich zu bemühen, nach den eigenen Wertvorstellungen und Maßstäben selber zu leben. Selber, nicht sie zu Kriterien für die anderen zu machen.

Und dann gibt es noch die Aufgabe, Friedensstifter oder Friedensmittler zu sein. Wegschauen um des lieben Friedens Willen ist nämlich keine Option, diesen „lieben Frieden“ gibt es nicht, weil dann immer irgend einer verletzt oder besiegt zurückbleibt. Das heißt: wenn ich Rassismus erkenne oder irgendwelche Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten, dann muss ich sie aufzeigen, nicht verschweigen. Dann muss ich möglicherweise meine Stimme erheben, auch wenn das Unfrieden zur Folge hat. Dann muss ich alles tun, um das Opfer zu schützen. Aber immer unter der Prämisse, dass auch der „Täter“ ein Mensch ist. Und dass es, wie immer, um die Sache geht, um die Sache gehen sollte.

Was das jetzt mit dem Weltfrieden zu tun hat? Nichts und doch alles: wenn jeder versucht, nach seinen Möglichkeiten in seinem Umfeld Frieden zu schaffen, dann breitet dieser sich exponentiell aus – und irgendwann wird aus einer Utopie Realität.

Jeder Mensch dieser Erde hat das gleiche Recht, in Frieden zu leben. Wir können etwas dazu beitragen, und sei es nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein: steter Tropfen höhlt den Stein.

Nehmen wir doch den Weltfrieden zum Anlass, stärker auf den Frieden in der eigenen Umgebung zu achten.